"Agathe" von der dänischen Autorin Anne Cathrine Bomann erschien (Hardcover, gebunden) 2019 im Hanser Verlag, München und ist eine weitere Ausgabe der Reihe "hanserblau", die sich durch ein edles Cover (es sieht aus wie Leinen) und ein handliches Format auszeichnet.
Inhalt:
Fontenay-sous-Bois, Vorort von Paris, Nachkriegsjahre:
"Ein Psychiater zählt die Tage bis zu seinem Ruhestand. Die Probleme seiner Patienten erscheinen ihm längst banal, ihrem Schmerz steht er hilflos gegenüber. Doch eine letzte Patientin lässt sich nicht abwimmeln. Die Zeit mit Agathe verändert alles für ihn."
(Quelle: Buchrückentext)
Meine Meinung:
Als Leser hat man anfangs den Eindruck, dass der Psychiater ohne Namen (nachfolgend daher im Pronomen genannt) seines Berufs äußerst überdrüssig ist: Er zählt die Sitzungen, die Tage - und ist doch unschlüssig, was er nach der Berentung mit seiner Zeit anfangen solle - ja, er ängstigt sich im Grunde davor - und vor dem Älterwerden.
Seine Sekretärin, Madame Surrugue, erhält daher die Anweisung, keine neuen Patienten mehr aufzunehmen. Doch eine Patientin - die romantitelgebende Agathe - schafft es doch und der Leser erlebt einige Sequenzen der Sitzungen mit, die IHN aus der Reserve - bzw. hinter dem Diwan schräg sitzend, nach und nach herausholt und IHN, unseren Psychiater, sich mehr und mehr wieder dem Leben zuwendet. Meines Erachtens trägt hierzu eine bedeutende Rolle Madame Surrugue bei, die seit Jahrzehnten seine Administration in Ordnung hält und der sicher nicht entgangen ist, welche negative Veränderung in der Praxis mit dem Psychiater selbst vonstatten ging, denn einst hatte er einen guten Ruf und war sehr engagiert: Daher möchte sich Agathe auch nur von IHM helfen lassen...
Die kurzen Kapitel fand ich sehr passend; denn zwischen den Zeilen, die in einfacher und schlichter Sprache daherkommen, hat der Leser viele Möglichkeiten der Interpretationsmöglichkeiten. Dies macht den Roman sehr interessant. Allerdings hätten nach meinem Empfingen einige "Leerstellen" - die Vergangenheit des Psychiaters oder Agathe's betreffend, hier gut getan: Andeutungen gab es, aber oftmals keine Erklärungen, das Gelesene besser zu verstehen.
Die Lösung aus seiner (emotionalen) Erstarrung kommt auch den therapeutischen Sitzungen und damit seinen Patienten zugute: Er engagiert sich wieder und die entwaffnende Ehrlichkeit Agathe's ist wie eine Erweckung aus dem Dämmerschlaf. Allerdings empfand ich auch dies (evtl. wegen des Unwissens, in der uns die Autorin lässt) doch etwas märchenhaft und ein wenig surreal. Dennoch freut man sich mit IHM, wenn am Ende eine aufgehaltene Tür ins Café führt, genauso, wie er es sich wünschte...
Fazit:
Eine nachdenklich stimmende Geschichte in schlichter und einfacher Sprache, die diesem Roman einen gewissen Zauber gibt, über das Aufbrechen einer seelischen "Verkrustung" oder Erstarrung - und die Lust auf Nähe, die in jedem Lebensalter für die seelische Gesundheit von Bedeutung ist - mitten hinein bzw. zurück ins Leben! Besonders interessant fand ich persönlich, dass die Autorin ebenfalls Psychologin ist - sich also mit "der Materie Mensch" auskennt. Auf jeden Fall eine Hommage an (positive) Veränderungen, die in jedem Alter möglich sind!