Titel: Stella
Autor: Takis Würger
Verlag: Hanser
Erschienen: Januar 2019
Seitenzahl: 218
ISBN-10: 3446259937
ISBN-13: 978-3446259935
Preis: 22.00 EUR
Das sagt der Klappentext:
Es ist 1942. Friedrich, ein stiller junger Mann, kommt vom Genfer See nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er Kristin. Sie nimmt Friedrich mit in die geheimen Jazzclubs. Sie trinkt Kognak mit ihm und gibt ihm seinen ersten Kuss. Bei ihr kann er sich einbilden, der Krieg sei weit weg. Eines Morgens klopft Kristin an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht: "Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt." Sie heißt Stella und ist Jüdin. Die Gestapo hat sie enttarnt und zwingt sie zu einem unmenschlichen Pakt: Wird sie, um ihre Familie zu retten, untergetauchte Juden denunzieren?
Der Autor:
Takis Würger, geboren 1985, hat an der Henri-Nannen-Journalistenschule das Schreiben gelernt und Ideengeschichte in Cambridge studiert. Er arbeitet als Redakteur für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. 2017 erschien sein Debütroman Der Club, der mit dem Debütpreis der lit.Cologne ausgezeichnet wurde und für den aspekte-Literaturpreis nominiert war. Takis Würger lebt in Berlin.
Meine Leseeindrücke:
Dieser Roman von Takis Würger führte im literarischen Feuilleton zur gemeinsamen Schnappatmung, sogar über einen kollektiver Selbstmord wurde nachgedacht – was im Übrigen sicher kein Unglück gewesen wäre. Denn wenn man die einzelnen Kritiken zu diesem Buch durchliest, dann wird mehr als deutlich, wie abgehoben und selbstverliebt diese Kritiker doch sind. Auch hier verfestigt sich wieder der Eindruck, dass man, wenn man nichts verstanden hat – und sie haben nichts verstanden- sich möglichst elitär gebärdet – auch wenn dieses Gehabe nur pseudoelitär ist und bei genauem Hinsehen die Sinnleere der einzelnen Kritiken manifestiert.
In diesem Zusammenhang sei noch auf die Kritik von Antonia Baum in der ZEIT verwiesen, eine 2,9-Promille-Rezension (denn einen solchen Unsinn kann man nur im Suff raushauen) – diese Dame hat das Buch offenbar gar nicht gelesen – sondern hat einen Text geschrieben, wo deutlich wird, dass sie sich am eigenen Geschreibsel berauscht.
Leider zeigen diese Kritiken aber auch, dass der Antisemitismus in den deutschen Redaktionstuben auf dem Vormarsch zu sein scheint.
Takis Würger hat einen beeindruckenden Roman geschrieben, dem man schon anmerkt, das Würger von der Journallistenseite kommt (was ja nun wahrlich kein Negativpunkt ist). Er schreibt beobachtend, wirkt eher wie ein Chronist denn wie ein Beteiligter – obwohl der Roman in der Ich-Form geschrieben ist.
Es geht auch um die Frage, ob Liebe alles verzeihen kann, ob Liebe die Sicht auf die eigene Schuld nicht verändert bzw. verschleiert.
Wo beginnt Schuld? Ist alles Handeln immer rational erklärbar?
Sehr gut hat Hannah Lühmann in der WELT ihre Kritik formuliert und trifft es damit ziemlich punktgenau und hebt sich wohltuend von den Dümmlichkeiten in der taz, in der FAZ und in der Süddeutschen Zeitung ab:
„Rezensionsnotiz zu Die Welt, 12.01.2019
Hannah Lühmann versteht die Verrisse von Takis Würgers neuem Roman nicht. Für sie ist Würgers Geschichte der Jüdin Stella Goldschlag, die für die Nazis Juden denunzierte, unterhaltsam und verdammt gut geschrieben (im Stil Hemingways, findet sie). Ob historisches Grauen in dieser Form in einem Roman behandelt werden darf, ist laut Lühmann eine der Fragen, die hinter der Ablehnung des Textes stehen könnten. Kitsch ist der Text für sie nicht unbedingt, eher schon die durchaus gekonnte Übertragung filmischer Dramatik ins Literarische. Auf die Debatte darüber freut sich die Rezensentin schon.“ (Quelle: Perlentaucher)
Wie das Handeln der Protagonistin Stella Goldschlag zu bewerten ist muss jede/jeder für sich sebst entscheiden, Würger überlässt die Antwort auf diese Frage seinen Lesern, erhebt sich nicht – wie viele dieser Literaturkritiker-Blase moralisch über die Stella Goldschlag.
Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn sich unsere Literaturkritiker einfach mal mit den Realitäten beschäftigen würden – und sich nicht eine Welt bauen würden, die es so gar nicht gibt.
Takis Würger hat ein Buch geschrieben, dass gerade auch durch seine Sachlichkeit die ganze Grausamkeit der des Dritten Reiches deutlich macht. Denn auch hier passt der Satz des Neuen Testamentes: Wer ohne Schuld ist – der werfe den ersten Stein.
Dieses Buch stellt auch die Frage: Ist Moral immer schwarz oder weiß – oder kann Moral auch in verschiedenen Grautönen auftreten?
Takis Würger schildert Menschen in emotionalen Extremsituationen, Situationen von denen man nur hoffen kann, dass man selbst sich nicht einmal in einer solchen Lage befindet.
Ein beeindruckender Roman der mir wieder einmal gezeigt hat, das es immer sinnvoller ist sich eine eigene Meinung zu bilden – indem man das Buch liest – als sich von Meinungen aus dritter oder vierte Hand beeinflussen zu lassen. 8 Eulenpunkte.