Eigentlich bin ich kein besonderer Freund von Reiseliteratur. Die episodische Erzählweise dieses Genres ist anstrengend, es entsteht nicht selten der Eindruck des Unzusammenhängenden, man wird von einer Vielzahl von Namen erschlagen und muss eigentlich die ganze Lektüre über höchste Konzentration bewahren.
All dies trifft tatsächlich auch für Tim Mackintosh-Smiths Travels with a Tangerine zu, in dem der Autor dem Kurs des mittelaterlichen maghrebinischen Reisenden Ibn Battutah folgt und dabei von Tanger ausgehend Nordafrika, Oman, die Türkei und die Krim besucht; (an die heiligen Stätten des Islam, nach Mekka und Medina, darf der Christ seinem islamischen Vorbild offenbar nicht folgen - eine Tatsache, die mir so nicht bewusst war).
Trotz aller Befürchtungen im Vorfeld: Ich habe die Lektüre sehr genossen.
Mackintosh-Smith gelingt es in einem sehr persönlichen und sehr unprätentiösen Ton seine Erlebnisse zu schildern. Alltägliche Anekdoten werden sehr sympathisch und immer mit einem Augenzwinkern zum Besten gegeben. Wenn man sich auch häufig in den vielen Namen von Orten und Menschen verliert, gelingt es Mackintosh-Smith immer wieder durch den Blick für die Einheimischen oder auch für andere Reisende, denen er begegnet, und die häufig aus ganz anderen Gründen reisen als der sehr belesene Arabist selbst, den Leser wieder abzuholen. Ibn Battutah, der von Mackintosh-Smith die ganze Zeit liebevoll IB abgekürzt wird, bleibt dabei kein bloßer Name, häufig vermischen sich die Erlebnisse des mittealterlichen und des neuzeitlichen Reisenden auf eine Weise, die fast den Anschein erweckt, sie seien gemeinsam unterwegs.
Mackintosh-Smith beweist stets großes Fingerspitzengefühl im Umgang mit einer Welt, die er als jemand, der seit über 15 Jahren im jemenitischen Sana'a lebt, zwar durchaus kennt, zu der er aber nicht vollständig gehört. So wird ihm im Laufe seiner Reise immer wieder die Frage gestellt, ob er Muslim sei. Die offene negative Antwort erzeugt sehr unterschiedliche Reaktionen, nie wirklich Feindseligkeit, manchmal aber eine Distanzierung, oft unerwartete Herzlichkeit und Toleranz.
Mackintosh-Smith zeichnet so ein Bild großer Gemeinsamkeit, indem er zB ganz selbstverständlich schildert, wie er zwischen betenden Muslimen auf eine Transportmöglichkeit zu einem bestimmten Heiligenschrein wartet und wie sich diese Notgemeinschaft ganz rührend und vorurteilslos zusammenfindet.
Nicht zuletzt trägt auch Mackintosh-Smiths Humor dazu bei, dass die Travels zum Lesevergnügen werden. Wenn er bei einer religiösen Veranstaltung einen Ehrenplatz neben dem spirituellen Oberhaupt zugewiesen bekommt, dann aber lange damit beschäftigt ist, seine durch den Genuss einer rohen Zwiebel rumorenden Därme im Zaum zu halten, wenn er sich mit einem türkischen Travestiekünstler, dessen unmoralisches Angebot er gerade zurückgewiesen hat, bei einer Flasche Raki über die Schwierigkeiten unterhält, das Vorhandenseins eines Busens vorzutäuschen, dann bleibt nie der Eindruck von Klamauk oder aber zu steifer Ernsthaftigkeit zurück, sondern immer der von tief empfundenem menschlichen Respekt.
In einer Zeit, in der vom Islam häufig nur eine fanatisierte Minderheit wahrgenommen wird, gelingt es Mackintosh-Smith die Individualität einer Welt hervorzuheben, die - wie jede andere - ihre Unsympathen und ihre Sympathieträger hat, ihre Bürokraten und ihre Outlaws.
Mackintosh-Smiths wunderbarer Einblick in eine viel zu unbekannte Welt verdient viele Leser und einen klaren Daumen hoch.
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