Fanlektüre
Heutzutage erreicht jeder Trend – etwa per Internet – in kürzester Zeit selbst das hinterletzte Kaff, aber Ende der Siebziger dauerte es noch ein Weilchen, bis Neuigkeiten aus Amerika oder z.B. Großbritannien in der deutschen Provinz ankamen. So war es auch mit dem Punk: Als die Welle Schmalenstedt an der Nordsee erreichte, war sie in GB längst dabei, abzuebben. Und Schmalenstedt war (und ist) auch nicht London oder Manchester.
Rocko Schamoni erzählt von seiner eigenen Jugend, von der Verweigerung und der Suche nach Möglichkeiten jenseits der Spießer-Paradigmen, von Musik, Gewalt und Alkohol – vom Erwachsenwerden also. So weit, so gut, das haben andere auch schon getan. Die Eigenartigkeit von „Dorfpunks“ besteht darin, daß es eben den „Dorfpunk“ skizziert, eine Art „Punk light“, der sich den Möglichkeiten beugte, sie gleichzeitig auslotete, sich eben der Gesellschaft nicht vollständig verweigerte. Der Held und seine Kumpels hörten auch mal ABC und tanzten regelmäßig in „Meier’s“ Discothek, neben all den anderen Provinzlern, und der Nonkonformismus fand seinen Höhepunkt etwa darin, nach durchzechter Nacht trotzdem zur Töpferlehre zu marschieren.
Die Figuren sind sympathische Arschlöcher, pickelige Teenager, die ihre kreative, aber auch zerstörerische Energie auf ganz eigene Weise zu kanalisieren versuchten, mit viel Musik, ranzigen Klamotten, Alk, ein paar anderen Drogen, gelegentlichen Mädchenkontakten und ein bißchen Gewalt. Keine superoriginellen Sonderlinge, sondern sonderbare Dörfler, die unter „Punk“ vor allem „Spaß“ verstanden – aber nicht nur, denn das „Nein“ war zumindest teilweise durchaus ernstgemeint. Das ganze wird bestimmt durch Schamonis eigene Biographie, und die medienpräsente Figur hat sich letztlich konsequent entwickelt, als einzige aus „Schmalenstedt“ übrigens. An dieser Stelle wird „Dorfpunks“ auf seine Art zum zeitgeschichtlichen Dokument.
Leider sind die Episoden nicht immer wirklich lustig oder wenigstens originell, und Schamoni erzählt deutlich schwächer als zum Beispiel sein Spezi Heinz Strunk. Das schmale Büchlein liest sich zwar gut weg, bleibt es dann aber irgendwie auch. Fanlektüre also.