• Die kleine hellblauweiße Wolke hielt seinen Blick gefangen. Minuten schon starrten die braunen, von langen schweren Wimpern geschützten Augen, dem zärtlich, verführerischen Spiel, von Wind und Wolke zu. Er sah es nicht.
    Sein Blick nach innen gerichtet, war eingefangen durch eine mörderische alles zerstörende Wut. Er schmeckte den Hass auf seinen Lippen.
    Und doch, er liebte sie.
    Tränen, die über seine Wangen liefen, holten ihn in die Wirklichkeit zurück.
    Er schrak auf, gleich dem Erwachen aus einem bösen Traum. Sein Blick fiel auf das kleine Fläschchen, dass er mit der, zur Faust geballten linken Hand umklammerte, als sähe er es zum ersten Mal und erstmals seit den vergangen zwei Tagen wurde er sich seines Seins bewusst.
    Ein Fischer, auf dem Weg zu seinem Fanggebiet, hatte ihn auf der Insel abgesetzt.
    In vier Tagen, so lautete die Vereinbarung, würde er an dieser Stelle warten um ihn aufzunehmen.
    Es war Sommer, die Insel öde und unbewohnt. Das Wenige was er noch benötigte, befand sich in seinem alten Rucksack, vor ihm auf einem kleinen Geröllbrocken.
    Auf Moos und Gras sitzend, lehnte sein Rücken an einem Baum, er schloss seine Augen.
    Da war sie wieder, sie stand lachend vor ihm. Wie sehr liebte er ihr fast lautlos, gehauchte Lachen, sie sah ihn an, mit ihren weit auseinander stehende grünen Augen, in denen er sich so oft verloren hatte. Er liebte sie, eine pulsierende Leidenschaft überkam ihn.
    Er riss seine Augen auf, er war allein, sie hatte ihn verlassen.
    Das Fläschchen in seiner Hand.
    Bewegungen, mal am Boden mal in der Luft störten seine Gedanken. Schmetterlinge, vier, fünf kleine braune Schmetterlinge tanzten miteinander um bunte Wiesenblumen und grüne Sträucher. Er spürte die Sonne auf seiner Haut und roch den verlockenden Duft von Waldbeeren, hörte die Grillen und das Rufen der Vögel, das säuseln der Blätter im Wind.
    Er sah seine Eltern, seine Kindheit, er war glücklich.
    Auf dem Rücken liegend beobachtete er die kleine hellblauweiße Wolke behutsam, gar liebevoll umschmeichelt vom leisen Wind, bis eine neue zarte Form entstand, sie spielten ein unendliches Spiel.
    Tiefe Ruhe überkam ihn, er war frei.
    Laut lachend sprang er auf, schleuderte das Fläschchen so weit er nur konnte von sich. Den Rucksack über die Schulter werfend, trat er lachend voller Übermut gegen den Steinbrocken.
    Er hörte das Rasseln und schaute verwundert nach unten, dann kam der Schmerz.
    Zusammengezogen wie eine Stahlfeder, zum sofortigen zweiten Zuschlagen bereit, lag sie da, die Schlange, nervös bewegte sie ihre gespaltene Zunge, sie roch ihn, er hörte ihr rasseln.


    In zwei Tagen, würde der Fischer ihn in eine neue Zukunft bringen.


    samui

    Angewidert stand der Teufel da und spürte wie grauenhaft die Güte ist.

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  • Oh wow!
    Ich bin begeistert. Die Story ist sprachlich ganz toll!
    Echt eine gelungene, schöne Geschichte....




    Aber warum schreibt ihr alle immer so grausig, traurig?
    Kann denn nicht mal jemand was lustiges, romantisches,....schreiben oder wenigstens was mit einem kitschigen Happy End????

  • Hallo, Samui.


    Much to much. Schon der Anfang ist überladen, voll mit gefangenen Blicken, durch Wimpern geschützten Augen, "zustarren" (was'n das, bitteschön?) undsoweiter. Man muß sich durch einige bandwurmartige Sentenzen quälen, um irgendwann - nach rätselhaften Andeutungen (sowas mag ich - ganz persönlich - generell nicht) - auf etwas wie den Kern dieser Geschichte zu stoßen. Ein Mann läßt sich auf einer Insel aussetzen, vier Tage später kommt der Fischer (Metapher?) wieder. Vielleicht ist der Mann dann tot, vielleicht aber auch nicht. Noch "schmeckt er den Haß auf seinen Lippen". Nimmt nicht einmal die hellblauweißen Wolken wahr. Und dann, ganz plötzlich - viel zu plötzlich - wechselt seine Sicht. Er spürt die Freude am Leben, an der Natur, an der Schöpfung. Die dann auch prompt - in Form einer Klapperschlange (Metapher?) - ihre ekligen Seiten zeigt. So verstehe zumindest ich diese Geschichte.


    Ich sag's mal so: Mächtig viel Lärm um wenig. Die schweren, leider etwas rostigen Sprachgeschütze lenken ein bißchen davon ab (oder sollen es tun), daß der Kern der Geschichte, die Wendung, eigentlich ausgespart ist. Das ist ein bißchen wie Linsensuppe mit einer einzigen Linse. Der Löffel, auf dem die zufällig landet, mag schmecken, aber der Rest ist ein bißchen fad.


    Sorry, aber mein Urteil fällt tendentiell ziemlich negativ aus.

  • Irgendwie erinnert mich das an den guten alten deutschen Autorenfilm der 70er -Jahre; passt ja auch zum Geburtsdatum des Autors. Die Geschichte muss bedeutungsschwer herüber kommen; es bedarf einer kaputten Liebesbeziehung und wenn alles doch noch gut zu werden scheint, endet es in der totalen und sinnlosen Katastrophe.


    Beim ersten Mal lesen ließ mich die Geschichte ein wenig ratlos zurück und beim zweiten Mal, aber das habe ich ja schon geschrieben.

  • ....endlich ein paar Meinungen zur meiner Geschichte.


    Mich interessiert euere Ansicht und Meinung.


    Und keine Angst, ist bin kritikfähig. :-)


    Liebe Grüsse
    samui


  • Danke Mäkel. :-)


    Aber gerade das Ende der Erzählung ist für mich das besondere Schmankerl. Ein Happy End wären zu vorhersehbar gewesen. Wie siehst du das?


    Liebe Grüsse :wave
    samui

  • Zitat

    Original von hinterwäldlerin
    Ich versteh den letzten Satz im Zusammenhang mit der Schlange nicht. Kann mir das bitte jemand erklären? Ansonsten ist die Geschichte sprachlich schön, fast ein bisschen zu kunstvoll.


    Danke :wave


    Die Schlange steht nur als Symbol in meiner Geschichte, ich wollte kein Happy End.
    * Er * hätte auch von einer Klippe stürzen oder bei der Überfahrt zum Festland, durch starken Wellengang von Bord gespült, ertrinken können.


    Durch die Mehrdeutigkeit des letzten Satzes hast du die Möglichkeit, den Ausgang der Geschichte zu bestimmen.


    Du kannst den Fischer als ` den Fährmann zwischen der Welten ` sehen, der den verstorbenen – durch den Schlangenbiss - von der Erde ins Totenreich ( neue Zukunft ) befördert.
    Oder sein Boot als Transportmittel zu Festland, nachdem * Er * den Schlangenbiss überlebt hat ( neue Zukunft ).


    Liebe Grüsse :wave


    samui

  • Samui, ein happy-end mag dir zu vorhersehbar erscheinen, aber durch die "Pointe" mit der Schlange hast du jeglichen Sinn zertrümmert -- und daran scheitert die Geschichte für mich. (Edit:) Sie wäre für mich auch am Sturz von der Klippe oder am Ertrinken gescheitert -- was soll dieses "bad end" mit der eigentlichen Geschichte zu tun haben, wenn sein einziger Zweck die Vermeidung eines "happy ends" im Sinne der Zerstörung einer möglichen Lesererwartung sein soll?


    Zumal die Geschichte extrem überladen ist mit allerlei Metaphorik.
    Mir ist auch nicht klar, wer eigentlich erzählt (damit ist nicht der Autor gemeint) ...


    Und was -- ganz konkret -- willst du erzählen? Oder besser -- analog zu Camus berühmtem Spruch: »Das erste, was ein Schriftsteller lernen muß, ist die Kunst, das, was er empfindet, umzusetzen in das, was er empfinden lassen will.« --: Was also soll der Leser empfinden?

  • samui :


    Nein, wahrscheinlich wär ein Happy-End tatsächlich doof gewesen, bei so einer Geschichte. Aber es geht ja nicht nur um das Happy-End, sondern um die ganze Geschichte, ob sie traurig oder fröhlich ist.Und die meisten Kurzgeschichten, die ich in der letzten Zeit hier im Forum gelesen habe waren traurig. Angefangen von Laborraten über Herz-Schmerz und Krieg bis zu Todessehnsucht.


    Mich würde eben mal eine Geschichte freuen, bei der ich Tränen lachen kann. :-)

  • Autsch, Iris


    dass muss ich erst verdauen.


    Deine Anmerkungen finde ich sehr interessant, da ich meine Geschichte auf diese Art und Weiße noch gar nicht betrachtet habe.
    Nach 2-3 Tassen Kaffee ( Auszeit ) kann ich dir hoffentlich die passenden Antworten geben.


    Bis gleich :wave


    samui

  • Zitat

    Original von Mäkel
    samui :


    Nein, wahrscheinlich wär ein Happy-End tatsächlich doof gewesen, bei so einer Geschichte. Aber es geht ja nicht nur um das Happy-End, sondern um die ganze Geschichte, ob sie traurig oder fröhlich ist.Und die meisten Kurzgeschichten, die ich in der letzten Zeit hier im Forum gelesen habe waren traurig. Angefangen von Laborraten über Herz-Schmerz und Krieg bis zu Todessehnsucht.


    Mich würde eben mal eine Geschichte freuen, bei der ich Tränen lachen kann. :-)


    Wenn Iris und Tom noch ein bisschen von mir übrig lassen, gibt`s auch eine Geschichte mit einem Happy End. :grin


    Bis dahin
    liebe Grüsse :wave
    samui

  • Samui, es geht keineswegs um "happy end" oder "bad end" -- das Ende sollte zur Geschichte passen, damit Anfang, Mitte und Ende organische Teile einer Einheit sind.
    Bei deiner Geschichte habe ich den Eindruck, das Ende gehört nicht zu Anfang und Mitte, also: Die Geschichte bricht m.A.n. auseinander.

  • Meine ganz persönlichen Gedanken und meine Interpretation (darf ich den Faden ein wenig weiterspinnen?): der Typ will sich umbringen, schreckt versehentlich eine Klapperschlange auf, die ihn beißt. Ein doppelter Tod? Nein: zweimal Minus ergeben manchmal ein Plus. Denn: das zuvor eingenommene Gift wird durch das Gift der Schlange neutralisiert. Die beiden Gifte versetzen ihn in einen fünf Tage dauernden Schlaf.


    Der Fischer bringt ihn zurück, der Typ erscheiont tot. Seine treulose Geliebte wirft sich in tiefster Reue und aufwallender Liebe über den Leblosen und küsst ihn innig. Nur blöd, dass sich auf den Lippen des Kerls noch ein paar Tropfen Gift aus dem Fläschchen befindet, das ohne das Schlangengift in wenigen Minuten tötet.


    Als der Kerl aus seinem todesähnlichen Schlaf erwacht, erstickt er fast, weil die Dame genau über ihm ihr Leben ausgehaucht hat.


    Aber jetzt kommt das Happy End: er drückt sie mit neugewonnener Kraft zur Seite und kann ein neues Leben beginnen.


    Samui, ich finde die Geschichte sehr anregend :anbet

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde


  • Ja, sehr schön,
    aber warum hier enden?


    ....beim Verlassen des Krankenhauses stößt er versehnlich ein Regal mit bösen Chemikalien um, das teuflische Gemisch entzündet sich .....und der Fischer pattelt ihn in eine ( neue Zukunft )


    :anbet :anbetAlice - meine Muse :anbet :anbet :grin

  • Alice


    Deine Worte betreffen eine Umarbeitung, ja?


    Danke auf jeden Fall für die Aufklärung bezüglich dieses Fläschchens, das hat mich verwirrt. Ich konnte es mir beim ersten Lesen nicht erklären, was es damit auf sich hat.


    samui


    Das ist ein heikler Text. Im Aufbau, stilistisch, in der Aussage, was immer man antippt, ist in Schieflage.
    Hier wurde viel zu viel gefühlt und zu wenig gedacht. Schreiben tut man mit dem Kopf, so krude das klingt.
    Ganz sicher wärer weniger mehr gewesen. Aber das Ganze besteht aus sovielen Faktoren, daß man nur unter allergrößten Mühen ahnen kann, wie der Text aussehen könnte, wenn er auf eine wichtige Aussage reduziert werden würde.


    Wir haben: Liebesgeschichte, enttäuschte Liebe, wunderschöne Frau, Mann, Verlassenheit, Selbstmitleid, Selbstmordgedanken, Flucht, Philosophisch-Religiöses, Naturschilderungen, Rettung in letzter Minute, Rückerinnerungen, die Macht des Schicksals. Bei letzterer ist nicht klar, ob die das komische oder das tragische Element sein soll.


    Das alles sind Motive, von denen allein zwei zusammengenommen schon eine ganze Geschichte ergäben.
    Sprachlich ist es ziemlich 'Kitschlastig'.
    Streiche in Zukunft zwei Drittel der Adjektive - vorzugsweise in den Kombinationen - , sobald der Text fertig geschrieben ist. Du wirst staunen, um wieviel besser man dann atmet.


    Also: serviert hast Du uns einen großen Eisbecher mit sechs Sorten Eis, drei Saucen, Kirschlikör, Schokostreuseln, Sahne. UND zwei saure Gurken, je ein Löffelchen Senf und Ketchup sowie eine Büroklammer.
    Geh und studiere noch mal das Kochbuch :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Also: serviert hast Du uns einen großen Eisbecher mit sechs Sorten Eis, drei Saucen, Kirschlikör, Schokostreuseln, Sahne. UND zwei saure Gurken, je ein Löffelchen Senf und Ketchup sowie eine Büroklammer.


    Wuhaaaaaaaaaaa! ich geh mir dazu 'n Bier holen!