The Wire - "Die ambitionierteste und aufregendste Serie aller Zeiten"

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    Edit Januar 2009: Nachdem ich alle fünf Staffeln gesehen habe, habe ich eine neue Rezension zu THE WIRE geschrieben. Die Eingangsrezension hatte ich im Januar 2008 geschrieben, nach den ersten drei Staffeln.



    Edit November 2010: Überraschend aber nicht unmöglich, "The Wire" erscheint als deutsche DVD-Veröffentlichung.




    D'Angelo Barksdale, wegen Mordes angeklagt, wird aus Mangel an Beweisen vor Gericht freigesprochen, obwohl es ursprünglich zwei Augenzeugen gegeben hatte. Eine Zeugin hat ihre Aussage zurückgenommen, der andere Zeuge sagt zwar aus, es reicht aber nicht für eine Verurteilung. Einige Tage später wird dieser Zeuge erschossen aufgefunden.
    Jimmy McNulty, Detective bei der Mordkommission in Baltimore, wird dadurch auf Stringer Bell und Avon Barksdale, D's Onkel, aufmerksam. Drogendealer, die die "Projects" (Sozialsiedlungen in West Baltimore und hauptsächlich von Afro-Amerikanern bewohnt) mit Drogen versorgen und zu deren Verantwortung bis zu zehn weitere Morde gehen könnten. McNulty ist einer der besten Mordermittler des Dezernates, er hält sich selbst auch für den Besten und hat das Talent, sich ständig und überall unbeliebt zu machen. Mit Hilfe von Richter Phelan, in dessen Verhandlung die Jury D'Angelo Barksdale freigesprochen hatte und der ein gutes Thema für seine Wiederwahl braucht, gelingt es McNulty gegen den Willen seines Vorgesetzten Major Rawls, dass eine Task Force ins Leben gerufen wird, um Avon Barksdale und Bell zu untersuchen. Andere Dezernate werden um die Abstellung von Polizisten gebeten und einige Abteilungen nutzen diese Gelegenheit, "Ballast", untaugliche Kollegen auf diese Task Force abzuschieben.


    Die Task Force besteht aus McNulty; Kima Greggs, Herc und Carver und Lt. Daniels, alle vier aus dem Drogendezernat, und dem vermeintlichen (oder wirklichen) Ballast, Freamon, Pryzbylewsky, Santangelo und zwei Oldies, die mit Zeitung lesen ihre Zeit bis zur Pensionierung absitzen wollen. Es gelingt, noch einen guten Mann, Sydnor, aus einer anderen Abteilung zu holen.


    Statt in 45 Minuten ein bis zwei Fälle zu lösen, wie in den meisten Krimi-Serien üblich, nimmt sich "The Wire" Zeit eine Ermittlung realistisch darzustellen. Eine Ermittlung ist meist langwierig, es gibt immer wieder Rückschlage und Barksdale und Bell wären als Drogendealer nicht so erfolgreich geworden und bisher nie polizeilich aufgefallen, wenn sie dämlich und unvorsichtig wären. Das titelgebende "Wire" ist eine Abhöranlage, da sonst kaum Möglichkeiten bestehen an sie, die beide selbst weder Drogen noch Waffen in die Hand nehmen, heranzukommen. Morde sind im Auftrag ausgeführt worden und die "hoppers", die die Drogen auf der Straße verkaufen, sind nach einigen Monaten im Knast oder Jugendarrest, wenn es überhaupt dazu kommt, sowieso wieder zurück auf der Straße.


    Department Politik bei der Polizei und persönlicher Ehrgeiz spielen eine wichtige Rolle in "The Wire". Der Kampf gegen das Verbrechen hat nicht immer Priorität, wenn es mit den Karriereplänen einiger Polizisten, Staatsanwälte, Richter oder Politiker nicht konform geht. Ein Jahr vor der Wahl des Bürgermeisters (Staffel 3) gibt es die Anweisung von ganz oben, die Verbrechens- und Mordrate drastisch zu senken, Polizisten sind daraufhin mit der Beschönigung der Statistiken fast mehr beschäftigt als mit Polizeiarbeit.


    Die Macher von "The Wire" wissen, wovon sie schreiben. Ed Burns war zwanzig Jahre Polizist in Baltimore und David Simon Polizeireporter. David Simon sagt im Interview, dass sie die Serie aufgebaut haben wie einen Roman, "ein Sittenbild und die exemplarische Schilderung einer amerikanischen Stadt zu Beginn des Jahrtausends" " … ein Erzählrhytmus mit langen epischen Bögen. Es ist ein wenig wie Tolstoi im Fernsehen".


    Staffel 1 und 3 drehen sich vorwiegend um das innerstädtische Drogenproblem, Staffel 2 hat den erzählerischen Schwerpunkt bei den Dockarbeitern im Hafen von Baltimore, Staffel 4 beschäftigt sich mit dem Schulsystem und Staffel 5 mit den Medien, Figuren und Handlungsstränge ziehen sich durch alle Staffeln. Drehbuchautoren einzelner Folgen sind unter anderen George Pelecanos und Dennis Lehane, Krimi-Lesern wahrscheinlich bekannt.


    Alle Charaktere sind vielschichtig, realistisch und überzeugend dargestellt, es gibt keine klare Grenze zwischen Gut und Böse / Weiß und Schwarz, sondern viele Stufen von Grau. Nicht nur die Persönlichkeiten der Ermittler werden dargestellt, sondern auch die der Dealer und dazwischen die Junkies. Es gibt keine wirklich Hauptrolle, das Zusammenspiel der vielen Charaktere, auch der vielen Nebenfiguren macht die Serie aus. Kima Greggs ist eine gute Polizistin, Lt. Daniels hält die Gruppe zusammen, einige Ermittler wie Freamon und Pryzbylewsky überraschen durch ihre Qualitäten, wodurch sich die Task Force zu einem guten Team entwickelt.


    Der Zuschauer lernt die Dealer als Menschen kennen, von Stringer Bell und Avon Barksdale und bis zur untersten Stufe, den kleinen Dealern, die den ganzen Tag auf dem Hof in den Projects herumlungern und den Stoff verkaufen und sich die Wartezeit mit Palavern vertreiben. Beim Zuschauen fragt man sich, in wieweit sie eine Wahl haben, zu sein was sie sind. (Gleichzeitig ernst und witzig sind viele Dialoge z.B. die Dialoge über Schach, Kopfrechnen und ChickenMcNuggets, Staffel 1). Die Task Force versucht Beweise zu finden, McNulty beschattet Stringer Bell und folgt ihm … zum College, wo dieser Kurse in Makroökonomie besucht, Preiselastizität, der Zusammenhang von Produkt, Preis und Umsatz.


    Gute Dialoge sind ein wichtiger Bestandteil von "The Wire" und durch realistische matter-of-fact Situationen entsteht oft schwarzhumorige Komik und dadurch viele witzige Szenen.


    Bunk Moreland ist der Partner von McNulty bei der Mordkommission, während McNulty bei der Barksdale Task Force beschäftigt ist, hat er auch weiterhin Kontakt zu ihm, da einige Morde wahrscheinlich beide Ermittlungsgruppen betreffen. Die Szene, in der die beiden einen bereits Monate alten Tatort untersuchen, der eventuell auch im Zusammenhang mit Barksdale stehen könnte und sie sich dabei fünf Minuten nur mit dem F-Wort unterhalten ist schon ein Klassiker. (Staffel 1)


    Herc und Carver sind mehr an muskelorientierter Polizeiarbeit als an der Denkarbeit interessiert, daher verbringen sie auf Anweisung viel Zeit irgendwo rumzusitzen und auf irgendwas zu warten und dabei zu quatschen, die Dialoge der beiden, sowie die Unterhaltungen von Bunk Moreland und McNulty, wenn diese den Abend mal wieder irgendwo in einer Bar ausklingen lassen haben oft hohen Unterhaltungswert, mal mehr oder weniger philosophisch angehaucht .... oder nur Quark ..... *g*


    Ein Pastor über die Drogensituation: "It's like sweeping leaves on a windy day", und diese Aussage gibt auch den Grundton der Serie wieder.


    Und Carver: "That's why we’ll never win; when they fuck up, they are fucked. When we fuck up, we get a pension."



    Omar Little raubt Drogendealer aus und das waren diverse Male Barksdales Dealer. Er ist in seinem Viertel bekannt und gefürchtet, aber auch respektiert und sehr sehr cool .... einer meiner Lieblingscharaktere.


    Omar sagt vor Gericht gegen einen von Barksdales Leuten aus. Levy ist der Anwalt von Barksdale, Gant der ermordete Zeuge.


    Levy: You're here because you, you want to tell the truth about what happened to Mr. Gant in that parking lot.


    Omar: Yep.


    Levy: When in fact, you are exactly the kind of person who would, if he felt he needed to, shoot a man down on a housing project parking lot and then lie to the police about it, would you not?


    Omar (insulted): Hey look man, I ain't never put my gun on no citizen.


    Levy: You are amoral. You are feeding off the violence and the despair of the drug trade....You're stealing from those who are themselves stealing the life blood from the city. You're a parasite who leeches off...


    Omar (interrupting): Just like you, man.


    Levy:...the culture of drugs. Excuse me, what?


    Omar: I got the shotgun. You got the briefcase. It's all in the game, though, right?


    Judge Phelan gives Levy a "you can't argue with logic like that" shrug.



    Die meisten Charaktere sprechen Slang, auch das ist ein Teil der Authentizität und Atmosphäre von "The Wire", Untertitel sind daher zu empfehlen, auch ich habe die Serie mit Untertiteln geschaut.


    "The Wire" ist meiner Meinung nach eine der besten TV-Serien aller Zeiten. Im deutschen Fernsehen läuft sie natürlich nicht, obwohl im März 2008 schon die vierte Staffel (England / Region 2) auf DVD erscheint. "The Shield", eine andere gute Polizei-Serie lief eine Staffel und wurde Jahre später noch mal irgendwo im Nachtprogramm versteckt, dieses Schicksal wäre für "The Wire" eventuell auch zu befürchten.


    Wahrscheinlich ist "The Wire" zu realistisch, zu intelligent, zu kompliziert, hat zu viele Charaktere und Handlungsstränge, ist zu langsam, zu dialoglastig und actionarm, um für das deutsche Fernsehen als Erfolg versprechend angesehen zu werden.


    Die DVD ist das beste Medium für eine Serie dieser Art. Der Zuschauer kann selbst entscheiden wie viel er sich anschaut und das wird bestimmt mehr als eine Episode am Stück sein, da "The Wire" süchtig macht. Die Handlungsstränge ziehen sich über viele Episoden hinweg, bei mehreren Episoden in kurzer Zeit bleibt der Zuschauer besser in der verschachtelten Handlung. Die dritte Staffel von "The Wire" hatte ich schon bei Erscheinen gekauft, mir aber aufgespart, da ich vorher die ersten beiden Staffeln unbedingt noch mal anschauen wollte und habe dazu jetzt die Woche Urlaub genutzt. Leider habe ich nicht so viel gelesen wie ich ursprünglich geplant hatte, dafür aber innerhalb von 8 Tagen alle drei Staffeln, 37 Episoden, gesehen und ich freue mich schon auf die vierte Staffel.



    Edit Januar 2009: Eingangsbemerkung und Link hinzugefügt.


    Edit November 2010: Eingangsbemerkung zur DVD-Veröffentlichung hinzugefügt, Links zu YouTube entfernt und Schlussanmerkung hinzugefügt.


    Die Eingangsrezension war die erste oder zweite Rezension, die ich je geschrieben habe, weil mich "The Wire" ab der ersten Staffel so begeistert hat. Die von mir hier angesprochenen Details kann man wohl erst verstehen NACHDEM man die Staffel/n gesehen hat. Mit mehr Rezi-Schreib-Erfahrung wäre ich - besonders in einer vorstellenden Rezension - nicht so ausführlich auf Details eingegangen, daher habe ich später eine neue Rezension geschrieben. Diese Eingangsrezi habe ich aber belassen.

    Jeder hat natürlich das Recht auf Meinungsäußerung, aber ja, ich gestehe, ich habe mich damals über diese erste Reaktion geärgert, die ich als ziemlich pampig und nervend empfunden habe. Danach habe ich erstmal für sehr lange Zeit keine Rezensionen mehr geschrieben, weil mir die Lust vergangen war. In Allerlei Buch wird gerade - von einer Neu-Eule angeregt - über Reaktionen/fehlende Reaktionen auf geschriebene Rezis diskutiert. "Sozusagen als meine Antwort darauf" von mir hier diese recht ausführliche Anmerkung. Ich hätte keine Reaktion dieser Reaktion vorgezogen oder, wenn es was zu beanstanden gibt, bitte in ein paar vollständigen Sätzen. But, that’s life.


    Irgendwann dann hatte ich wirklich Lust, zu einem Buch eine Rezension zu schreiben und sporadisch schreibe ich Rezensionen, für mich und den Autor und weil es mir Spaß macht.



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  • Zitat

    Original von Uta
    ... und prompt bestätigt sich meine Vermutung, dass "The Wire" wohl auch hierzulande kein Programm für die Massen ist, natürlich erst recht nicht in Originalsprache. :grin


    Heißt?
    Wir sind die Massen, die sich weigern, US-Fernsehserien im Original zu schauen?
    :gruebel


    Freu Dich einfach, daß Deine Sehgewohnheiten so anders sind.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Auch in den USA - in Originalsprache - war die Serie nicht wirklich ein Straßenfeger, das habe ich ursprünglich ja angesprochen. Ich fand nur die Ausdrucksweise des obigen Postings etwas, nun ja, "eigenartig".


    Das Forum ist doch dazu da Neues vorzustellen (?), und dass jemand von irgendetwas nicht so begeistert ist, ein Genre oder einen Stil nicht mag, ist kein Problem, ich mag ja auch vieles nicht, was andere mögen. :grin


    :wave

  • Klar kannst Du Neues vorstellen, aber damit rechnen, daß EINE Eule kommt und zum Ausdruck bringt, daß sie das, was Du vorstellst, nicht reizt, mußt Du eben auch.
    Was das mit 'den Massen' zu hat, kapier ich nicht.


    Was mich betrifft, so kann ich mich Alexx beanstandetem Posting anschließen, wenn auch aus ganz anderen Gründen.
    Ich bin eine völlig fernsehfreie Masse, Beiträge über TV-Serien hier reizen mich nie.
    :grin



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich glaube, inhaltlich sind wir nicht weit auseinander. Wir können jetzt Formulierungen auseinanderpflücken, warum ich das beanstandete Posting (in der Formulierung! nicht im Inhalt, eigenartig fand und überspitzt (ironisch gemeint) darauf reagiert habe), Ihr Euch sofort den angesprochenen "Massen" zugehörig fühlt und solidarisch erklärt. :gruebel


    Was lernen wir daraus? Man sollte erst jedes Wort vom Anwalt überprüfen lassen, bevor man es in die Welt hinausschickt. :grin


    :wave

  • Hallo Uta


    Mag ja sein ,das Du so ein "Serienjunkie" bist und alle Serien hochjubelst,


    aber bei uns Eulen findest Du da bestimmt keine großen Fans, die jeden


    billigen Schrott des amerikanischen Fernsehens anhimmeln !


    P.S. Hoffentlich hast Du das jetzt nicht falsch verstanden , denn persönlich


    sollst Du dich nicht angesprochen fühlen !


    Liebe Grüße


    teufelchen ..... .... aus der Hölle

  • Ich kenne die Serie nicht, aber nach "billigem Schrott" klingt sie nach der Beschreibung eigentlich überhaupt nicht. Eher nach sowas wie meinen eigenen geliebten Serien, die mangels Interesse leider im deutschen TV nächtens vor sich hingedümpelt sind.
    Aber, dafür wurden ja die DVDs erfunden.

  • Der in Anführungszeichen stehende Untertitel zu The Wire "Die ambitionierteste und aufregendste Serie aller Zeiten" ist ein Zitat ("Auf die amerikanische Kritik angesprochen, die The Wire einhellig zum ambitioniertesten und aufregendsten Fernsehprojekt aller Zeiten erklärt hat, ….. ") aus dem, in meiner Rezi verlinkten, Artikel in der ZEIT von Dezember 2006.


    In den USA ist gerade die fünfte und letzte Staffel von The Wire auf HBO gelaufen, das hat dort nochmal zu verstärktem Medieninteresse geführt und auch einige deutsche Medien sind aufgewacht. Da ich immer noch glaube, dass es auch in Deutschland (außer mir und ein paar Journalisten :grin) ein Publikum für The Wire gibt, hier die Links:


    taz


    FAZ


    DE:BUG Magazin


    critic.de


    SZ


    Deutschlandradio

  • JANUAR 2009





    THE WIRE beginnt in der ersten Staffel noch fast wie eine klassische Krimi-Serie, eine Gruppe von Polizisten ermittelt gegen den Barksdale-Clan wegen Drogenhandel und Mord. Das titelgebende "Wire" ist eine Abhöranlage, mit dem Ziel, nicht nur die Kleindealer auf der Straße für kurze Zeit aus dem Verkehr zu ziehen, sondern auch gegen die Bosse, die selbst weder Drogen anfassen noch die Morde begehen, Beweise zu finden. Mit jeder der insgesamt fünf Staffeln erweitert sich für den Zuschauer das Bild von Baltimore: am Containerhafen ist wenig Arbeit verblieben, die meisten großen Industrieanlagen sind stillgelegt; der aussichtslose Kampf gegen Kriminalität, Drogenkonsum und Drogenhandel; Politik und Wahlkampf in einer Großstadt; Idealismus oder Karrierestreben; der Zustand an den öffentlichen Schulen; der Zusammenhang mit Medien und Berichterstattung. Ein durchgehendes Thema ist das Verhältnis des Einzelnen zu Institutionen, wie dem Polizeiapparat, Politik, Gewerkschaft, Schule, aber auch die Drogenhändler sind hierarchisch strukturiert. Baltimore ist nicht glamourös wie beispielsweise New York, Los Angeles oder Miami. Baltimore ist eine Arbeiterstadt an der amerikanischen Nordostküste mit etwa 640.000 Einwohnern, ein großer Anteil der Bevölkerung ist schwarz, Drogenkonsum und Drogenhandel sind allgegenwärtig und die Mordrate liegt im Verhältnis zur Einwohnerzahl statistisch weit über der von New York.


    Die Struktur von THE WIRE ist wie ein Roman, ein visuell umgesetzter langer Roman. Die fortlaufende Handlung hat jeweils zum Staffel-Ende einen Abschluss, man muss aber auch alle fünf Staffeln gemeinsam als Teile eines komplexen Ganzen sehen. Dieses großangelegte Bild einer Stadt und einer Gesellschaft, sein Realismus, die Unterschiede zwischen Arm und Reich, hat mehrfach den Vergleich mit den Büchern von Charles Dickens hervorgerufen. In der fünften Staffel heißt eine Episode, sicherlich beabsichtigt ironisch, "The Dickensian Aspect". Die Besetzung von THE WIRE besteht aus mehr als zwanzig "Hauptcharakteren" und vielen weiteren Figuren. Alle Charaktere sind vielschichtig, realistisch und mit Respekt gezeichnet, bis in die kleinste Nebenrolle. Zwischen den einzelnen Staffeln ist auch für die Charaktere jeweils ein Jahr vergangen, und im Verlauf von mehreren Jahren ändern sich berufliche Positionen und Menschen entwickeln sich weiter.


    Baltimore ist die Heimatstadt von David Simon, er ist gemeinsam mit Ed Burns der "Kopf" und Macher von THE WIRE. David Simon war zwanzig Jahre Polizeireporter in Baltimore und Ed Burns Detective bei der Mordkommission und später Lehrer. Beide haben den Anspruch an ihre Arbeit, dass Handlung und Charaktere so wahrheitsgetreu sind, dass sich die beschriebenen Gruppen wiedererkennen. David Simon sagte in einem Interview, "Es gibt zwei Arten, Fernsehen zu machen, entweder man lehnt sich zurück und guckt passiv zu, oder man lehnt sich vor und denkt drüber nach, was man da sieht. Wir machen das zweite."


    Dass THE WIRE trotz der ernsthaften Thematik kein den Zuschauer deprimierendes Sozialdrama ist, verdankt die Serie den großartigen, vielschichtigen Charakteren, großartig geschriebenen und genial verknüpften Handlungssträngen, großartigen Dialogen mit viel lakonischem schwarzem Humor, sowie hervorragenden Darstellern. Es ist ein Vergnügen, sich THE WIRE wiederholt anzusehen.


    Es trägt zum Realismus der Atmosphäre bei, dass es keine Musikuntermalung gibt. Gelegentlich läuft Musik in einem Autoradio, dies geschieht meist beiläufig; ein- oder zweimal wird bewusst als Stilmittel eingesetzt, dass die Musik aus dem Radio während einer Episode einen Zusammenschnitt von Szenen begleitet. Zum Ende jeder Staffel gibt es einen, mit einem Song unterlegten, Zusammenschnitt, der die Charaktere in die nahe Zukunft begleitet, was hat sich verändert? Hat sich überhaupt etwas verändert?


    Von den zehn Leuten, die über die Staffeln hinweg in verschiedenen Positionen die Ermittlergruppe umfassen, sind vier Weiße und sechs Afro-Amerikaner. Es gibt in Baltimore einen schwarzen Bürgermeister, schwarze Ratsmitglieder, einen schwarzen Senator, einen schwarzen Polizeichef, schwarze Polizisten, Staatsanwälte, Pastoren, Krankenschwestern, Lehrer und Journalisten, also durchaus ein afro-amerikanisches Bürgertum. Ein Großteil des Schauplatzes von THE WIRE sind aber die Viertel einer amerikanischen Stadt in denen vorwiegend unterprivilegierte Schwarze leben. Die Afro-Amerikaner haben in den USA erst seit etwa 40 Jahren die gleichen Bürgerrechte wie die Weißen und sind im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung bildungsmäßig immer noch viel schlechter gestellt. Baltimore steht beispielhaft für viele amerikanische Städte. Die Zustände an den öffentlichen Schulen sind teilweise katastrophal, es gibt zu wenig Budget und Lehrer. Nur ein kleiner Teil der Schüler lernt nachhaltig, nicht konzentrationsfähige und verhaltensauffällig-aggressive Kinder stören den Unterricht und halten oft die ganze Klasse vom Lernen ab.


    Ist das weit weg?


    Die USA und Deutschland gehören zu den reichsten Ländern der Erde. Der soziale Status wird sehr stark bestimmt durch Herkunft und Status der Eltern, durch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, was Bildung, Arbeitsplätze, Einkommen, Wohlstand und Krankenversorgung betrifft, wird die Schere zwischen Arm und Reich immer größer. In Deutschland gibt es entsprechende problematische Gegenden, Viertel mit hohem Anteil von Geringqualifizierten, sowie Migrantenfamilien. Schlechte Sprachkenntnisse und Analphabetismus erschweren den Schulbesuch, damit auch die Möglichkeit auf weiterführende Bildung, Ausbildung und Arbeitsstellen. Wenn noch Machismo, "Stolz/Ehrgefühl" und eine niedrige Schwelle zu Gewaltanwendung hinzu kommen, ergibt dies eine explosive Mischung. In dieser Woche wurden wieder in mindestens zwei Magazinsendungen Beispiele für den maroden Zustand an deutschen Schulen gezeigt, dies betrifft den Zustand der Gebäude, aber auch den der Lehrpläne und Lehrermangel, hervorgerufen durch bildungspolitische Fehler und zu geringe Budgets.


    Jetzt, im Januar 2009 ist Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt worden, seine Amtszeit beginnt. Er hatte in einem Interview gesagt, dass eine seiner Lieblings-TV-Sendungen THE WIRE sei. Nach einem abgeschlossenen Jura-Studium in Harvard hatte Obama sich für die Arbeit als Sozialarbeiter in Chicago entschieden. Er kennt die Zustände "live" und kann sicher beurteilen, ob die Darstellung in THE WIRE realistisch ist. Als Präsident hätte er jetzt die Voraussetzungen, Innenpolitik zu machen, die grundsätzlich etwas verändert. Entgegen vieler Hoffnungen und Erwartungen, die in ihn gesetzt werden, wird er aber nicht über Wasser gehen oder Wasser in Wein verwandeln können. Aber für politische Arbeit wird kein Messias, sondern ein Realist benötigt. Da er in der Stadtpolitik von Chicago seine politische Karriere begonnen und es mit 47 Jahren zum ersten afro-amerikanischen Präsidenten gebracht hat, zeigt, dass er sicher nicht nur Idealist, sondern auch Realist ist und Durchsetzungskraft besitzt. (Zitat aus der Berichterstattung zur Vereidigung am 20. Januar: "Wenn Obama die Stadtpolitik in Chicago "überlebt" hat, ist er bestimmt kein naives Bambi".)


    Die Darstellung von Politik und ihrer Strukturen ist in THE WIRE sehr erhellend.


    THE WIRE wirft viele Fragen auf, hat aber keine einfachen Antworten. Vielleicht findet Barack Obama in ein oder zwei Amtszeiten nachhaltige Antworten auf einige der gezeigten Probleme; es bleibt zu hoffen, dass THE WIRE ein langfristiger Klassiker der TV-Geschichte wird, und die Lebensrealität der Menschen sich verbessert hat.



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  • Nachfolgend eine Inhaltsangabe zu den einzelnen Staffeln. Ich habe mich bemüht, diese spoilerfrei zu halten (bei der Inhaltsangabe zu Staffel 3 und 4 ist es aber schon etwas grenzwertig), die Inhaltsangabe zu einer späteren Staffel gibt natürlich auch die Richtung der vorherigen Staffeln an. Staffel 1 hatte mich sofort so überzeugt und begeistert, dass ich wegen Spoilergefahr für die neuen Staffeln weder ausführliche Inhaltsangaben noch Rezensionen gelesen habe. Es fällt auch keine Staffel qualitativ ab, wie es sonst oft der Fall ist. Bei jeder Staffel steht ein neuer Schauplatz im Fokus, die ersten Episoden bereiten erst mal das Setting, stellen neu hinzugekommene Charaktere vor, dadurch dauert es zunächst zwei bis drei Episoden, bis die Handlung richtig in Schwung kommt, aber dann wird man so in das Geschehen hineingezogen, dass man kaum noch aufhören kann. THE WIRE besteht aus insgesamt 60 Episoden von je 60 Minuten. Für keine Staffel auf DVD habe ich länger als ein bis zwei Tage gebraucht, vergleichbar mit einem guten Buch, das ich auch an einem oder höchstens in zwei Tagen, vorzugsweise am Wochenende, lese.



    Staffel 1 - The Projects


    Die erste Staffel beginnt noch wie eine Krimi-Serie. Der Unterschied zu den meisten Krimi-Serien ist die Komplexität der fortlaufenden Handlung und der Charaktere. Zentrale Handlung ist die Ermittlung gegen den Drogenhändler-Clan von Avon Barksdale und Stringer Bell.



    Staffel 2 - Der Hafen


    Detective McNulty hat ein notorisches Problem sich an Autoritäten anzupassen, zur Strafe ist er auf einem Boot bei der Hafenpolizei gelandet, er hatte unachtsamerweise mal verlauten lassen, das wäre das Allerletzte, was er machen wollte. Die Handlungsfäden führen am Hafen zusammen, an einem Containerhafen kann man nicht nur legale, sondern auch illegale Waren einführen.



    Staffel 3 - Hamsterdam


    Nachdem die Mordrate schon im September fast den Gesamtstand des Vorjahres erreicht hat, hat die Polizei die Anweisung aus dem Rathaus, die Verbrechensrate um jeden Preis zu drücken; um jeden Preis bedeutet dabei auch, Umdeklarierung von Straftaten und damit statistische Beschönigung. Es gibt im Western District mehrere verlassene Straßenzüge, aus Frust hat Major Colvin die Idee, den Drogenhandel aus den Wohnvierteln weg in die verlassenen Straßenzüge zu verschieben. Major Colvin und seine Polizeibeamten "überreden" die Drogenhändler zum Ortswechsel, im Gegenzug werden in den ausgewiesen Gebieten, "Free Zones", keine Razzien durchgeführt. Ein Polizist weiß, "das ist wie in einem Land in Europa, wo sie Drogen legalisiert haben, Amsterdam". Daraus ergibt sich für die Free Zones auf der Straße der Name Hamsterdam. Die Anwohner der Wohngebiete sind glücklich über den Zustand, dass der Drogenhandel nicht mehr vor ihrer Haustüre stattfindet, oder nach Schießereien wöchentlich eine Leiche auf der Straße liegt. Als aber nach einer Weile die Politik von Hamsterdam erfährt, gibt es Riesenärger, denn "Legalisierung von Drogen" kann und darf es nicht geben. (Das Experiment mit den Free Zones hat es tatsächlich gegeben).



    Staffel 4 - Die Schule


    Die Zustände an den öffentlichen Schulen sind katastrophal, es gibt zu wenig Budget und Lehrer. Nur ein kleiner Teil der Schüler lernt nachhaltig, nicht konzentrationsfähige und verhaltensauffällig-aggressive Kinder stören den Unterricht und halten oft die ganze Klasse vom Lernen ab. Der Zuschauer begleitet vier 13-jährige schwarze Jungs im letzten Schuljahr der Mittelschule von den Sommerferien bis zum Jahresende, einige haben drogensüchtige Eltern oder leben in einer Pflegefamilie. Das Herumhängen auf der Straße ist Teil ihrer Lebenswirklichkeit, Drogenhandel auf der Straße und Morde gehören zum Alltag mit dem sie aufgewachsen sind. Die Aussichten für einen jugendlichen männlichen Schwarzen dieser Herkunft sind hoch, mit 20 Jahren im Gefängnis, tot, Drogendealer oder selber drogensüchtig zu sein. Ist es möglich diesem Teufelskreis zu entfliehen? Bestimmt durch Charaktereigenschaften wie Intelligenz, persönliche Stärke und etwas Glück, dass vielleicht "von außen" geholfen wird?


    Marlo Stanfield etabliert sich allmählich als neue Macht im örtlichen Drogenhandel. Einige Detectives der Mordkommission fragen sich, wie er das schafft, da es überraschend WENIG Tote gibt.


    In Baltimore ist Bürgermeisterwahl, Bürgerratsmitglied Carcetti, der in Staffel 3 schon vorgestellt wurde, tritt gegen den bisherigen afro-amerikanischen Bürgermeister Royce an. Zwei zentrale Wahlkampfthemen sind die Bekämpfung der hohen Verbrechens- und Mordrate und das marode Schulsystem. Es wird intrigiert und paktiert und mit allen Mitteln um die Macht gekämpft, die Darstellung der politischen Gegebenheiten ist sicher nicht übertrieben.



    Staffel 5 - Die Medien


    Die fünfte Staffel steht unter dem Motto Lügen und Täuschungen - auf mehreren Ebenen.


    Die Moral bei der Polizei ist auf dem Tiefpunkt, das Budget wurde drastisch gekürzt, gleichzeitig werden die Beamten unter Druck gesetzt, dass die Kriminalitätsrate immer noch viel zu hoch ist. McNulty hat eine Idee, um den Geldhahn für die Polizei wieder zu öffnen und er ist überzeugt einem guten Zweck zu dienen.


    Rechtfertigt das Ziel oder sogar der Erfolg den Einsatz aller Mittel? Gibt es Abstufungen, eine kleine Lüge zu einem guten Zweck ist weniger verwerflich als eine große Lüge?


    (Zunächst kam mir McNultys Idee sehr bescheuert und unglaublich vor, bis mir einfiel, dass in jüngerer Vergangenheit amerikanische Politiker mit viel größeren Täuschungen ihr Land in einen Krieg geführt haben, der Hunderttausende von Menschenleben und Billionen von Dollar gekostet hat).


    Wie Bunk Moreland sagte, "The bigger the lie, the more people believe it / Je größer und dreister die Lüge und Täuschung, desto eher glauben es die Leute."




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    Schon nach sechs Jahren hat es THE WIRE ins deutsche Fernsehen geschafft, seit Herbst 2008 läuft die Serie auf FOX im Pay-TV, inzwischen in der zweiten Staffel. Die Synchronisation scheint mit hohem Anspruch gemacht zu werden. Es ist zu hoffen, dass unabhängig von Einschaltquoten und Marktanteilen alle Staffeln synchronisiert und gesendet werden. Statt wöchentlich auf eine neue Folge zu warten, ist aber meiner Meinung nach die DVD das perfekte Medium für THE WIRE, die Chancen stehen ja inzwischen nicht schlecht, dass es irgendwann auch eine deutschsprachige DVD-Veröffentlichung geben wird.

  • Wow, Uta, danke für die Aktualisierung und Vertiefung der Rezension. Ist ja nicht so, als fühlte ich mich nicht massiv bedroht von dieser Serie. :-]
    Was Du ganz am Ende schreibst, Synchronisation etc., das wäre schon fein, wenn ich mal einfach so reinschauen könnte, denn es klingt schon sehr reizvoll, aber, wie anderweitig schon gesagt, muß ich erst mal meine bereits süchtelnden Serien fertigkaufen, da stehen mir noch ein paar Ausgaben bevor. Aber, ich kann mich ja darauf verlassen, daß Du mich in schöner Regelmäßigkeit an "The wire" erinnern wirst. :grin


    Gut gefällt mir auch der Vergleich mit einem Roman. Das ist mir bei meinen Serien, die ich auch bei Vorhandensein der DVDs verschlungen habe, auch schon aufgefallen. Wenn die Handlung durchgehend ist und gut, dann ist das Gucken tatsächlich vergleichbar dem Lesen eines guten Romans, auch vom Zeitaufwand und dem Kampf dagegen, vor dem Schlafen gehen doch noch ein "Kapitel" zu konsumieren.


    Wer immer die Idee hatte, das episodenhafte durch durchgehende Handlung zu ersetzen, das war schon eine feine. Aber auch eine fatale. :-]

  • Zitat

    Ist ja nicht so, als fühlte ich mich nicht massiv bedroht von dieser Serie. :-]
    Aber, ich kann mich ja darauf verlassen, daß Du mich in schöner Regelmäßigkeit an "The wire" erinnern wirst. :grin


    Genau, das habe ich mir zur Lebensaufgabe gemacht, und irgendwann kriege ich dich noch. :lache




    Charlie Brooker ist Kolumnist der englischen Zeitung The Guardian und moderiert die Sendung Screenwipe auf BBC4, daraus der Clip Charlie Brooker on THE WIRE.


    Ich schließe mich Charlie an: Oh, just watch it ...


    OK, OK. So I'm banging on about The Wire again, like some kind of unofficial spokesman.
    The Wire is - and I keep saying this because it's TRUE - the best TV show of the last 20 years. If you get into it, I can guarantee you'll look at TV in a whole new light, marvelling at the heights it's capable of achieving, and shaking your head with fresh horror at the lows it generally opts for.


    On the face of it, it's a show about police and drug dealers in contemporary Baltimore - but that's a woefully simplistic description. Stick with it, and by the time you get to season four you'll realise that when co-creator David Simon describes it as a "treatise on the death of America", it's not empty hyperbole. By some margin, this is the most ambitious, complex drama serial ever created.


    But before you scuttle off, let me offer some advice.


    1. Be patient. The Wire is often referred to as "the televisual equivalent of a novel", partly because that sounds flouncy and impressive, but mainly because it's structured like one. Think of each episode as a chapter in a book. It's important to bear this in mind because years of TV watching will have conditioned you into expecting a neat, processed conclusion at the end of any given programme. This first instalment is merely putting characters and themes in place for the rest of the season. The show is a textbook "slow burner" - don't expect to have your world altered by a single chapter.


    2. Concentrate, without breaking a sweat. The Wire is more realistic than any other "cop show" you've ever seen. It was created by a former crime reporter and a former homicide detective, so it knows its subject matter inside out. Consequently, the police and the dealers regularly use insider slang without explaining what they mean. Stir unusual Baltimore accents into the mix and you might not understand everything they're saying. No matter. You'll pick it up. Before long, you'll be an expert.


    3. Prepare to obsess. No other show on TV has such an impressive range of intricate characters. Give them a chance and they grow on you like moss. I know heterosexual men who are deeply in love with Stringer Bell. Once you "get into" the show, it's impossible to get out, and at the end of each season you'll be jonesing, junkie-style, for your next fix. So get ready to bore your friends by droning on and about its brilliance. Like I'm doing here. Anyway, just watch the bloody thing, will you?


    :grin




    Eine Doku des englischen Senders FX, auf dem die Serie dort ausgestrahlt wurde, über THE WIRE, mit Charlie Brooker und u.a. Fan Nick Hornby, vor Ort in Baltimore und mit Interviews mit einigen der Schauspieler:


    Tapping the Wire Part 1


    Tapping the Wire Part 2


    Tapping the Wire Part 3




    Bei YouTube gibt es jede Menge gute Szenen aus THE WIRE, leider ist da aber auch die Spoilergefahr ziemlich groß. Nachfolgend einige spoilerfreie Szenen, Weisheiten zu Macht und Markwirtschaft. :grin Aber nicht nach rechts auf das Angebot weiterer Clips schielen, SPOILER!


    The King stays the King


    Mr. Nugget


    Stringer Bell learns the basics of Macroeconomics


    Stringer's 'Product' Meeting


    Richtig wertschätzen kann man die Szenen wahrscheinlich erst, wenn man die Serie richtig sieht.


    Diese Verhörszene wurde von einem YouTube-Nutzer mit einem Laughtrack aus "Eine schrecklich nette Familie" unterlegt und funktioniert. THE WIRE hat einen ernsthaften Ansatz, aber der Laughtrack unterstreicht, wieviel unterschwelligen Witz und Komik die ganze Serie hat.
    Der weiße Typ mit dem Kugelschreiber ist Soziologe und möchte das Sozialverhalten von schwarzen Jugendlichen untersuchen, in welchem Alter müsste man spätestens ansetzen, um einen Weg in Kriminalität und Gewalt zu vermeiden. Polizist Bunny Colvin hatte ihm vorher gesagt, dass 18 zu alt ist, aber die Erfahrung musste der Wissenschaftler empirisch selber machen. *g* In der vierten Staffel begleitet der Zuschauer dann vier 13jährige Jungs im letzten Jahr vor der Highschool. Die meisten Serien, die aus mehreren Staffeln bestehen, werden von Staffel zu Staffel schwächer, wiederholen sich, stagnieren, nicht so THE WIRE. THE WIRE ist eine der wenigen Serien, die sich von Staffel zu Staffel sogar steigert, für mich ist Staffel 4 die beste Staffel einer genialen Serie.




    Ein Interview von Nick Hornby mit David Simon.




    Die Zeitung Observer fragte Is this the best TV Series ever made? und bekam die Antworten von sechs Krimi-Schriftstellern, darunter Irvine Welsh (Trainspotting) und Michael Connelly (Harry Bosch Reihe). Am interessantesten finde ich die Antworten von John Harvey, und John Williams:


    ... here was a TV show, a product of the most commercial industry you can imagine, and it was taking bigger risks than anything I'd lately encountered in the world of fiction, especially anything in crime fiction.


    Some time in the 1980s it struck me that mainstream contemporary fiction was doing a woeful job of reflecting what was going on in our modern-day cities. Meanwhile, in the world of crime fiction, writers like Elmore Leonard, James Lee Burke, Sara Paretsky and the late, great George V Higgins were turning out books that married social realism to energetic storytelling.


    But as I went on reviewing crime fiction in the Noughties, I felt an increasing sense of disappointment at the prevailing lack of ambition to do anything more than entertain. Everything people always used to say about crime fiction - isn't it just a formula? - seemed to be true. There was a plague of serial killers, pathologists and profilers, cops with bad marriages and drink problems. Lumbering plots with saccharine endings. I couldn't deny it any longer: the world of crime fiction had ceased to interest me.


    Then I watched The Wire. And there was everything I'd liked in the work of Higgins or Leonard or Pelecanos: the inventive dialogue, the characters etched in shades of grey, the prevailing mood of moral ambiguity and profound cynicism as to the motives and efficacy of the forces of law and order. There, in particular, was the sustained attack on the war on drugs - a war that makes the Iraq adventure look well thought out - that neither our newspapers nor our novelists (with the shining exception of Richard Price) seemed able to make. There, in a nutshell, was the revival of American social realism: the Steinbeck/Hammett/Algren tradition that seemed to have been lost in a welter of postmodernism, post-colonialism and pure unadulterated schlock.


    So I watched The Wire, and watched it some more, and nodded my head in respect as it widened its brief to take on education and politics, becoming positively Zola-esque in its detailing of the ways in which the rich and the powerful fail and exploit and madden the poor and the powerless and - in Baltimore at least - the black.


    My one consolation, I suppose, in finding a TV series that is so much better than contemporary crime fiction is that much of the series is actually down to writers - not screenplay writers but book writers. Its progenitor, David Simon, made his name with a wonderful non-fiction account of policing in Baltimore called Homicide. And the show's regular writers include the aforementioned George Pelecanos and Richard Price, as well as Dennis Lehane.
    ...




    Auf der Guardian Website gibt es einen Blog zu THE WIRE mit vielen interessanten Seiten, dadurch fühle ich mich als THE WIRE Fan wenigstens nicht ganz so einsam. :grin Während THE WIRE im englischen Fernsehen lief, wurden die Folgen gemeinsam kommentiert, es gibt persönliche Top 5 Momente und Top 5 Listen, ein Special warum wir Bunk Moreland lieben ...


    Daher weiß ich, dass es nicht nur mir so geht, dass THE WIRE mich für weniger gute Geschichten und Umsetzung verdorben hat. Ich lese und schaue gerne Krimis (den Serienkiller-Plot kann ich allerdings schon lange nicht mehr sehen), THE WIRE hat die Meßlatte aber so hoch gelegt, dass es immer schwieriger wird, Bücher, Filme und Serien zu finden, die genauso begeistern können.

  • Zitat

    Original von Uta
    Genau, das habe ich mir zur Lebensaufgabe gemacht, und irgendwann kriege ich dich noch. :lache


    Manchmal machst Du mir zwar ein bißchen Angst, aber das ist OK. :grin
    Wenn ich irgendwann mal kapituliere und kaufe und schaue, verstehe ich vielleicht, was es mit dieser so grenzenlosen Begeisterung Deinerseits auf sich hat. :knuddel1

  • Zitat

    Manchmal machst Du mir zwar ein bißchen Angst, aber das ist OK. :grin
    Wenn ich irgendwann mal kapituliere und kaufe und schaue, verstehe ich vielleicht, was es mit dieser so grenzenlosen Begeisterung Deinerseits auf sich hat. :knuddel1


    Okay, THE WIRE spielt nicht im Mittelalter. Deshalb habe ich ja soviel Geduld mit Dir. :grin


    Was hast Du schon zu verlieren? Außer ein paar € und 60 Stunden Lebenszeit. :lache Bei mir sind es schon 120+. Es ist wie mit einem Lieblingsbuch, irgendwo aufgeschlagen, findet man immer was gutes. Bei THE WIRE kann ich inzwischen irgendeine beliebige Episode anwählen, es gibt soviele geniale Szenen und Dialoge ... und dann bleibe ich hängen und schaue schon wieder die ganze Staffel.


    Prison Break gefiel Dir doch auch, und THE WIRE ist um Klassen besser!


    Zitat


    Na toll, damit nimmst Du Dich aus dem Spiel und wälzt die ganze Verantwortung auf mich ab! :fetch


    Wegen der U-Variabel kann Delphin sich dann aber nicht mehr mit so einem alten staubigen Fluch rausreden. :grin

  • Zitat

    Original von Uta
    Okay, THE WIRE spielt nicht im Mittelalter. Deshalb habe ich ja soviel Geduld mit Dir. :grin


    Du bist sooo gut zu mir. :grin


    Zitat

    Was hast Du schon zu verlieren? Außer ein paar € und 60 Stunden Lebenszeit. :lache Bei mir sind es schon 120+.


    Abgesehen davon, daß ich heute entsetzt mein Konto erstmals auf unter 0,00 vorgefunden habe, schrecken mich vor allem die Stunden. Lass mich erst mal meine bereits bekannten und geliebten Serien zu Ende kaufen und gucken.


    Zitat

    Prison Break gefiel Dir doch auch, und THE WIRE ist um Klassen besser!


    Das muß es mir erst beweisen. :-]


    Zitat

    Wegen der U-Variabel kann Delphin sich dann aber nicht mehr mit so einem alten staubigen Fluch rausreden. :grin


    Richtig, das ist somit also als faule Ausrede enttarnt. :nono