Hallo Fdlmich,
mit den von Dir angesprochenen Äußerungen bin ich gestern von meiner Mutter auch konfrontiert worden. Das hat mich dazu veranlaßt, heute nacht über dieses Statement nachzudenken.
Vorweggeschickt: meine Jugend habe ich auch in der DDR verbracht und lebe jetzt im Nord(westen) und denke, daß ich mir eine vorsichtige Meinung zu diesem Thema erlauben darf.
Die Nachricht vom Tod von neun Säuglinge hat mich natürlich auch betroffen gemacht. Und es ist ebenso natürlich, daß man (frau) sich fragt, wieso Säuglinge in diesem Land getötet werden. Die Aspekte zu den persönlichen Lebensumständen dieser Frau möchte ich jetzt mal außerachtlassen und mich nur zu dem von Dir angesprochenen Problem äußern. Weder in der DDR noch in der Bundesrepublik war oder ist das menschliche Leben bedeutungslos. Der eigentliche Wert des Lebens und die Stellung der Kinder in der DDR war auch nicht weniger wichtig als in der heutigen Bundesrepublik. Und wenn Herr Schönbohm von der "erzwungene Proletarisierung", von Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft im Osten spricht, dann redet er von Theorien und nicht von gelebter Wirklichkeit. Über das SED-Regime mag einiges zu sagen sein, aber ich habe es immer so empfunden, daß Kinder einen hohen Stellenwert in der DDR hatten.
Auch Verbrechen gegenüber Kinder wurden in der DDR schwer bestraft.
Heute bin ich in der Lage, die Lebensverhältnisse im Osten mit denen im Westen vergleichen zu können. Ich würde nicht ausschließen, daß derartige Verbrechen in anderen Teilen der Bundesrepublik genauso auftreten können.
Aber anstatt nach Entschuldigungsgründen für diese Taten zu suchen und gedankenlose Kommentare abzugeben, würde ich mir von Politikern wünschen, daß eine Selbstreflexion über die aktuelle Politik stattfindet.
Kein Monat, wo nicht wieder durch die Medien berichtet wird, daß ein Kind mißhandelt, getötet oder in der Mülltonne gefunden wird.
Die mir bekannten Angebote für Schwangere/Mütter in mißlichen Lagen kommen oft von Stitungen und karitativen Einrichtungen, die vielleicht staatlich unterstützt werden. Einrichtungen des Staaten/der Kommunen sind mir nicht bekannt. Anzutreffen sind diese Einrichtungen meistens in Großstädten, doch welche Hilfe gibt es auf dem Lande?
Natürlich handelt es sich auch um ein gesellschaftliches Problem und es darf nicht nur, sondern es sollte auch die Frage öffentlich diskutiert werden, warum Kinder getötet wurden und das Umfeld nichts bemerkt hat oder haben will. Diese Diskussion sollte sich aber nicht in populistischen Parolen verlieren,
wie Herr Schönbohm dies gerade getan hat. Stattdessen sollten wir uns ansehen, was weniger gewaltbereite Ländern von uns unterscheidet.
Eine Sache möchte ich jedoch klargestellt wissen: die Menschen in der DDR waren nicht gewaltbereiter als im Westen.
@ Fdlmich: Du solltest Dich über die erwähnten Äußerungen nicht aufregen.
Politiker mögen zwar vieles von sich geben, aber in diesem Fall kam diese Äußerung im Westen nur spärlich an und der Diskussionsbedarf zu diesem Kommentar ist nicht allzu groß (so habe ich zumindest erlebt). In Telefonaten mit Freunden und Verwandten (im Osten) habe ich festgestellt, daß die Stimmung der Menschen dort jedenfalls geschürt wurde und für Zündstoff in Unterhaltungen sorgte.
P.S. Sofern ich in meinem Beitrag vom Osten und Westen geredet habe, nehme ich lediglich auf örtliche Gegebenheiten Bezug. Ich weiß, daß das Reden über den "Osten" für viele ein sensibles Thema ist. Meine Absicht war es jedenfalls nicht, mit der Begrifflichkeit "Osten" jemanden zu beleidigen.