„Guten Abend meine Damen und Herren. Willkommen“, begrüßte der gut gelaunte T.C. Boyle die gut 1100 Zuschauer. Er freue sich, wieder im Land der „greatest readers on earth“ zu sein. Die Moderatorin Margarete von Schwarzkopf erzählte, dass sie seine Bücher möge und dieses habe sie besonders mitgenommen. „Das Licht“ zeigt den Lesern die frühe Zeit der LSD-Partys. Bei der Themenauswahl und beim Schreiben sei ihm nicht bewusst gewesen, dass das 50. Jubiläum von Woodstock anstehe. Ihn habe interessiert, wie LSD entstand und dass es aktuell wieder klinische Studien mit LSD als Medikament gebe und wer war Timothy Leary?
Im August 1969 fand in Woodstock das heute weltberühmte Festival statt, das sehr geprägt wurde durch gewisse Drogen. T.C. Boyle war mit seiner zukünftigen Frau selbst dort.
Anfangs sei Timothy Leary ein ehrenwerter angesehener Professor gewesen, der später bei seinen selbsterfundenen Experimenten zu weit gegangen sei. Dies alles noch vor der Hippiezeit und T.C. Boyle fragte sich, wie es von den konservativen 1950er Jahren recht schnell zu den Hippies und Jimi Hendrix gekommen sei. Das Jahr 1963 sei eine Zeit des Übergangs gewesen, die Beatles wurden in Großbritannien zunehmend populär.
Margarete von Schwarzkopf erzählte, dass er seine Frau er aufgrund ihrer deutschen Wurzeln Frau B nenne, und er vielleicht auch durch seine irischen Wurzeln Geschichtenerzähler geworden sei.
So wie zuvor bei „Dr. Sex“ schildere er auch bei „Das Licht“ das Leben einer historischen Persönlichkeit aus der Perspektive einer fiktiven Figur. Ihn habe weniger die detaillierte Schilderung der Trips interessiert als die Persönlichkeit von Timothy Leary. Wie sei es ihm gelungen, anderen Menschen von seinen Ansichten zu überzeugen, seien die Auswirkungen gut oder schlecht. Im Mittelpunkt seines neusten Buches steht Fitz, ein Schüler von Timothy Leary, sowie dessen Frau Joanie.
Auf Englisch heiße das Buch „Outside Looking In“, was seiner Meinung die Erfahrungen eines LSD-Trips gut beschreibe. Man habe das Gefühl, den eigenen Körper zu verlassen und von außen auf das Leben zu schauen. Weil dieser Titel sich nicht gut übersetzen lasse, habe der Hanser Verlag nach einem anderen Titel gesucht und er habe „Das Licht“ vorgeschlagen. Timothy Leary habe LSD das „Sakrament“ genannt und in der Regel sei man nach der Einnahme von LSD sehr lichtempfindlich.
Leary habe auf der Suche nach der Erleuchtung LSD entdeckt und damit nach religiöser Erleuchtung gestrebt. T.C. Boyle erzählte, er sei in einer irisch-katholischen Familie aufgewachsen, habe aber mit elf Jahren beschlossen, Wissenschaftler zu werden und nicht mehr zur Kirche zu gehen. Seine Mutter habe ihn nicht gezwungen, weiter mitzugehen. Gleichzeitig sei er selbst sehr abergläubisch und später habe er auch noch die Existentialisten entdeckt, die nicht weniger „voodoo“ seien.
Bei der Beschreibung der Trips habe er auf eigener Erfahrungen zurückgegriffen, allerdings habe er schon lange keine Drogen mehr genommen. LSD verändere das Gehirn und in seinem Alter wolle er nichts mehr riskieren. Heute seien seine Arbeit, die Natur und Musik seine Drogen. Margarete von Schwarzkopf empfahl die Arte Dokumentation über T.C. Boyles Leben, die am Vorabend im Fernsehen gezeigt wurde.
Margarete von Schwarzkopf fragte T.C. Boyle, warum er nicht nach Europa ziehe, wohin er viele persönliche und berufliche Verbindungen habe. Weil er an Demokratie, Frauenrechte, die Umwelt und Bildung glaube. Er tweete jeden Tag gegen Trump und wolle zu dessen Niedergang aus den USA beitragen.
Im „New Yorker“ erscheine am 11.02. eine Kurzgeschichte von ihm, „Asleep at the Wheel“ (vorgelesen vom Autor und er habe in seinen „Letters from America“ davon erzählt, ins Weiße Haus zu gehen und Trump mit „Pu der Bär“ das Lesen beizubringen.
Gregor Henze las aus dem ersten Kapitel von „Das Licht“, gefolgt von T.C. Boyle mit einem Abschnitt auf Englisch und abschließend wieder Gregor Henze mit einem Abschnitt auf Deutsch über den ersten LSD-Trip von Fitz und Joanie.
Die deutsche Ausgabe seiner Bücher erscheine auf seinen ausdrücklichen Wunsch zuerst, denn er wolle sich so beim Hanser Verlag bedanken, der es ihm ermögliche, nach Deutschland zu reisen. Ihm sei bewusst, dass viele seiner deutschsprachigen Fans die Originalausgabe vorziehen würden, aber Hanser solle alle zwei Jahren für einigen Monate in den Genuss dieser Exklusivrechte kommen.
Die Verfilmungen seiner Bücher würden ihm oft sehr gut gefallen, so z.B. die von „Wellville“, in die Arbeiten am Drehbuch und Set mische er sich grundsätzlich nicht ein. Er wolle sein eigenes künstlerisches Leben nicht auf Eis für jahrelange Produktionsarbeiten. Sein eigener Lieblingsfilm sei „The Big Lebowski“, den er unzählige Male angeschaute, bevor er ihn richtig verstanden habe.
Beim Schreiben höre er immer Musik, oft Klassik oder Jazz, aber auf keinen Fall Rock’n’Roll, weil die Texte ihn beeinflussen würden. Beim Verfassen eines bestimmten Abschnitts von „Das Licht“ habe er tagelang Mozarts „Requiem“ gehört, das könne man bestimmt auch beim Lesen spüren.
Aldous Huxley habe zwei Bücher über seine eigenen Erfahrungen mit Drogen geschrieben, diese seien eine seiner wichtigsten Inspirationsquellen für „Das Licht“ gewesen. Huxley habe mit indianischen Pilzen experimentiert. Auch seine fiktive Figur Fitz sei auf der Suche nach dem Licht, nach Gott, auf einer Erleuchtung, die über sein gewöhnliches Leben hinausgehe. Sowohl Timothy Leary als auch Fitz seien Alkoholiker, auch das liege vielleicht schon in seinen eigenen irischen Genen. Er habe sich selbst die Frage gestellt, warum sie so weit vom Weg abweichen würden.
Margarete von Schwarzkopf versuchte vergeblich, ihm seine Einstellung zu den Figuren zu entlocken. Ihrer Ansicht nach sei Leary eher kalkulierend, Fitz unsicher und warmherzig. T.C. Boyle kommentierte nur augenzwinkernd, das könne man so sehen und er bedanke sich für ihre Meinung. Die Dynamik zwischen den beiden habe ihn fasziniert. Fitz sei Leary sowohl nach Mexiko als auch nach Milbrook gefolgt, wo dann zwölf Erwachsene und acht Kinder eine frühe Kommune bildeten. Einige hätten sogar geglaubt, dass LSD den Kindern zu einer höheren Intelligenz verhelfen würde. Milbrook sei heute noch im Privatbesitz und er konnte das Gebäude nicht besuchen, sondern nur von außen anschauen und darüber lesen.
Nach der Lektüre des Buchs würde sie mit Sicherheit kein LSD mehr nehmen wollen, erzählte Margarete von Schwarzkopf und fragte ihn, wie es gewesen sei, die Trips für das Buch zu schreiben. Als Künstler habe er wissen müssen, worüber er schreibe, aber für ihn seien z.B. auch Traumsequenzen in Büchern langweilig. Deshalb habe er nicht alles im Detail beschrieben, sondern vieles der Phantasie seiner Leser überlassen.
Damals hätten viele an die heilende Wirkung von LSD geglaubt, unter anderem Cary Grant, der die Legalisierung sehr befürwortet habe. Dafür sei leider im Buch kein Platz gewesen und er habe es nicht mit Gewalt unterbringen wollen. Dann fragte T.C. Boyle mit fast völlig ernstem Gesicht, ob schon jemand erzählt habe, dass auf Seite 25 ein kleiner Punkt sei mit einem Pfeil „hier lecken“.
Nach den „Terranauten“ hätte dieses Buch auch gut die „Psychonauten“ heißen können. Die Menschen dürften nicht vergessen, dass auch wir eigentlich Tiere seien, die von einem Pilz so außer Gefecht gesetzt werden könnten, so wie Katzen durch Katzengras. Er liebe absurde Geschichten und man brauche Liebe im Leben, das so absurd sei und an dessen Ende immer irgendwann die Todesstrafe stehe.
„Das Licht“ sei für ihn auch eine tragische Geschichte, Szenen einer Ehe. Auf seine Weise liebe er Fitz und Joanie. Das Buch werde abwechselnd aus der Perspektive von Fitz und Joanie erzählt. Eigentlich habe er auch eine Szene aus der Perspektive ihres Sohns Corey geschrieben, diese jedoch nicht ins Buch gepasst. Vielleicht werde er dem Vorschlag von Margarete von Schwarzkopf folgen und diese Szene als Kurzgeschichte veröffentlichen. Aber er arbeite inzwischen an etwas Neuem, worüber er in den nächsten sechs Monaten noch nicht sprechen werde. Er könne nur verraten, dass es um das Bewusstsein von Tieren gehe. In zwei Jahren würde uns das Buch in Deutschland vorstellen.
Damit endete die knapp zweistündige Veranstaltung ohne Fragen aus dem Publikum und T.C. Boyle signierte geduldig zahlreiche Ausgaben von „Das Licht“.