Bevor wir hier in eine Diskussion über Sinn, Zweck oder Notwendigkeit von Streitkräften geraten, bleiben wir doch mal beim Buch, das ich vor ein paar Tagen endlich aus der Buchhandlung abgeholt habe und nun nach vielen Jahren erneut mit großer Begeisterung lese.
Natürlich ist die Sprache genau diejenige, die der Handlungs- und Entstehungszeit des Buches entspringt, und damit ist sie heute ebenso selbstverständlich "altmodisch" und teilweise sogar schwer in ihrer Tiefe zu erfassen. Dennoch fügen sich Sprache und Inhalt in genialer Weise zu einem stimmigen Sittenbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Deutschland, besser: in Preußen.
Eines darf man bei diesem Entwicklungsroman keinesfalls vergessen: Er malt einerseits ein messerscharfes Bild der damaligen gesellschaftlichen, moralischen und politischen Verhältnisse im Obrigkeitsstaat, zeigt beispielsweise unbarmherzig die Unmenschlichkeit des allerorts praktizierten Erziehungssystems auf, andererseits aber macht Heinrich Mann den Kunstgriff, dies alles von einem Menschen mit besonders ekelhaftem Charakter erleben zu lassen. Beides gilt es gut auseinander zu halten.
Die geltenden Normen und Werte der damaligen Zeit in Deutschland waren geradezu ideal für einen derart schwachen Mann wie Diederich, boten sie ihm doch die Chance, sich als jemand, der keinerlei eigene Überzeugungen, schon gar keine Durchsetzungskraft hatte und dem so etwas wie Individualismus geradezu als lebensbedrohlich galt, in immer wieder anderen "Gemeinschaften" aufzugehen (Schule, Verbindung, Militär), ohne jedoch deren spezifische Anforderungen überhaupt aus Überzeugung mittragen zu wollen. Der geborene "Untertan" also, anpassungsfähig wie ein Chamäleon, schleimig und liebedienerisch bis zum Selbstekel, aber anders wegen seiner völlig fehlenden Charakterstärke eben gar nicht lebensfähig. Aus diesem Holze waren zu aller Zeit und sind bis heute die gefährlichsten Zeitgenossen geschnitzt. Wehe, wenn sie sich in einer Machtorgansiation eine gewisse Position erschleimt haben: Dann werden sie zu Menschenschindern der übelsten Sorte. Aus den Heßlings dieser Welt wurden später die schlimmsten KZ-Schergen rekrutiert.