John Lanchester: Die Mauer

  • ASIN/ISBN: 360896391X

    John Lanchester: Die Mauer

    Verlag: Klett-Cotta 2019. 348 Seiten

    ISBN-10: 360896391X
    ISBN-13:
    978-3608963915. 24€

    Originaltitel: the Wall

    Übersetzerin: Dorothee Merkel


    Verlagstext

    In Großbritannien gilt das Gesetz des Stärkeren. Das Land ist von einer hohen Mauer umgeben, die von den Bewohnern um jeden Preis gegen Eindringlinge verteidigt wird. Während in England der Brexit vorbereitet wird, legt Bestsellerautor John Lanchester einen brisanten neuen Roman vor. Joseph Kavanagh tritt seinen Dienst auf der Mauer an, die England seit dem großen Wandel umgibt.


    Der Autor

    John Lanchester geboren 1962 in Hamburg, wuchs im Fernen Osten auf und arbeitete in England als Lektor beim Verlag Penguin Books, ehe er Redakteur der »London Review of Books« wurde. Daneben war er für Zeitungen und Zeitschriften wie »Granta« und »The New Yorker« tätig sowie als Restaurantkritiker für »The Observer« und Kolumnist für »The Daily Telegraph«. Er gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern und führenden Intellektuellen Englands.


    Inhalt

    Nach einer Klimakatastrophe ist der Meeresspiegel gestiegen und auf der nördlichen Halbkugel hat es einen Kälteeinbruch gegeben. Unter der Kälte leiden besonders die Wachposten auf der 10 000 km langen Mauer, die England komplett umgibt. Es gibt keine Küstenlinie und keinen Strand mehr, nur die Mauer. „Nationale Künstenverteidigungsbefestigung“ nennt sich das Projekt. Diktaturen tun sich ja häufig als Sprachverhunzer hervor. Joseph Kavanagh, ein „Hiesiger“, leistet hier mit seiner Kompanie Wachdienst, um das Land vor „den Anderen“ zu schützen, die angeblich ins Land eindringen werden. Sollte es einem Fremden gelingen, die Mauer zu überwinden, werden die Verantwortlichen in kleinen Rettungsbooten ausgesetzt und müssen sich fortan allein durchschlagen. Eine simple Rechnung Mann gegen Mann. Die Enterer der Mauer dürfen sich dagegen in die Altbevölkerung der Insel integrieren. Den Dienst auf der Mauer kann man sich in der knackigen Kälte wie jeden Wachdienst als ungeheuer öde vorstellen. Die Gedanken der Wächter kreisen zwanghaft um Wärme, Essen und um die Angst davor, im entscheidenden Moment zu versagen. Entkommen können die Wächter nur, wenn sie sich als „Fortpflanzer“ melden und damit für die Reproduktion der Wachmannschaft sorgen. Da die Welt von der vorhergehenden Generation zerstört wurde, wundert die mangelnde Motivation zur Fortpflanzung nicht.


    Der Icherzähler Joseph, Spitzname Yeti, sieht sich selbst als jemand, dessen Erwachsenenleben nach dem Ende des Wächterdiensts liegen wird. Glaubwürdig, als kritischer Geist und in der Sprache eines reifen Mannes in der Lebensmitte berichtet er aus seinem Leben. Seinen Gedanken bin ich anfangs gern gefolgt, fand es jedoch zunehmend unglaubwürdig, dass Joseph wie frisch aus dem Ei geschlüpft wirkte und sich zugleich wie ein gebildeter mittelalter Mann ausdrückte. Alles, was ihn zu der erzählenden Person gemacht hat, scheint ausradiert zu sein. Den Kontakt zu seinen Eltern, den Mit-Schuldigen an der Klimakatastrophe, hat er abgebrochen. Im letzten von drei Teilen wird Joseph tatsächlich verbannt und muss seine bisher gepflegte Insulaner-Sicht der Dinge abrupt revidieren.


    Fazit

    Mit dystopischen und postapokalyptischen Szenarien bin ich eigentlich leicht zu erfreuen, wenn sie mir eine Veränderung meiner Sichtweise ermöglichen und wenn mich die Entwicklung der Figuren interessiert. Auch die vielfältige Mauer-Symbolik (einschließlich der Mauer im Kopf und der unvermeidlichen Projektion auf anonyme Feinde von außen) finde ich höchst faszinierend. Der erhobene pädagogische Zeigefinger passend zum Brexit ist hier deutlich zu spüren. „Die Mauer“ konnte mich jedoch nicht völlig überzeugen, weil ich die Figur des Icherzählers nicht glaubwürdig charakterisiert finde.


    Eine Punktebewertung finde ich schwierig, weil sich der Roman zwar gut lesen lässt, man ihn aber m. A. nicht gelesen haben muss.


    6 von 10 Punkten

  • Alle reden über den Klimawandel, manche leugnen, dass es ihn gibt, doch in diesem Buch sind die Folgen da. Wir sind in nicht all zu ferner Zukunft in Großbritannien, das sich gegen die Gefahren von außen mit einer endlos langen, hohen Mauer umgeben hat. Jeder junge Bewohner hat seinen Dienst auf der Mauer zu leisten. Nun stehen Joseph Kavanagh zwei lange Jahre Mauerdienst bevor. Es wird ihm viel abverlangt, doch die Strafe für ein Versagen ist hart, denn für jeden Eindringling wird ein Verteidiger dem Meer überlassen, was den sicheren Tod bedeutet.

    Joseph fügt sich in diese Verantwortung. Seine Einheit wird zur Familie und zu Hifa fühlt er sich hingezogen. Wachdienst, Kampfübungen und Ruhephasen gibt es in stetem Wechsel, immer vorbereitet auf den Ernstfall. Dann wird es ernst.

    Es ist John Lanchester hervorragend gelungen, mit dieser dystopischen Geschichte aufmerksam zu machen auf die aktuelle politische Lage und was es bedeutet, wenn auf der einen Seite Menschen infolge des Klimawandels in ihrer Heimat nicht mehr leben können und auf der anderen Seite sich einige Länder immer mehr abschotten.

    Der Schreibstil ist recht sachlich und es gibt keinen erhobenen Zeigefinger. Die Geschichte ist spannend, obwohl lange nicht viel passiert, und sie regt zum Nachdenken an.

    Die Personen sind passend und authentisch dargestellt. Joseph Kavanagh tut seinen Dienst, weil es eben so sein muss. Er erträgt die Strapazen und die immerwährende eisige Kälte. Sein Leben besteht aus aufmerksamem Warten darauf, dass etwas geschieht. Sein kleiner Traum von einem Leben zusammen mit Hifa wird zerschlagen, als es den „Anderen“ durch einen Stromausfall möglich wird einzudringen. Kavanagh wird mit einigen anderen in einem Boot aufs Meer gebracht. Sie versuchen zu überleben.

    Mich hat dieses stoische Hinnehmen der Umstände etwas gestört. Es wird einfach akzeptiert und nie hinterfragt, ob das alles gut und richtig ist.

    Es ist schwierig, dieses Buch zu beurteilen. Ich kann nicht sagen, dass es mir gefallen hat und doch hat es mich beeindruckt. Auf jeden Fall klingt die Geschichte nach und man fragt sich, wie man selbst sich in dieser Lage verhalten würde.


    4/5

  • Es ist kalt auf der Mauer


    Die Mauer, Dystopie von John Lanchester, 320 Seiten, erschienen bei Klett – Cotta.
    Ein sehr aktueller Zukunftsroman von John Lanchester über Klimawandel, Migration, Zukunftsangst.
    Dieser Roman schildert was passieren könnte, wenn wir unser Umweltbewusstsein nicht ändern. Und wie unsere Kinder und Enkel einst die Folgen dafür zu tragen haben.
    Nach dem „Wandel“ ist der Meeresspiegel soweit angestiegen, dass Großbritannien, bzw. was davon noch zu sehen ist, mit einer riesigen Mauer umgeben werden muss. Zum Schutz vor dem Wasser aber hauptsächlich vor den „Anderen“. In dieser Zeit scheint Britannien der einzige Ort zu sein, an dem es sich noch einigermaßen gut leben lässt. John Kavanagh beginnt, wie alle jungen Briten seinen Dienst an der Mauer. D. H. sein Land gegen eindringende Flüchtlinge zu verteidigen. Für jeden Anderen, der es über die Mauer schafft, muss ein Verteidiger hinaus aufs Meer. Was John auf der Mauer erlebt und was er dort findet und verliert, ist in dieser Dystopie formidabel beschrieben.
    Die 320 Seiten des Romans sind in drei Teile gegliedert, Die Mauer, Die Anderen und Das Meer. Diese teilen sich in 25 Kapitel auf. Die einzelnen Kapitel sind mit einer Kapitelzahl versehen und in einer leserfreundlichen angenehmen Länge. Oft endet ein einzelnes Kapitel , besonders die im 2. Und 3. Teil so spannend, dass ich das Buch nur schwer zur Seite legen konnte. Das sorgt für ein hohes Lesetempo. Die 2.Hälfte habe ich in einem Rutsch ausgelesen, weil ich wissen wollte wie die Geschichte zu Ende geht. Der Autor erzählt in einer ausdrucksstarken, bildmalerischen Sprache aus der Sicht des Protagonisten John Kavanagh. Jederzeit ist der Leser somit ganz nahe am Geschehen. Schon zu Beginn war ich gefangen genommen, z.B. von der Beschreibung, wie der Protagonist an der Mauer ankommt und sie betritt, jede einzelne Stufe bin ich mit ihm emporgestiegen. Immer wieder schaffte es Lanchester mich mit den Augen des Hauptcharakters „sehen und fühlen“ zu lassen, das ist ihm wirklich hervorragend gelungen. Der Protagonist hat in diesem Roman eine beachtliche Wandlung gemacht. Seine anfängliche Einstellung den Eltern gegenüber finde ich schäbig, nicht sie allein und nicht ihre Generation allein ist für den Wandel verantwortlich. Doch im Verlauf der Geschichte wurde er immer sympathischer, da durch den Dienst, die Kameradschaft und spätere Notlage sein Charakter sich positiv veränderte. Die Beschreibung seiner Gefühle in Extremsituationen war einfach nur genial. Den Wind und die Kälte auf der Mauer habe ich beim Lesen gespürt, den ersten Energieriegel, den John auf der Mauer aß, habe ich selbst geschmeckt, unglaublich stark erzählt. Einige Sätze haben mich zum Nachdenken gebracht, z.B. auf S.46 „Wir haben die Welt zerstört und haben kein Recht mehr sie noch weiterhin zu bevölkern“. Oder auf S. 257 „Wenn ich ein Anderer war und sie Andere waren, dann war vielleicht keiner von uns mehr ein Anderer, sondern wir waren stattdessen einfach nur ein neues Wir“. In der ersten Hälfte des Buches geschieht nichts Aufregendes, aber das Unaufgeregte ist so genial beschrieben, dass es überhaupt nicht langweilig wird. Als später im Buch eine effektvoll inszenierte Wende eintritt, stieg die Spannung enorm. Die Charaktere sind gut gelungen, die Handlung ist nachvollziehbar. Diese Geschichte hat mich berührt, mich nachdenklich gemacht und wird wohl noch einige Zeit nachwirken. Das Buch beginnt mit demselben Satz, mit dem es auch endet: Es ist kalt auf der Mauer. Von mir einen absolute Leseempfehlung.

  • Was genau in der Welt geschehen ist, das zu den Szenen in "Die Mauer" geführt hat, wird nie explizit gesagt und lediglich angedeutet. Es sollte einem als Leser zu denken geben, dass man diese Lücken sehr leicht füllen kann, denn wir wissen alle, was bei der Klimaerwärmung auf uns zu kommt.

    Es gibt viele Bücher zu diesem Thema und ich finde: zurecht! Und "Die Mauer" ist ein gut gelungenes Beispiel.

    Die Schichten auf der Mauer, die dazu da ist, die Flüchtlinge aus dem Land herauszuhalten sind eindrücklich beschrieben und die Stimmungen der einzelnen Charaktere werden durch mächtige Worte an den Leser herangetragen. Es fühlte sich beim Lesen geradezu so an, als würde man mit in der eisigen Kälte eine lange Schicht auf der Mauer schieben.

    Zu anderen Handlungsorten möchte ich jetzt nicht viel schreiben, da ich Angst habe, einem Leser etwas von der Handlung vorwegzunehmen. Aber insgesamt lässt sich sagen, dass es alles logisch war und auch, wenn unser Hauptcharakter vermutlich der mit dem größten Glück von allen ist, war es nicht unrealistisch.

    Dieses Buch werde ich garantiert erneut lesen.


    Ich habe von einer Freundin, die dieses Buch vor mir angefangen hat, gehört, dass sie sich durch die ersten Seiten regelrecht quälen musste. Dies ging mir persönlich überhaupt nicht so. Klar, es war viel Text und wenig Dialog, aber das machte meiner Meinung nach auch sehr viel Sinn, denn wenn man eine 12-Stunden-Wachschicht alleine schiebt, dann gibt es eben nichts zu reden. Es war wirklich, als wäre man im Kopf des Charakters und erfährt mit, wie er seinen Gedanken nachhängt.


    Von mir also eine klare Leseempfehlung!

  • Lahme, schlecht erzählte Dystopie


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    In einer vermutlich nicht sehr weit entfernten Zukunft ist die britische Hauptinsel von einer zehntausend Kilometer langen Betonmauer umgeben, fünf Meter hoch und drei Meter breit. Sie hält nicht nur das Wasser ab, dessen Oberfläche seit dem "Wandel", einem offenbar klimatischen Großereignis vor einigen Jahren, stark angestiegen ist, sondern vor allem die so genannten Anderen, die ins Land wollen, aber nicht dürfen. Um das auch aktiv zu verhindern, muss jeder Brite für zwei Jahre Verteidigungsdienst auf dem Bauwerk leisten, es sei denn, er gehört zur regierenden Elite oder er ist Fortpflanzer. Das sind die wenigen Leute, die noch Kinder in diese feindliche Welt setzen wollen, und die dafür Sondervergütungen erhalten, sozusagen ab dem ersten Sex. Warum man nicht einfach ein paar dieser Anderen reinlässt, um die Bevölkerungszahl zu stabilisieren, erklärt der Autor nicht. Wer es reinschafft und erwischt wird, wird übrigens entweder wieder aufs Meer geschickt oder versklavt, kann sich das aber immerhin selbst aussuchen.


    Joseph Kavanagh ist Anfang zwanzig und muss jetzt auch hoch, in die Kälte, von der es zwei Typen gibt, nämlich kalt und sehr kalt. Aber die Kälte ist nicht das Hauptproblem, sondern die Langeweile. Um das zu veranschaulichen, ist der Roman in besonders einfacher Sprache und besonders langweilig erzählt. Dieser Ansatz, der auch noch mit fehlender Logik gepaart wurde, funktioniert gut; die Langeweile dringt einem beim Lesen quasi in die Knochen, wie das die Kälte bei den Verteidigern schafft. Die aber neben Kälte und Langeweile noch ein weiteres Problem haben: Wenn es Anderen gelingt, die Mauer zu überwinden, muss je Eindringling, der es reingeschafft hat, ein Bewacher raus, ganz egal, ob dieser Bewacher Schuld am Eindringen trägt oder nicht. Diese etwas absurd anmutende, zutiefst ungerechte und selbstzerfleischende Regelung soll die Wachsamkeit der Verteidiger aufrechterhalten.


    Der Klappentext verweist Parallelen zu Brexit und aktuellen Migrationsströmen, aber das ist, wenn man so will, populistischer Blödsinn, denn der Roman ist im Kern völlig unpolitisch, oder höchstens auf ziemlich naive Weise ein ganz klein wenig politisch, etwa wie Bürgerinitiativen von Leuten, die gegen eine Bebauung sind, weil sie dann keine so hübsche Aussicht mehr haben. Die Hauptfigur, die als Ich-Erzähler agiert, ist jedenfalls nicht schlau genug angelegt, um etwas Kluges zu relevanten Themen sagen zu können, weshalb der Autor auch darauf verzichtet hat, ihm derlei in den Mund zu legen. Dasselbe gilt für das restliche Romanpersonal - auch die ihn umgebenden Figuren sind nur stereotype, konturlose Pappkameraden. Selbst der Mann aus der Elite, der zweimal auftaucht, redet ausschließlich Stuss.


    Hiervon abgesehen ist "Die Mauer" erschütternd erzählt, zerbröselt das bisschen Spannung, das gelegentlich aufgebaut wird, gleich wieder in einem Halbsatz, und tötet den letzten Nerv mit langen Abhandlungen über haarsträubende Belanglosigkeiten. Die drei, vier Ereignisse, die Meilensteine der Geschichte markieren, werden sprichwörtlich im alles umgebenden Meer versenkt, und am Schluss ist man fast froh, dass diese ausgewalzte Story, die nur auf einer guten Idee zu fußen scheint, auch noch so endet, wie sie die ganze Zeit über war, nämlich völlig belanglos.

  • Seit dem „Wandel“ ist der Wasserspiegel der Erde gestiegen und viele Menschen auf der Flucht. Großbritannien hat eine Mauer um die britische Insel gebaut, um „Andere“ abzuhalten, ins Land zu kommen. Die Mauer wird von „Verteidigern“ bewacht, die, sollte es jemand schaffen, die Mauer zu überwinden, Gefahr laufen, selbst auf dem Meer ausgesetzt zu werden. Jeder Brite muss wenigstens einmal im Leben auf die Mauer.


    Der Leser begleitet Joseph Kavanagh, von seinen Mauerkameraden Yeti genannt, der zu Beginn des Romans seinen Dienst auf der Mauer antritt. Wer die Anderen sind, ist ihm nicht ganz klar, er weiß nur, das diese Menschen wegen des Wandels ihre Heimat verlassen mussten und nun verzweifelt nach etwas suchen, wo sie in Sicherheit sind. Diejenigen, die an der Mauer erwischt werden, haben zwar nur die Wahl zwischen Tod und Sklaverei (wer sich für letzteres entscheidet, wird verniedlichend „Dienstling“ genannt), aber ihre Kinder haben die Chance, britischer Bürger zu werden (wohl auch, weil das britische Volk selbst die benötigte Geburtenrate nicht mehr gewährleisten kann). Für mich dabei mit am schockierendsten war die Aussicht der Verteidiger selbst auf dem Meer zu landen, nicht, weil sie etwa Schuld daran sein könnten, dass jemand illegal ins Land gekommen ist, sondern einfach nur, weil für jeden, der es geschafft hat, einer gehen muss.


    Der Dienst auf der Mauer ist langweilig, 12 Stunden müssen die Männer und Frauen ausharren und aufs Meer starren. Kommt es tatsächlich zu einem Überfall wird es brandgefährlich, denn die Anderen tun alles, um die Mauer zu überwinden, und so kommt es immer zu Toten auf beiden Seiten. Und selbst wenn man das überlebt, hat man noch lange nicht überlebt, denn dann droht die Aussetzung auf dem Meer.


    Leider ist, trotz dieses Hintergrundes, auch der Roman relativ langweilig. Kavanagh erzählt in Ich-Form, und er erzählt ausführlich und erstaunlich sachlich, wenig emotional. Und das, obwohl er sich auf der Mauer verliebt, mehr als einmal in Lebensgefahr gerät und erleben muss, wie Kameraden sterben. Auch erfährt der Leser leider wenig über die gesellschaftlichen und sozialen Hintergründe des Landes bzw. der Welt und das alltägliche Leben, alles bleibt relativ abstrakt, die Charaktere blass. Das hat zwar einerseits auch etwas Bedrückendes, weil man als Leser so im Ungewissen bleibt, aber, es hätte den Roman auch interessanter machen können, hätte man mehr erfahren.


    Die Geschichte ist hochaktuell, und oft hat man das Gefühl, die Situation zu kennen, auch der Bau einer Mauer, um sich abzuschotten, alles Fremde draußen zu lassen, ist eine durchaus mögliche und von einigen gewünschte Zukunftsversion. Das ist im Grund auch das, was den Roman letztlich ein wenig rettet. Mehr hätte man aber mit einer emotional packenderen und interessanteren Geschichte erreichen können. Erst im letzten Drittel kommt mehr Spannung auf, man kann nur hoffen, dass es viele Leser bis hierhin geschafft haben. Im Gegensatz zu anderen Rezensenten empfinde ich das Ende der Geschichte übrigens als sehr passend.


    Die Geschichte lässt mich zwiegespalten zurück, zum einen macht sie mich betroffen, auch, weil so die Zukunft möglich sein könnte, zum anderen hätte ich mir eine weniger langatmige und sachliche Erzählweise und greifbarere Charaktere gewünscht, um wirklich emotional beteiligt sein zu können, vielleicht hätten der Geschichte auch einige Seiten weniger gut getan. Dass die Geschichte eine durchaus mögliche Zukunftsvision darstellt, ist bedrückend, sie aus der Sicht eines Einzelnen darzustellen, gar nicht einmal eine so schlechte Idee, die Umsetzung lässt aber leider zu wünschen übrig, da sie emotional nicht packt und wegen ihrer Langatmigkeit Gefahr läuft, dass das Buch schnell wieder aus der Hand gelegt wird. Bis zum Ende lesen lohnt sich aber. Ich vergebe 6 Punkte, aber auch eine Leseempfehlung – lasst euch auf die Geschichte ein und zum Nachdenken anregen.