John Kennedy Toole: Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten

  • Schlauer, großartiger Spaß


    Toole hat diesen Roman in den Sechzigern verfaßt, sich erfolglos darum bemüht, ihn bei einem Verlag unterzubringen, deshalb dann – knapp dreißigjährig - Selbstmord begangen. Tooles Mutter brachte einen kleinen Wissenschaftsverlag später dazu, das Buch doch noch zu veröffentlichen, und es entwickelte sich zu einem großen Erfolg, was dem Autor posthum nicht weniger als den Pulitzer-Preis einbrachte.


    Ignaz J. Reilly ist fett und faul, aber keineswegs dumm, sogar Doktor in irgendwas. Zugegeben, seine Weltsicht ist recht originell, vorsichtig gesagt, und durchaus egozentrisch. Sogar ziemlich egozentrisch, im Wortsinn. Seine ältliche Mutter und sein sonstiges Umfeld leiden sehr unter dem aufbrausenden, eloquenten, sich stoisch jeder „produktiven“ Betätigung verweigernden Fleischberg, der Boethius und Sahnetörtchen liebt - und dann doch in den sauren Apfel beißen und sich nach einem Job umsehen muß, als das Geld knapp wird.


    Ignaz malträtiert das New Orleans der sechziger Jahre mit seiner orignellen Weltsicht, seinem enormen Sendungsbewußtsein und seiner notorischen Faulheit. Er wird Mitarbeiter von „Hosen-Levy“, einer abgewrackten und unproduktiven Textilbude, deren administratives Personal aus einer debilen, steinalten Buchhalterin (die auch gerne mal im Pyjama zur Arbeit kommt, um sofort wieder am Schreibtisch einzuschlafen) und einem feigen Bürovorsteher besteht. Ignaz malt wichtig aussehende Türschilder und dekoriert das Büro um, und er bewältigt die Korrespondenz, indem er sie einfach wegschmeißt. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, den Betrieb auf Vordermann zu bringen – kurzerhand organisiert er einen Aufstand der Arbeiter. Seine Karriere endet jäh, aber Ignaz hinterläßt einige Zeitbomben …
    Zweite Station ist ein mobiler Würstchenstand, dessen Inhalt unter der Gefräßigkeit des Bediensteten essentiell leidet. Auch dieser Beruf bietet keine Zukunft, doch Ignaz’ Pläne sind größer. Denn er will eine Partei gründen, und nicht nur das. Ein Standardwerk über die Leiden der „jungen“ Werktätigen ist in Arbeit. Nebenbei gerät der dicke Held in einen kriminellen Handel mit pornografischen Bildern …


    „Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten“ ist ein gottvolles, großartiges, wahnwitziges Buch, rasant und überaus amüsant, zuweilen von galoppierendem Schwachsinn beseelt, trotzdem hochintelligent, voller sympathischer Figuren und Dialoge. Ein schlauer, großartig geschriebener Spaß.

  • Danke, Tom ! Am Wochenende bin ich bei Amazon um dieses Buch (bzw. die englische Fassung, siehe unten) immer und immer wieder herumgeschlichen, weil es in einer Kritik in einem Atemzug mit meinem hochgeliebten E.F.Benson genannt worden war, habe mich dann aber dagegen entschieden, weil es mir zu schrill erschien. Deine Rezi bestätigt mir diesen Eindruck erst mal. :grin

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Es ist nicht ganz einfach dieses Buch zu beurteilen. Einige Stellen sind urkomisch, andere Stellen wiederum haben mir nicht einmal ein leises Lächeln entlockt. So geht es eigentlich das ganze Buch hindurch, wie eine Wellenbewegung. Vieles in diesem Buch geht in Richtung Satire.
    Ignaz ist ein echter Kotzbrocken der auf meiner Sympathieskala nicht einen einzigen Punkt erreicht hat. Normalerweise bekommen auch Antitypen bei mir durchaus mal einen Sympathiepunkt – dieser Ignaz jedoch nicht. Er ist eine ganz üble Nummer, ein schlimmer Finger – wenn er denn wenigstens noch einen eigenen Humor hätte, aber auch damit ist es Fehlanzeige. Ich bin mir wirklich nicht so ganz schlüssig, ob ich das Buch weiterempfehlen kann oder nicht. Bei diesem Buch trifft es wahrscheinlich hundertprozentig zu, dass Geschmäcker halt verschieden sind. Eines der Fälle, wo man gern eine zweite Meinung einholen würde. Soviel steht jedoch fest, die Zeit der Lektüre dieses Buches ist keine vergeudete Lebenszeit, für den einen oder anderen ist es ja vielleicht ein echter Lesehighlight. Mich hat das Buch nicht enttäuscht aber auch nicht vom Hocker gehauen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Es ist nicht ganz einfach dieses Buch zu beurteilen. Einige Stellen sind urkomisch, andere Stellen wiederum haben mir nicht einmal ein leises Lächeln entlockt. So geht es eigentlich das ganze Buch hindurch, wie eine Wellenbewegung.


    Genau so erging es mir auch beim Lesen. Dieser ständige Wechsel zwischen "genial" und "was soll das denn?" machte für mich einen Grossteil der Faszination des Buches aus. Andere mag das vielleicht eher abschrecken.


    Gleiches gilt ja auch für Ignaz selbst: Einerseits ein Unsympath, wie er im Buche steht (sic!), der ständig seine Umwelt, speziell seine Mutter, terrorisiert. Andererseits aber auch irgendwo einfach nur eine bedauernswerte Kreatur.


    Ob das Werk denn gleich den Pulitzer verdient hat, mag ich nicht beurteilen, aber auf ihre eigene Art faszinierende Lektüre war´s IMO allemal. Wäre sicher auch interessant gewesen zu sehen, was da noch vom Autor hätte kommen können.

  • Ich habe gerade erst mit Ignaz angefangen, und schon geht der Typ mir gehörig auf die Nerven. Erstaunlicherweise lese ich das mit den gleichen Gefühlen, mit denen ich damals Karlsson vom Dach betrachet habe: schwankend zwischen Ekel und Faszination. Überhaupt sehe ich immer Karlsson vor mir, wenn ich von Ignaz lese...
    Mal sehen, ich bin mir noch nicht sicher, ob ich mir da nicht ein kleines Abbrecherlein ins Haus geholt habe...

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich wollte eine Rezension schreiben zu diesem Buch, weil ich schade finde, dass es kaum jemand kennt. Aber siehe da, es gibt bereits eine Rezension, der ich mich nur völlig anschließen kann.
    Dieses Buch ist vielleicht nicht was für jedermann, aber ich selber habe jede Sekunde genossen und mich köstlich amüsiert über und mit dem "faulen Fettwanst".
    Meine Lieblingsstelle im Buch: Er sieht eine Fernsehsendung, in der singende Kinder auftreten. ( ich musste da spontan an meine Kindheit und Michael Schanze denken) und kommentiert wie folgt: "Mein Gott, die haben sie doch bestimmt vom Straßenstrich direkt vor die Kamera gezerrt!!!!"......Also meinen Humor trifft so etwas. Ich habe sehr gelacht und gewünscht: einmal mit dem Ignaz gemeinsam DSDS gucken!*g*
    Ja, Ignaz ist faul. Und irgendwie auch sicher nicht das, was man sich als Schwiegersohn wünscht. Aber. Irgendwas hat er, wo man ihm zu gratulieren mag.


    Und zu der Entstehungsgeschichte möchte ich hinzufügen: dieses Buch hat Toole geschrieben, als er im Krieg war. (Zumindest so meine Quellen im Internt) Umso bemerkenswerter finde ich, wie witzig es ist. Schade, dass dieser Autor sich so jung das Leben nahm. Ich hätte gerne mehr gelesen von ihm. Ich achte Menschen sehr, die sich angesichts grausamer Lebensumstände ihren Humor bewahren. Vielleicht nicht jedermanns Humor - aber meinen trifft dieses Buch absolut.

  • Vor ein paar Jahren hatte ich das Buch schon mal angefangen, dann aber schon relativ schnell nach ein paar Seiten wieder abgebrochen ... wahrscheinlich habe ich schon wieder nicht die Genialität dieses Werkes verstanden, aber ich habe mich eigentlich nur gefragt "was soll denn das?".
    Vielleicht werde ich dem Buch trotzdem noch einmal eine Chance geben ... ;-)