Fatima Farheen Mirza: Worauf wir hoffen

  • ASIN/ISBN: 3423281766

    Fatima Farheen Mirza: Worauf wir hoffen

    Verlag: dtv 2019. 480 Seiten

    ISBN-10: 3423281766

    ISBN-13: 978-3423281768. 24€

    Originaltitel: A Place for Us

    Übersetzerin: Sabine Hübner


    Verlagstext

    Was hält unsere Familien im Innersten zusammen?

    Amar hat es sich nicht ausgesucht, einziger Sohn und Stolz der Familie zu sein. Wenn er gegen seine muslimischen Eltern rebelliert, ist es seine ältere Schwester Hadia, die ihn schützt. Bis sie sich fragt: wovor eigentlich? Vor den Möglichkeiten, die sie als junge Frau nicht hat? Nach einem Streit mit dem Vater läuft Amar von zu Hause weg. Und Hadia nimmt nach und nach seinen Platz ein. Drei Jahre später heiratet sie einen Mann ihrer eigenen Wahl: für die Familie die Chance, sich neu zu erfinden. Doch dann kehrt Amar zurück.Gibt es eine Eifersucht, die verzweifelter ist, als die unter Geschwistern? Müssen wir die Welt unserer Eltern erst akzeptieren, bevor wir uns daraus befreien können?


    Die Autorin

    Fatima Farheen Mirza, 1991 geboren, wuchs in Kalifornien auf. Sie studierte am renommierten Iowa Writers' Workshop und lebt heute in New York.


    Inhalt

    Die Ehe zwischen Laila und Rafik wird auf traditionelle Weise geschlossen; der Bräutigam hat die Braut zuvor nur kurz aus der Ferne gesehen. Ihre Familien gehören der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Hyderabad an. Glück ist damals, wenn man Rituale absolvieren und die Erwartungen anderer erfüllen kann. 30 Jahre später trifft sich die Familie an ihrem amerikanischen Heimatort zur Hochzeit der ältesten Tochter Hadia. Der Sohn Amar hatte einige Jahre zuvor im Streit die Familie verlassen und Hadia hofft nun auf eine Versöhnung mit ihm. Die Hochzeitsvorbereitungen wirken stark ritualisiert, so dass ich mich gefragt habe, ob das Brautpaar sich die traditionelle Feier wünscht oder ob die Fassade einer heilen Familie demonstriert werden soll.


    Rückblenden führen in unterschiedliche Altersstufen der Geschwister. Rafik regierte mit unnachgiebiger Strenge; den Töchtern wird eingeschärft, dass es für sie keine Freundschaft mit gleichaltrigen Mädchen geben darf und man sich nur auf die Familie verlassen kann. Gegenüber der Umwelt, die Laila und Rafik ihre Kinder zu entfremden scheint, sichert der Vater seine Familie wie in einer Festung ab. Beide Eltern reflektieren kaum, ob die heimatlichen Werte und Rituale in der neuen Umgebung sinnvoll sind.


    Die neunjährige Hadia „darf“ sich für den Hijab entscheiden; kein Kopftuch zu tragen, wäre eine unentschuldbare Sünde. Als Älteste wird ihr die Verantwortung für die Geschwister übertragen und beiden Schwestern die Verantwortung dafür, dass Amar sich zu dem Jungen entwickelt, den sein Vater wünscht. Amar war ein schwieriges Baby, ging nur ungern zur Schule und rebelliert noch immer gegen alle Werte seines Vaters. Laila verwöhnt den Sohn, verhält sich den unproblematischen Töchtern gegenüber kühl und wirkt völlig hilflos. Die Ungleichbehandlung von Söhnen und Töchtern darf nicht angesprochen werden. Dass Mädchen weniger geliebt werden, weil sie später zu einer anderen Familie ziehen werden, diese Zurückweisung wird lange an Hadia zehren. Sie tritt die Rolle an, die für Amar vorgesehen war, studiert schließlich Medizin, noch ohne zu ahnen, welches ihre eigenen Ziele sind.


    Der Roman besteht aus vier Teilen und wird im Präsens und in verschachtelten Rückblenden erzählt. Die ersten drei Teile verharren in der (Opfer-)Haltung von Laila und den Kindern, die den strengen, aufbrausenden Vater erleiden. Dass innerhalb der Rückblenden keine Reifung der Figuren und damit keine Reflektion zu erkennen ist, macht den Roman m. A. nach schwer lesbar. Erst im letzten Teil, rund ein Jahrzehnt nach der Hochzeit, kommt Rafik zu Wort und wendet sich direkt an Amar. Durch eine Erzählperspektive, die sich auf das Erleben von Frau und Kindern beschränkt, kann jeder seine Geheimnisse wahren. Die Eltern erhalten keine Chance ihr Verhalten zu reflektieren und die Kinder können sich nicht damit versöhnen, dass selbst katastrophale Erziehungsfehler einmal im guten Glauben an das Beste für die Kinder geschahen.


    Fazit

    Mirzas anrührender Roman wirkt stilistisch eher schlicht; er spielt in der unmittelbaren Gegenwart und ist deutlich von den Ereignissen von 9/11 (2001) geprägt. Das Genre Familienroman und der Focus des Klappentextes auf Geschwisterrivalität wird dem Roman m. A. nicht gerecht; denn darin wird u. a. die Frage aufgeworfen, ob sich streng religiöse Parallelgesellschaften weiter entwickeln können oder zum Stillstand verdammt sind. Warum und wie die verlorenen, verwöhnten Söhne dieser Gemeinschaften so viel mehr Aufmerksamkeit einfordern als ihre folgsamen Schwestern, auch diese Frage ist nicht zu übersehen.


    8 von 10 Punkten

  • Familienehre

    Fatima Farheen Mirza hat in ihrem Roman „Worauf wir hoffen“ ein wunderbares Porträt einer muslimischen Familie in Amerika geschrieben. Den Roman hat Sabine Hübner übersetzt.



    Es beginnt mit der Hochzeit der ältesten Tochter Hadia, die ihren Bruder Amar eingeladen hat. Der hat vor Jahren nach einem Streit mit dem Vater, die Familie verlassen. So erfahren wir von den Anfängen der Eltern, der Geburt der drei Kinder und den Hoffnungen und Ängsten. Der Vater ist oft aufbrausend und streng, aber er liebt seine Familie.

    Wir erfahren von Eifersüchteleien der Geschwister. Amar ist der Jüngste und einzige Sohn und fühlt sich oft über, so wie es bei drei Geschwistern oft ist. Söhne wurden oft von den Vätern strenger erzogen, sie sollten richtige Männer werden. Die Mutter will das ausgleichen


    Besonders ist der letzte Teil, als der Vater nach einer Operation, viel an seinen Sohn denkt. Es ist wie ein Brief an ihn erzählt. Keiner weiss, wo Amar abgeblieben ist, man hofft, das er wieder kommt.


    Die Autorin hat die Geschichte sehr echt geschrieben. So kann das Leben spielen. Die Emotionen der Personen wurden gut aufgefangen.

    Dieses ist der Debütroman von Fatima Farheen Mirza und er ist ihr bestens gut gelungen, da hoffe ich mehr aus ihrer Feder.

  • Die Schwestern Hadia und Huda sowie ihr Bruder Amar wachsen als Kinder indischer Einwanderer in Kalifornien auf. Der einzige Sohn von Laila und Rafik ist sensibel, aber auch rebellisch. Mitten in der Nacht läuft Amar nach einem Streit mit dem Vater von seinem Zuhause weg. Drei Jahre später, als junger Mann, kehrt er zurück, um bei der Hochzeit von Hadia dabei zu sein, die nach und nach seinen Platz eingenommen hat. Seine ältere Schwester heiratet aus Liebe und gegen die Gebote der muslimischen Tradition. Die Familie versucht, mit Selbstbewusstsein und neuem Selbstverständnis in die Zukunft zu gehen. Als Amar seine Jugendliebe Amira trifft, kommt ein Geheimnis ans Licht. Es wird klar, wie hoch der Preis ist, den alle – außer Amar - für diese Zukunft zu zahlen bereit waren.


    „Worauf wir hoffen“ ist der Debütroman von Fatima Farheen Mirza.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus vier Teilen, die wiederum mehrere Kapitel beinhalten. Erzählt wird aus der Sicht verschiedener Personen, vor allem aus der von Hadia, Amar und Laila, wobei sich einzelne Passagen auch innerhalb eines Kapitels abwechseln. Später wird in der Ich-Perspektive auch aus der Sicht von Rafik erzählt. Der Roman ist nicht chronologisch aufgebaut, immer wieder gibt es längere Rückblicke. Ich kann nachvollziehen, dass man sich an diesem anspruchsvollen Aufbau mit seinen Sprüngen etwas stören kann. Für mich hat die Geschichte so allerdings wunderbar funktioniert. Ich habe es genossen, unterschiedliche Sichtweisen und Teile des Mosaiks Stück für Stück zu entdecken.


    Der Schreibstil wirkt zunächst schnörkellos, hat aber eine poetische Note. Er ist zugleich einfühlsam, anschaulich und bildhaft. Immer wieder beweist die Autorin, wie gut sie mit Sprache umgehen kann.


    Die größte Stärke des Romans sind die Charaktere. Die Protagonisten sind sehr authentisch, interessant und vielschichtig. Sie werden detailliert und ohne jegliche Klischees dargestellt. Ihre inneren Konflikte, ihre Gedanken und Emotionen sind nachvollziehbar. Auch wenn mir ihr Verhalten manchmal fremd war, konnte ich mich gut in die Protagonisten einfühlen.


    Tiefgründig und komplex sind auch die Themen. Es geht um Integration, um Traditionen und Religion, aber auch um Liebe, Zusammenhalt, Eifersucht, Missverständnisse und Verletzungen. Das sorgt einerseits dafür, dass man faszinierende Einblicke in eine andere Kultur und den muslimischen Glauben erhält. Andererseits entsteht eine Geschichte, die mich sehr berühren konnte. Immer wieder regt das Buch außerdem dazu an, über das eigene Leben und die eigene Familie nachzudenken. Dazu tragen auch tiefsinnige Sätze bei, die ab und zu eingestreut werden.


    Der Roman kommt unaufgeregt daher und verzichtet auf übermäßige Effekthascherei. Dennoch bietet er einige Überraschungen, hat – trotz der annähernd 500 Seiten – keine nennenswerten Längen und versteht zu fesseln.


    Der Titel der amerikanischen Ausgabe lautet „A place for us“, den ich inhaltlich passender finde als die deutsche Version. Das liebevoll gestaltete Cover gefällt mir allerdings besser als das Original.


    Mein Fazit:

    „Worauf wir hoffen“ von Fatima Farheen Mirza ist ein gelungener Roman, der emotional bewegende Einblicke in eine andere Kultur bietet. Diese besondere Familiengeschichte hat mir tolle Lesestunden beschert, sodass ich das Buch wärmstens empfehlen kann.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.