Abschied von Heloise

  • Die unsterbliche Liebe von Abaelard und Heloise: Er ist einer der größten Philosophen des 12. Jahrhunderts. Sie ist seine begabteste Schülerin. Er verführt sie, doch sie zeigt ihm, was Liebe ist ...



    Hallo Iris,


    ich habe mich schon getraut und das Buch von der Folie befreit :-)


    Der Text auf dem Buchrücken:


    "Denn mein Herz ist nicht bei mir, sondern bei Dir,
    und wenn es nicht bei Dir ist, ist es nirgendwo."


    klingt schon mal vielversprechend.



    Ansonsten habe ich bisher nur das Nachwort geschafft (S. 354),
    in dem der Autor auch auf das ewige Thema " Historiker verschmähen
    den historischen Roman..." eingeht und ich bin gespannt, wie ihm dieses
    "Doch ich wollte nur einen Roman schreiben, sonst nichts" gelungen ist.
    Für dich ist das Nachwort sicher besonders interessant; mich macht es
    erst recht neugierig.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Tröste dich, ich hab bisher auch nur das Nachwort gelesen, aber das war tatsächlich sehr aufschlußreich.


    »Einen Roman zu schreiben, der sich an realen, zur Legende gewordenen Personen inspiriert, ist ein Vorhaben, bei dem der anfängliche Enthusiasmus rasch einem Gefühl von Mutlosigkeit weicht. Wie stellt man es an, Personen „zum Leben zu erwecken”, denen bereits jahrhundertealte Träume und Illusionen, Hoffnungen und Phantasmen innewohnen?«


    Wie ich das kenne, dieses Verzagen vor dem Thema und den Figuren! Da fühle ich mich gleich verstanden. :-)


    Schon der Stil des Nachworts versprich Lesevergnügen, zumal mir eine Freundin, die in Frankreich lebt, sagte, daß es im romanischen Sprachraum eine sehr starke Tradition des historischen Romans in der "gehobenen (anspruchsvollen) Unterhaltung" gibt.

  • Schön, dass du auch zuerst das Nachwort liest, denn ich hatte
    schon Bedenken, ob ich etwas verraten hatte, aber ich dachte
    schon, dass dir seine Aussagen gefallen.
    Lust auf mehr macht es unbedingt.


    Leider komme ich nicht dazu und ich frage ich mich, wozu man eigentlich
    Urlaub hat, wenn man doch nicht zum Lesen kommt. :fetch


    Über den Prolog bin ich noch nicht hinweg, aber die Sprache gefällt
    mir bisher ausgezeichnet, wie z.B. "Es war nicht das Wutgeschrei
    unzähliger Dämonen, die sich um eine Seele zankten..." oder auch
    "In seinem breiten Gesicht tummeln sich Nase, Augen und Mund
    ohne scheinbare Ordnung, und doch ist seine Hässlichkeit nicht
    ohne Anmut."


    Auch das Zitat gleich zu Beginn "Je tiefer das Wissen..." gefällt mir,
    zumal ich das bestätigen kann.


    Ich hoffe, dass ich am Abend noch weiter lesen kann.


    :wave
    Kalypso

  • Immerhin bin ich inzwischen bis Seite 80 vorgedrungen:


    WER DAS BUCH NOCH NICHT GELESEN HAT, ABER DAS NOCH MÖCHTE,
    SOLLTE SPÄTESTENS HIER NICHT MEHR WEITERLESEN!


    Wir begleiten Wilhelm, "dem man jede Übersetzung aus dem Lateinischen auf dem Leib
    nachlesen konnte" und "der nur eine einzige Fähigkeit besaß, nämlich die zum Träumen"
    auf seiner Wanderschaft / Suche.
    Stutzen musste ich wie bei jedem Buch, in dem Passagen wie diese hier über
    Bernard: "Sie glaubten tatsächlich, man könnte aus Stein Honig fließen lassen.
    Sie würden sich ihm anschließen." vorkommen, denn dann stellen sich bei mir
    regelmäßig die Haare auf. Der Autor kann ja nichts dafür, dass es solche Menschen
    auch heute noch gibt, aber mir ist diese Tatsache zuwider.


    Die leise, aber lebendige Erzählweise " ...Die Armut hat nicht viele Gesichter..."
    wirkt auf mich wie ein schwarz/weiß-Film, der durch Heloises Auftritt im blauen
    Mantel dann farbig wird.
    Ohne Verwunderung stellt Wilhelm fest, dass er Heloise bereits liebte, bevor sie ihm
    je begegnet war.


    Armer Wilhelm, denn da ist ja noch Abaelard, der große Philosoph, der sich
    Bewunderung, Liebe oder Hass der Menschen zuzieht, weil er sie schlicht
    schwindelig redet; und der sich zunächst aus Heloise nichts zu machen scheint.
    Dann aber glaubt Abaelard Heloise zu brauchen. Er will sie nicht heiraten,
    sondern er will sie sich nehmen, aber er weiß nicht, wie er mit ihr darüber reden
    soll, denn über solche Dinge hat er noch nie geredet.


    Abaelard liebt also Heloise, ohne sie zu kennen und ohne zu wissen, was Liebe ist...



    Es fällt mir schwer, das Buch jetzt wieder wegzulegen, aber aufnahmefähig bin
    ich nicht mehr.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Da ich heute nacht nicht sonderlich viel geschlafen habe, bin ich auch ein gutes Stück weitergekommen.


    Mir geht 's genau wie dir: Erst mit Heloïses Auftreten wird das Bild farbig.


    Erzählerisch ist es knapp gehalten, aber Audouard bringt es fertig, in diese Knappheit eine Menge Kolorit zu packen. Ich habe zwar manchmal den Überblick verloren, wo wir uns gerade befanden, aber das kann durchaus an meiner Müdigkeit gelegen haben -- die Atmosphäre war jedenfalls da.


    Mir gefällt vor allem, wie er seinen Wilhelm die schöne und kluge Heloïse sehen läßt und wie er dessen Nöte schildert und der Bezug zum Hohelied, der für diese Zeit ja unbedingt vorausgesetzt werden muß.


    Leider kriegt man so wenig von Abaelards Denken mit -- ich habe Sic et non nicht nur im philosophiegeschichtlichen Zusammenhang ungeheuer spannend und "modern" gefunden. Dieser Abaelard wird zwar als revolutionärer Denker skizziert, aber irgendwie kommt für mich nicht rüber, was denn das Revolutionäre ist --- okay, mein spezielles Steckenpferd ...


    Insgesamt ein Roman, den ich gerne lese. Hoffentlich komme ich heute dazu!


    Ach ja: Großartig fand ich, wie Chrétien Wilhelm in ein wandelndes Buch verwandelt, indem er ihm Illuminationen des Hoheliedes auf die Haut pinselt. Wenn man bedenkt, daß Pergament speziell behandelte dünne Tierhaut ist ...

  • Zitat

    Original von Iris
    Ach ja: Großartig fand ich, wie Chrétien Wilhelm in ein wandelndes Buch verwandelt, indem er ihm Illuminationen des Hoheliedes auf die Haut pinselt. Wenn man bedenkt, daß Pergament speziell behandelte dünne Tierhaut ist ...


    Stimmt, ich empfinde das Buch insgesamt als sehr "voll", aber wenn ich zwischendurch
    alles aufschreiben würde, dann käme ich überhaupt nicht mehr zum Lesen.


    Abaelards Denken hätte mich auch interessiert.
    Möglicherweise kommt das noch - oder auch nicht. Wir werden sehen.


    Ansonsten gefällt mir das Buch bisher sehr gut.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Weiter bis Seite 179:


    Nach wie vor schreibt der Autor so dicht, dass ich das Buch immer noch ungern
    aus der Hand lege, aber man hat schließlich auch noch etwas anderes zu tun.


    Probleme habe ich trotzdem, denn ich weiß immer noch nicht viel über
    Abaelard und Heloise.
    Wie unschwer voraus zu ahnen hat er sie sich genommen. So weit so gut-
    aber ich verstehe diese Art der Liebe nicht. Ich weiß nicht, was die beiden
    "bewegt".
    Ist es Liebe, wenn er sie zwar heiratet, dies aber verheimlichen möchte?
    ist es Liebe, dass sie für ihn alles tut, sogar das gemeinsame Kind direkt
    nach der Entbindung im Stich lässt?
    Oder anders formuliert: Ich verstehe schon das Geschriebene, aber mir fehlt
    dazu das nötige Verständnis.


    Iris?


    Ich weiß momentan auch nicht, wie sich die Sache entwickeln wird, denn
    die "Verschneider von Schweinen" haben ihr Werk vollbracht... und ich
    muss heute unbedingt noch weiter lesen.



    Viele Grüße
    Kalypso

  • Habe das Buch heute beendet und obwohl Abaelard und Heloise sowie ihre
    Liebe bis auf wenige Szenen ziemlich blass wirkten, habe ich den Roman
    aufgrund der Sprachgewalt richtig genossen.
    Für mich wird dieses Buch als die Geschichte des Wilhelm in Erinnerung bleiben,
    denn als solche ist sie wirklich gut.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Iris, schämen musst dich doch dafür nicht.
    Dieses Buch kann man m.E. sowieso nur genießen, wenn man sich Ruhe dafür
    nimmt. ich habe selten für ein so relativ dünnes Buch so viel Zeit benötigt, da
    ich doch sehr viele Passagen erst mal "ziehen" lassen musste, bevor ich weiter
    lesen konnte.


    Deine Meinung zum Buch interessiert mich trotzdem.
    Das hat aber durchaus alle Zeit der Welt.


    Viele Grüße
    Kalsypso

  • Ich habe es schon vor einer Weile ausgelesen und erst einmal absitzen lassen.


    Sprachlich und erzählerisch fand ich es sehr schön, besonders den kleinen Umweg mit Chrétien und Gislebert habe ich genossen, zumal man Gislebert ja später wiedertraf, und den Aufbau des Paraklet im dritten Teil.


    Schön auch Abaelards Entwicklung, die schwierige, irgendwie einseitige Freundschaft zwischen Wilhelm und dem egozentrischen "Meister", der immer wieder über seinen eigenen Stolz stolpert.


    Die Beziehung zwischen Heloisa und Abaelard hingegen blieb mir fremd. Irgendwie erschien es mir äußerst modern konstruiert. Audouard erwähnt zwar die Ars amatoria Ovids als Impulsgeber für diese Liebe, zitiert sie sogar, aber er bringt deren Geist nicht zum Tragen. Auch Heloisas Argumentation gegen eine Heirat wirkt auf mich eher aufgesetzt. Er behauptet zwar, Heloisa sei Abaelards Schülerin gewesen, aber irgendwie ist sie nichts weiter als eine Geliebte, ein erotisches Spielzeug, für das Abaelard eine gewisse Verantwortung aufbringt. Und irgendwie wird sie dabei zu einem Klotz am Bein. Gut, dadurch stimmt ihre Argumentation wieder, aber es geht kein Handlungsimpuls von ihr aus, und dadurch funktioniert für mich diese Beziehung nicht. Denn dazu wird von ihr zu oft behauptet, wie großartig sie doch sei.


    Aber obwohl ich diesen Kritikpunkt ziemlich ausgewalzt habe, spielte das bei der Lektüre keine große Rolle. Dafür war Wilhelms Lebensweg einfach zu interessant, seine Schwierigkeiten und Konflikte schlichtweg brillant geschildert.
    Ich habe es sehr, sehr gerne gelesen, und es hallt sehr angenehm in mir nach, so daß ich gelegentlich immer noch blättere und einzelne Stellen nachlese.


    Übrigens hat mir auch die Aufmachung sehr gut gefallen, auch wenn mir das Papier einen Tick zu dick war -- aber wenigstens hatte es nicht diese "Löschpapierstruktur" von billigem Papier.