Thomas Pynchon - Gegen den Tag

  • Gebundene Ausgabe: 1760 Seiten
    Verlag: Rowohlt TB-V. Rnb.; Auflage: 2 (1. Mai 2008)
    Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    "Gegen den Tag umspannt den Zeitraum zwischen der Weltausstellung in Chicago 1893 und den Jahren kurz nach dem Ersten Weltkrieg und führt von den Arbeiterunruhen in Colorado über das New York der Jahrhundertwende, London und Göttingen, Venedig und Wien, den Balkan, Zentralasien, Sibirien zur Zeit des Tunguska-Ereignisses und Mexiko während der Revolution ins Paris der Nachkriegszeit, Hollywood während der Stummfilmära und an ein, zwei Orte, die
    auf keiner Landkarte zu finden sind. Während sich die weltweite Katastrophe schon am Horizont bzeichnet, beherrschen hemmungslose kapitalistische Gier, falsche Religiosität, tiefe Geistlosigkeit und böse Absichten an hohen Stellen das Bild. Derweil treibt Thomas Pynchon sein Spiel. Figuren unterbrechen ihr Tun, um größtenteils alberne Liedchen zu singen. Seltsame und abseitige Sexualpraktiken werden ausgeübt, obskure Sprachen gesprochen, und das nicht immer idiomatisch richtig. Kontrafaktische Ereignisse finden statt. Vielleicht ist dies nicht die Welt, aber mit ein, zwei kleinen Änderungen könnte sie es sein." T.P.


    Über den Autor
    Thomas Pynchin, 1937 in Glen Cove, Long Island, geboren, studierte erst Physik und dann Literatur, schrieb für Boeing technische Handbücher und verschwand. Er ist der Autor verschiedener Romane. 1974 erhielt er den National Book Award für "Die Enden der Parabel".


    Meine Meinung
    "Vorspring und Achterleine loswerfen!"


    Das ist der erste Satz des Buches und damit wird sofort in die Welt, die Pynchon erschaffen hat, hineingezogen. Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Figuren, Handlungssträngen und Ereignissen, denen man als Leser eine bestimmte Zeit lang folgen kann. Viele dieser Handlungsstränge lappen ineinander über und sind miteinander verknüpft und tauchen in bestimmten Abständen immer wieder im Buch auf.


    Es ist schwierig etwas vom Inhalt zu erzählen, ohne damit zeitgleich schon zu viel zu verraten. Zu Beginn des Buches geht es vor allem um die Besatzung der Inconvenience, die auch als Freunde der Fährnis bezeichnet werden. Im Verlaufe des Lesens habe ich aber schnell gemerkt, dass die Freunde der Fährnis lediglich eine Nebenrolle spielen und die Hauptkonzentration auf der Familie Traverse liegt. Pynchon beschreibt in "Gegen den Tag" also vor allem das Leben der drei Brüder der Traverse Familie - Reef, Kit und Frank - die bei dem Versuch ihren Vater zu rächen verschiedene Wege einschlagen und auf diesen Wegen allerhand erleben. Am Ende taucht die Besatzung der Inconvenience dann noch mal auf und das Buch schließt mit dem schönen Satz: "Sie fliegen der Gande entgegen".


    Neben den inhaltlichen Aspekten, spielen vor allem auch historische Ereignisse und andere Anspielungen, auf die Pynchon im Verlaufe des Buches immer wieder Bezug nimmt, eine große Rolle.


    Nachdem ich nun einen ganzen Monat mit diesem Buch gekämpft habe, fällt mein abschließendes Fazit etwas zwiespältig aus. Was man sagen kann, ist das "Gegen den Tag" wirklich Rock'n'Roll ist. Es passiert so viel und so vieles davon ist chaotisch und unverständlich und ich habe mich zum Teil auch immer wieder geärgert, wenn Pynchon Charaktere einfach "vergessen" und nicht mehr erwähnt hat. Auch das Ende konnte mich nicht begeistern, da meiner Meinung nach zu vieles im Unklaren bleibt.


    "Und wie bin ich wieder hierhergekommen?"
    "Das ist die Methode, wie die Menschen heutzutage wieder auftauchen. Die Züge verkehren nicht immer. Die Weichen sind nicht immer richtig gestellt.


    Aber darüber hinaus muss ich sagen, dass ich von diesem (meinem ersten) Pynchon dennoch vor allem auch tief beeindruckt war. Ich habe beim Lesen eines Buches noch nie so viel gegoogelt, nachgeschlagen und gelernt und ich habe den größten Respekt vor dem, was Pynchon alles weiß. Auch wenn es harte Arbeit ist, bis man das Buch geschafft hat, ist es daneben auch unterhaltsam, informativ, unheimlich dicht und an vielen Stellen auch sehr witzig (da fällt mir vor allem die Stelle ein, an der Anarchistengolf gespielt wurde).


    "Gegen den Tag" ist sicherlich nicht eines der besten Bücher, das ich gelesen habe, aber es war dennoch eine tolle Erfahrung.

  • Danke für die Rezi! Einen ganzen Monat für ein Buch zu opfern ist SEHR beeindruckend.
    Ich habe auch einen Pynchon im SUB stehen, und zwar "V", der darauf wartet, dass ich Zeit für ihn habe. Vielleicht wird es diesen Frühling ja was, nachdem ich doch das Vordiplom fast geschafft habe und nun viel Zeit ubd Muße zum Lesen habe.
    Jedenfalls - Respekt fürs Durchhalten!

  • Zitat

    Original von Cookiemonster
    Danke für die Rezi! Einen ganzen Monat für ein Buch zu opfern ist SEHR beeindruckend.


    Jedenfalls - Respekt fürs Durchhalten!


    Aaah ... eine Wohltat für meine Seele, diese Zeilen zu lesen, danke ;-)


    Ich bin auch etwas stolz auf mich, dass ich nicht aufgegeben habe und mit einigen Wochen abstand werde ich wahrscheinlich auch bald sagen, dass ich es mir glatt vorstellen könnte, noch ein weiteres Buch von Pynchon zu lesen. :grin

  • Gegen den Tag – Thomas Pynchon


    Meine Meinung
    Gegen den Tag erzählt in über 1500 Seiten sehr viel über einen Zeitraum von ca. 30 Jahren, beginnend mit dem auslaufenden 19.Jahrhundert, Anfang des 20zigsten. Es gibt sehr viele Schauplätze. Spielt sich die Handlung anfangs vor allen in den USA ab, reisen einige Protagonisten aus unterschiedlichen Gründen fast durch die ganze Welt. Und Pynchon reichen oft schon wenige Sätze, um sehr umfangreiche Informationen an den Leser zu bringen. Wenn man bedenkt, dass außerdem viel skurilles passiert, und es sich manchmal um komplexe, schwierige Inhalte dreht, ist man als Leser oftmals wie erschlagen.
    Deshalb empfiehlt es sich, als Leser möglichst viel Langmut und Geduld mitzubringen.


    Trotz dieser Komplexität halte ich Gegen den Tag neben Vineland noch für einen einigermaßen verständlichen Pynchon-Roman. Die Übersetzer Nikolaus Stinglund Dirk van Gunsteren haben außerordentliches geleistet.


    Gegen den Tag ist ein lohnenswerter Roman, zwar kein bewusstseinsveränderndes Meisterwerk, aber ein Buch mit vielen Überraschungen, auch bei den diversen Schreibstilen, die eingesetzt werden.


    Es gibt ein außerordentlich großes Personal in diesem Roman, doch der Großteil der Handlung konzentriert sich dann doch nur auf eine Handvoll. Viele Nebenfiguren (oder auch Hauptfiguren) tauchen zwischendurch für lange Zeit unter, um dann plötzlich wieder aufzutreten.
    Der Roman besitzt also durchaus eine gewisse Gradlinigkeit, die es jedoch zu erkennen gilt.


    Für Thomas Pynchon sind sein ironischer Stil und sein oftmals oskurer Ideenreichtum kennzeichnend.
    Er hält den Leser auf eine Distanz zu den Figuren. Wer also Identifizierpersonen benötigt, wird es schwer haben, da die Charaktere eine große Bandbreite an Eigenschaften mitbringen, die dem realen Leben in einem größeren Maße entsprechen als man es üblicherweise gewohnt ist. Zudem sind einige Figuren sehr ungewöhnlich und nicht immer einfach zu verstehen. Wenn man glaubt, sie kennengelernt zu haben, gibt es Wendungen, oder sie tauchen einfach mal wieder für hunderte von Seiten ab.
    Dirch dieses Stilmittel wird verhindert, dass man sich je mit den Figuren identifiziert oder sie in einer größeren Riege wirklich kennenlernt, dafür behalten die Figuren aber auch ihre Geheimnisse und das hat auch seinen Reiz.


    Einige sympathische Protagonisten gibt es aber schon. Da fallen mir vor allem Dally, Merle Rideout und die Frau und die Söhne von Webb Traverse ein. Doch fast alle verhalten sich in düsteren Zeiten auch mal bizarr.
    Aus manchen Figuren hätte man mehr machen können, z.B. der Detektiv Lew Basnight wird als interessante Figur angelegt, spielt später aber leider keine große Rolle mehr. Es gibt ohnehin viele lose Enden.
    Auch die Freunde der Fährnis dienen mehr als Verbindungsstück zwischen verschiedenen Handlungssträngen.
    Mehr als die Personen domninieren manchmal auch die vielen Schauplätze, über Chigaco, Colorado, New York, Göttingen, Wien, Venedig, Triest, dem Balkan und viele, viele andere. Diesen Roman zu lesen, kommt einer Weltreise gleich.


    Wer diesen Roman beginnt, sollte wissen, das er sich auf ein mächiges Werk einlässt, für dass er aber durch ungewöhnlichen Humor, viele Ideen und unterhaltenden Abschnitten belohnt wird.

  • Danke für das Posten deiner Rezension, Herr Palomar! Ich habe mich sehr gefreut, auch deine Gedanken zu dem Buch zu lesen. :-)


    Langmut und Geduld waren wirklich zwei Faktoren die ich brauchte, um den letzten Monat durchzustehen. Ich denke aber, dass man auch reich belohnt wird für die harte Arbeit am Ende, da mir das Buch doch wirklich einige schöne, interessante und auch witzige Lesestunden beschert hat.