Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Berlin, 1916: Die herzliche, resolute Lene hat soeben ihr Lehrerinnen-Seminar bestanden. Als sie sich in den verschlossenen Paul verliebt, scheint ihr Glück vollkommen. Dass Paul wegen einer Kriegsverletzung nicht arbeiten kann, ist für Lene kein Hindernis: Sie liebt ihre Arbeit als »Fräulein« und kann genug Geld nach Hause bringen. Doch einer Hochzeit steht der sogenannte Lehrerinnen-Zölibat im Wege, ein Erlass, der verheiratete Frauen vom Schuldienst ausschließt. Entweder ihr Paul oder die Freiheit, den geliebten Beruf auszuüben? Eine unmögliche Wahl. Zu stark, um aufzugeben, kämpft Lene für die Freiheit, Liebe und Beruf zu vereinen.
Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Silke Schütze, Jahrgang 1961, lebt in Hamburg. Nach ihrem Studium der Philologie war sie Pressechefin bei einem Filmverleih und Chefredakteurin der Zeitschrift CINEMA. Sie hat bereits zahlreiche Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht und hält Schreiben für die zweitschönste Sache der Welt. 2008 wurde Silke Schütze vom RBB und dem Literaturhaus Berlin mit dem renommierten Walter-Serner-Preis ausgezeichnet.
Allgemeines
Als Knaur eBook erschienen am 1. Januar 2019, Umfang entsprechend 398 Druckseiten
Gliederung: 22 Kapitel – Epilog – Danksagung – Literaturliste – Anmerkung der Autorin
Erzählung in der dritten Person, größtenteils aus der Perspektive von Lene Lehmann
Handlungsort und -zeit: Schöneberg (Berlin), 1916
Inhalt
Lene Lehmann stammt aus einfachen Verhältnissen, doch eine gutsituierte Familie, für die ihre verwitwete Mutter arbeitete, hat es ihr ermöglicht, das Lyzeum zu besuchen und sich anschließend als Lehrerin für Deutsch, Handarbeiten und Zeichnen ausbilden zu lassen. Da sich viele männliche Lehrkräfte während des Ersten Weltkriegs an der Front befinden, bzw. bereits gefallen sind, werden an den Schulen Frauen als Vertretungslehrerinnen und auch als festangestellte Lehrkräfte benötigt.
Während Lene mit Freude und pädagogischem Engagement ihrer Arbeit an der Schöneberger Mädchenschule nachgeht, muss ihr Verlobter Paul in den Krieg ziehen. Der geplanten Heirat sieht sie allerdings mit gemischten Gefühlen entgegen, denn aufgrund des „Lehrerinnenzölibats“ müssen junge Frauen bei ihrer Eheschließung aus dem Schuldienst ausscheiden, da eine Unvereinbarkeit von Beruf und Ehe-/Familienleben angenommen wird. Lene und ihre Kolleginnen empören sich über diese Ungerechtigkeit und wollen beim Oberbürgermeister eine Petition einreichen, damit auch verheiratete Frauen weiter unterrichten dürfen.
Beurteilung
Der Roman thematisiert nicht ausschließlich die Regelung des Lehrerinnenzölibats, sondern gibt darüber hinaus einen sehr interessanten Einblick in das Leben der Deutschen an der Heimatfront während des Ersten Weltkriegs. Für die meisten Menschen ist der Alltag von Mangel und Lebensmittelknappheit geprägt, sie müssen hart arbeiten und oft durch verbotene Tauschgeschäfte auf dem Schwarzmarkt ihren kargen Lebensunterhalt aufbessern. Lediglich privilegierte Familien leben weiterhin sehr üppig und genießen das Nachtleben in teuren Lokalen. Lene gewinnt an der Seite des reichen Ferdinand von dem Hofe einen Einblick in das Leben der Reichen, erkennt aber schnell, dass sie nicht in diese glitzernde Welt gehört. Ihre Beziehung zu Paul wird jedoch durch dessen Traumatisierung und Kriegsversehrung überschattet, es fällt ihr schwer, sich in seine Lage zu versetzen und nachzuvollziehen, dass sein Stolz es nicht zulässt, sich von seiner Frau ernähren zu lassen. Die Autorin schildert die Mutlosigkeit und Depressionen des Kriegsheimkehrers sowie die zunächst mangelnde Empathie seiner Verlobten sehr eindringlich und realistisch, beide Charaktere sind gründlich ausgearbeitet und werden nicht idealisiert dargestellt.
Der Erzählstil des Romans ist sehr anschaulich und ungemein fesselnd, es scheint dem Leser fast unglaublich, mit welchen rechtlichen Nachteilen die Frauen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu kämpfen hatten. Der pompöse, selbstgefällige Schulleiter Frambosius steht als Repräsentant für die damalige Einstellung gegenüber berufstätigen Frauen, aber es gibt auch Männer, die neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen sind, hier repräsentiert durch Schönebergs Oberbürgermeister Alexander Dominicus.
Dem Roman ist eine Literaturliste angeschlossen, das Autorennachwort hätte gern noch umfassender sein dürfen.
Fazit
Ein fesselnder Roman, der interessante zeitgeschichtliche Einblicke in das Leben der Deutschen vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs bietet und dabei besonderes Augenmerk auf Frauen(un)rechte legt – sehr lesenswert!
9 Punkte