Die letzte Reise der Meerjungfrau: oder wie Jonah Hancock über Nacht zum reichen Mann wurde - Imogen Hermes Gowar

  • 51FeX7PNDbL._SX321_BO1,204,203,200_.jpgTitel: Die letzte Reise der Meerjungfrau: oder wie Jonah Hancock über Nacht zum reichen Mann wurde


    Autorin: Imogen Hermes Gowar


    Verlag: Bastei Lübbe
    Erschienen: 29.03.2018
    Seitenzahl: 560

    ISBN-10: 3431040829

    ISBN-13: 978-3431040821
    Preis gebundene Ausgabe: 20,- €



    Kurzbeschreibung (Quelle: Amazon)

    Ein Wunder, raunen die einen. Betrug, rufen die anderen. Für den Kaufmann Jonah Hancock zählt nur eines: Die Meerjungfrau, die sein Kapitän aus Übersee mitgebracht hat, versetzt ganz London in Staunen. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Kunde in den Kaffeehäusern, Salons und Bordellen der Stadt. Jonah steigt in die obersten Kreise der Gesellschaft auf und verkauft seine Meerjungfrau schließlich für eine schwindelerregende Summe. Nur die Gunst der Edelkurtisane Angelica Neal bleibt unerschwinglich für ihn, denn als Beweis seiner Liebe fordert Angelica eine eigene Meerjungfrau. Jonah setzt alles daran, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Doch Wunder haben einen hohen Preis.

    Ein preisgekröntes Romandebüt über Menschen, Meerjungfrauen und das ewige Streben nach mehr. Imogen Hermes Gowar erweckt das London des 18. Jahrhunderts zum Leben - schillernd, faszinierend und facettenreich.



    Über den Autor (Quelle: Bastei Lübbe)

    Imogen Hermes Gowar hat Archäologie, Anthropologie und Kunstgeschichte studiert und anschließend in verschiedenen Museen gearbeitet. Inspiriert von den Ausstellungsstücken hat sie erste fiktionale Texte geschrieben und 2013 ein Stipendium bekommen, um an der Universität von East Anglia Kreatives Schreiben zu studieren. Für ihre Dissertation, aus der der Roman Die letzte Reise der Meerjungfrau entstanden ist, wurde sie mit dem Curtis-Brown-Preis ausgezeichnet. Imogen Hermes Gowar lebt und arbeitet im Südosten von London – eine Gegend, deren Geschichte sie besonders interessiert.



    Mein Leseeindruck

    Meine Gedanken zu diesem Buch zusammen zu fassen fällt mir gar nicht so leicht... Es sind auch schon einige Tage vergangen seitdem ich die letzte Seite umgeblättert hatte und ich musste die Geschichte erstmal etwas sacken lassen. Es ist ja kein besonders aufregendes oder aufwühlendes Buch. Die Geschichte verlief nur äusserst unerwartet. Ich war mir schon bewusst, dass mich kein Märchen mit wunderschönen Meerjungfrauen erwarten würde. Die Kurzbeschreibung hat mich dennoch dazu verleitet, auf Romantik oder gar ein Wohlfühlbuch zu hoffen. Und dann war alles so ganz anders. Was für mich so überraschend war, möchte ich hier lieber nicht erwähnen, da es zuviel verrraten und somit die besondere Unvorhersehbarkeit, die den Reiz des Buches zum grossen Teil ausmacht, zerstören würde.


    Am besten gefallen hat mir auf jeden Fall die Sprache. Ich habe zwar ein paar Seiten gebraucht, um mich an das Gefühl der "etwas angestaubten Ausdrucksweise" zu gewöhnen. Ich hoffe, dieser Ausdruck verwirrt jetzt nicht - denn ich meine keinesfalls altmodisch. Es hat auch nicht allzu lange gedauert, bis ich die Sprache absolut passend empfand - passend zu den recht speziell gezeichneten Figuren und dem historischen Setting, das von solider Recherchearbeit zeugt.


    Es handelt sich hier um eine sehr ruhige Geschichte - für mich ungeduldige Seele manchmal einen Tick zu ruhig. Die Autorin ist mit Dramatik sehr sparsam und dennoch erreicht sie eine leise Tiefgründigkeit. Ich war mir nicht immer sicher, was die Autorin mit ihren Metaphern mir sagen wollte. Aber sie regte mich zu Nachdenken und Phantasieren an.


    Alles in allem war es eine angenehme Lektüre, auf die ich mich gut einlassen konnte. Es ist kein "Pageturner" - aber wer erfahren möchte, wie die Autorin eine Meerjungfrau beschreibt (für mich durchaus eine Idee, die ich mir real vorstellen könnte) und ein Buch abseits des Mainstreams sucht, kann hier gestrost zugreifen. Aus meiner Sicht verdient das Buch sehr gute 7 Eulenpunkte.



  • 1785: Der Kaufmann Jonah Hancock gelangt unerwartet in den Besitz einer Meerjungfrau. Als Mother Chappell, die ein gut gehendes Etablissement führt, davon hört, möchte sie dieses Wesen in ihren Räumen ausstellen, für Jonah Hancocks Wohlbefinden soll Angelica Neal, einst bestes Pferd in Chappels Stall sorgen. Angelica hat gerade eine Trennung hinter sich und muss nun wieder selbst für ihr Auskommen sorgen, hoffend, bald wieder einen „Förderer“ von sich zu überzeugen.


    Imogen Hermes Gowars Romandebüt hat es in sich, lange, sehr lange ist dem Leser unklar, wohin die Reise gehen soll, und immer, wenn man denkt, man weiß es, erhält die Geschichte eine neue Richtung. Lange ist einem auch nicht so recht klar, ob man den Roman mag oder nicht, bei mir war es auf jeden Fall so, aber am Ende wusste ich: Dieser Roman ist brillant.


    Die Autorin hat Archäologie, Anthropologie und Kunstgeschichte studiert, in verschiedenen Museen gearbeitet und sich von Ausstellungsstücken für Geschichten inspirieren lassen – auch bei diesem Roman war das so. Gleichzeitig hat sie viel recherchiert, so dass es ihr gelungen ist, das historische England vor den Augen des Lesers auferstehen zu lassen, wozu auch der sehr bildhafte Erzählstil beiträgt, mein Kopfkino hatte viel zu tun. In dem Zusammenhang ist auch das sehr interessante Interview mit der Autorin zu empfehlen, das man auf der Verlagsseite findet.


    Zur Atmosphäre des Romans trägt nicht unwesentlich die wunderbare Sprache bei, derer sich die Autorin bedient, man kann sich regelrecht in sie verlieben. Seine Sprache macht den Roman besonders und zusätzlich lesenswert. Erzählt wird sehr ausführlich, manchmal schon fast zu ausführlich, gelangweilt habe ich mich aber nicht. Schön finde ich, dass ab und zu auch Humor durchblitzt. Am Ende bleibt manches der Phantasie des Lesers überlassen, so hat man auch nach der Lektüre noch einiges nachzudenken.


    Die Handlung der Geschichte wird vor allem von den weiblichen Charakteren getragen, Jonah Hancock hat zwar einen großen Part, doch er ist eher unscheinbar, manchmal fast unsicher. Die Frauen aber haben Power, Selbstbewusstsein und Mut, auch wenn sie nicht immer so handeln, wie es am besten wäre, stehen sie doch in der Regel zu ihrem Tun und erreichen, trotz der sozialen Einschränkungen, denen sie unterliegen, viel. Wie es sich für einen guten historischen Roman gehört, werden soziale Probleme nicht verschwiegen und mancher Charakter hat ernsthaft darunter zu leiden, wie etwa Polly, die nicht nur aus armen Verhältnissen stammt, und sich daher unter Mother Chappells Fittiche begeben hat, sondern auch noch dunkelhäutig ist.


    Wer anhand des Klappentextes bereits bestimmte Erwartungen an den Roman hat, sollte diese schnell wieder vergessen. Der Roman ist anders als gedacht, es passiert eine Menge Unerwartetes, und auch das kann ich nur als Pluspunkt verbuchen. Man muss sich allerdings schon ein bisschen auf Imogen Hermes Gowars Erzählung einlassen und sich von ihr führen lassen. Zum Schnellweg- oder Zwischendurchlesen ist der Roman nicht geeignet, und man kann ihn durchaus eine Zeitlang problemlos beiseite legen, doch letztlich will man dann doch wissen, wohin er einen führt.


    Ich war tatsächlich eine ganze Weile lang unschlüssig, was ich von „Die letzte Reise der Meerjungfrau“ halten soll, man muss ihn erst im Ganzen sehen, um ihn zu verstehen und wirklich Gefallen an ihm zu finden. Ich vergebe volle Punktzahl und eine Leseempfehlung für diejenigen, die bereit sind, einen Roman auf sich wirken zu lassen. Auf den nächsten Roman der Autorin bin ich sehr gespannt!