'Underground Railroad' - Seiten 331 - Ende

  • Habe das Buch gestern Abend eher unzufrieden beendet. Dass Cora ihr Leben in die eigenen Hände nimmt, wie Carlinda im anderen Thread geschrieben hatte, sehe ich nicht wirklich. Hängt sie sich nicht wiederum nur an einen Mann dran? Und wird das diesmal gutgehen? Immerhin war das Muster ja bisher: An einen Mann dranhängen - ein Stück weiterkommen mit der Flucht - sich unbedachterweise im jeweiligen Status Quo einrichten, einlullen lassen - eine neue Katastrophe bricht herein, im Zuge derer stirbt der Mann - das Ganze von vorne. Vielleicht sehe ich das jetzt zu salopp, vielleicht will der Autor auch gerade zeigen, dass sie ihrem Muster treu bleibt, denn ist das neue verheißene Land am Ende wirklich so verheißungsvoll? Wir erfahren es nicht, das Buch ist zu Ende. Für mich kein wirklicher Abschluss. Halt wieder ein Aufbruch in eine diesmal hoffentlich wirklich freie Zukunft. Ich hätte aber gern auch noch von Coras Ankunft dort gelesen.

  • Für mich ist der letzte Abschnitt auch eher bitter - wir erfahren zwar, was Mabel wirklich zugestoßen ist. Cora wird es aber nie erfahren und für immer mit dem Gedanken leben müssen, dass ihre Mutter sie freiwillig verlassen hat.


    Als Fazit des Buches bleibt mir: Freiheit für Sklaven gab es nur im Tod. So traurig es auch ist.

  • Mabels Ende hat mir auch zugesetzt. Und vor allem dieser jahrelange, tiefe und bittere Hass von Cora auf ihre Mutter. Ja, Mabel ist ohne sie losgezogen, und das kann ich auch nicht nachvollziehen und verstehe Coras Gefühle. Dass Mabel es bereut hat und zurückkehren wollte, wird Cora nie erfahren. Allerdings verstehe ich auch nicht, dass Ridgeway nach all den Jahren noch so erbittert nach Mabel sucht. Sie wäre doch bestimmt nicht die einzige Sklavin, die die gefährliche Flucht durch die Sümpfe das Leben gekostet hätte?!

  • Hier noch zwei Rezis, die u.a. der Frage nach der Notwendigkeit der Erfindung einer echten Eisenbahn im Roman nachgehen und in diesem Gedanken auch eher eine Schwäche des Buches sehen:


    https://www.zeit.de/2017/34/un…rzaehlung/komplettansicht


    https://www.sueddeutsche.de/ku…-geraubtes-land-1.3637334


    Ich persönlich hätte auch lieber mehr über die tatsächlichen Strukturen des Netzwerkes Underground Railroad erfahren und nichts über nie existierende weiß gekachelte Bahnstationen tief im Erdreich gelesen.

  • Danke Dir.


    Habe den letzten Abschnitt vorgestern gehört und mir die gleichen Fragen notiert.


    Gut recherchiert, meist glaubwürdige Figuren usw., keine Frage.


    Aber weder dieses fiktive North Carolina noch den meiner Meinung nach unglaubwürdigen Underground Railway hätte ich gebraucht. Die Station mit den weißen Kacheln so genau zu beschreiben, ok, damit man sich die Umgebung vorstellen kann. Aber dass solche Strecken wirklich hätten gebaut und betrieben werden können, ohne dass sie ständig entdeckt werden? Wohin hätte das ganze Erdreich hingesollt? Und als ob niemand Erschütterungen durch die fahrenden Züge gespürt hätte? Sicherlich wird ab und zu erwähnt, dass Strecken/Stationen geschlossen werden. Aber.... irgendwie... von Hand so lange Tunnel?


    Dafür hätte auch mich das echte Netzwerk der Retter interessiert.


    Das fiktive North Carolina finde ich eine interessante Idee für ein eigenes Buch, aber nich so kurz abgehandelt ohne Infos über das weitere Leben dort und ob die anderen Staaten sich das alles dauerhaft so gefallen lassen, dass alle Einwanderer aus der alten Welt umgeleitet bzw. abgeworben werden.


    Cora tut mir sehr leid. Sie wird nie erfahren, dass ihre Mutter sie niemals alleine zurückgelassen hätte und so wird sie ihr nie verzeihen können bzw. dauerhaft diesen Hass und die Verletzung empfinden. Echte Freiheit, ob sie die kennenlernen wird und auch innerlich? Ich sehe es (noch) nicht so, dass sie sich wieder an einen Mann hängt, denn dieser scheint deutlich älter zu sein als sie und bietet erstmal eine relativ sichere Reisebegleitung. Alleine zu Fuß weiter ist eher unrealistisch.


    Sehr gelungen die Darstellung der verschiedensten Perspektiven durch die Figuren, von denen leider (in einigen Fällen zum Glück) wenige bis zum Ende überlebt haben.


    Immerhin hat sie Lesen und Schreiben gelernt, von ihren verschiedenen Rettern einiges gelernt. Genau das würde ihr ein Leben in Gefangenschaft wohl völlig unmöglich machen.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • Mabels Ende hat mir auch zugesetzt. Und vor allem dieser jahrelange, tiefe und bittere Hass von Cora auf ihre Mutter. Ja, Mabel ist ohne sie losgezogen, und das kann ich auch nicht nachvollziehen und verstehe Coras Gefühle. Dass Mabel es bereut hat und zurückkehren wollte, wird Cora nie erfahren. Allerdings verstehe ich auch nicht, dass Ridgeway nach all den Jahren noch so erbittert nach Mabel sucht. Sie wäre doch bestimmt nicht die einzige Sklavin, die die gefährliche Flucht durch die Sümpfe das Leben gekostet hätte?!

    Aber Ich glaube, das ist der eine Fall der in Erinnerung bleibt. Sowie mir im Berufsleben bestimmte Sachen noch lange in Erinnerung geblieben sind oder Menschen.


    Und Mabel war die erste die er nicht finden konnte, und noch dazu eine Frau , das war für ihn glaube ich das schlimmste .

  • Aber Ich glaube, das ist der eine Fall der in Erinnerung bleibt. Sowie mir im Berufsleben bestimmte Sachen noch lange in Erinnerung geblieben sind oder Menschen.


    Und Mabel war die erste die er nicht finden konnte, und noch dazu eine Frau , das war für ihn glaube ich das schlimmste .

    Genau so habe ich das auch empfunden. Weil er nicht weiß, wohin/wie sie verschwunden ist und es für ihn um seine Ehre geht. Eine Sklavin, die er nicht finden konnte - das muss dann ihre Tochter ausbaden, die ihm ja auch lange und mehrmals entwischt ist.

    Seine zunehmende Verbissenheit auf der Suche nach Cora wirkte auf mich sehr glaubwürdig.


    Wobei ich auch verstehen kann, dass Mabel zuerst alleine austesten wollte, ob man entkommen kann, ohne ihre Tochter in Gefahr zu bringen. Sie hat nicht damit gerechnet, so auf dem Rückweg zu sterben.


    Auf der einen Seite finde ich es gut, dass Mabels Schicksal nicht offen blieb. Auf der anderen Seite würde man es Cora so gerne mitteilen und es macht alles noch bitterer. Zumal der Bürgerkrieg (und die folgende Abschaffung der Sklaverei) noch Jahrzehnte in der Zukunft liegt, für Cora vermutlich zu weit weg.


    In einem anderen Forum wurde "In Search of Our Roots" empfohlen, in dem es um die Ahnenforschung von Nachkommen der amerikanischen Sklaven geht. Eine deutsche Ausgabe konnte ich leider nicht finden.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • Beides sehr interessant, danke für die Links!


    Ich habe auch überlegt, ob man diese unrealistischerweise ins Reale versetzten Eisenbahn als Magischen Realismus bezeichnen kann. Es kommt halt auf die Funktion des Ganzen im Buch an und ich bin mir in diesem Fall nicht so sicher, ob ich das so wahrnehmen möchte, auch wenn der Autor selbst das gern so hätte. :grin

    In so einem Licht betrachtet, ordnen sich natürlich auch die Anachronismen (technische Details der Eisenbahnen, die Existenz von Aufzügen, die eugenischen Programme etc.) und die Anspielung auf Anne Frank anders in meine Wahrnehmung ein. Was auch hier noch nicht heißt, dass ich diese Vermischungen gut finde. Darüber muss ich noch ein bisschen nachdenken.


    Die im zweiten verlinkten Artikel kritisierten belehrend anmutenden Passagen haben mich bei der Lektüre z.T. auch gestört, z.T. in einem positiven Sinne nachdenklich gestimmt. Die jeweiligen Themen verdienen sicher jede kritische, gern auch mal überspitzte Reflexion. Aber der Umstand, dass hier den handelnden Figuren allzu oft Gedanken und Worte in den Mund gelegt werden, die eigentlich nicht zu ihrer jeweiligen Reflexionsebene passen und eher den pädagogischen Ambitionen des Autors geschuldet sind, hat mich auch gestört. Andererseits habe ich jetzt auch keine Idee, wie er sein Anliegen anders hätte verpacken können. Reflexionen über eine Epoche, wie sie eigentlich erst im Nachgang entstehen können, in die Epoche selbst und ihre ProtagonistInnen zu verlagern, sollte RomanautorInnen ja durchaus gestattet sein. :gruebel Da gibt es vielleicht eine Grenze zwischen dem, was man als LeserIn durchgehen lässt, und dem Punkt, ab wann es zu dick aufgetragen ist, die jedeR unterschiedlich wahrnimmt. Ich sehe das weniger problematisch als der Autor des zweiten Artikels, kann aber die Richtung seiner Kritik durchaus nachvollziehen.

  • Ein Ende, das meiner Meinung nach perfekt zu diesem Buch passt. Die Geschichte wurde zwar in die Zeit der Sklaverei in den USA gelegt. Und auch wenn mich die richtige Eisenbahn anfangs irritiert hat, rückblickend betrachtet finde ich das eine richtig gute Idee. Da es technisch gar nicht möglich ist so ein Netzwerk aufzubauen, ist klar dass es Whitehead mit der historischen Genauigkeit etwas wage hält. Und so schafft er es mit einer Vermischung von Gräueltaten und kleinen Hoffnungsschimmern, einem Großteil von schlechten und wenig echten hilfsbereiten Menschen eine großartigen Roman über Hass, Unmenschlichkeit und Unterdrückung zu schreiben, der für jede Epoche zählt. Und damit ist der Roman für mich herausragend.


    Es hat allerdings etwas gedauert es so zu sehen, meine Erwartungshaltung war eine andere. Anfangs hatte ich gehofft, genaueres über dieses Netzwerk der Underground Railroad zu erfahren.

  • Ich hätte es vorgezogen, die railroad als das vorgestellt zu bekommen, was sie war - ein Netzwerk aus hilfsbereiten Menschen.

    Es ist einfach eine andere Ebene, das auf eine technische Ebene zu verlagern und ich finde, es gibt dafür keine echte Rechtfertigung.


    Bei den kritischen Reflexionen bin ich eher unentschieden - kann man schon machen, hat mich hier auch nicht wirklich gestört. Man kann so etwas ohne Brücher eigentlich nur über einen Erzähler machen, der über den Dingen steht.

  • Ein Ende, das meiner Meinung nach perfekt zu diesem Buch passt. Die Geschichte wurde zwar in die Zeit der Sklaverei in den USA gelegt. Und auch wenn mich die richtige Eisenbahn anfangs irritiert hat, rückblickend betrachtet finde ich das eine richtig gute Idee. Da es technisch gar nicht möglich ist so ein Netzwerk aufzubauen, ist klar dass es Whitehead mit der historischen Genauigkeit etwas wage hält. Und so schafft er es mit einer Vermischung von Gräueltaten und kleinen Hoffnungsschimmern, einem Großteil von schlechten und wenig echten hilfsbereiten Menschen eine großartigen Roman über Hass, Unmenschlichkeit und Unterdrückung zu schreiben, der für jede Epoche zählt. Und damit ist der Roman für mich herausragend.


    Es hat allerdings etwas gedauert es so zu sehen, meine Erwartungshaltung war eine andere. Anfangs hatte ich gehofft, genaueres über dieses Netzwerk der Underground Railroad zu erfahren.

    Das unterschreibe ich einfach mal so für mich, weil ich es genauso sehe und nicht so gut hätte ausdrücken können. ;)

  • Für mich ist der letzte Abschnitt auch eher bitter - wir erfahren zwar, was Mabel wirklich zugestoßen ist. Cora wird es aber nie erfahren und für immer mit dem Gedanken leben müssen, dass ihre Mutter sie freiwillig verlassen hat.


    Als Fazit des Buches bleibt mir: Freiheit für Sklaven gab es nur im Tod. So traurig es auch ist.

    Für mich ist das Ende eher hoffnungsvoll. Überhaupt bewundere ich Cora dafür, dass sie immer wieder aufsteht, sich immer wieder auf den Weg macht. Ich sehe als einzigen Motor die Hoffnung auf Freiheit, die ihr die Kraft gibt, ihren Weg weiterzugehen. Ich bin sicher, dass sie es schafft.

    Dass Cora ihr Leben in die eigenen Hände nimmt, wie Carlinda im anderen Thread geschrieben hatte, sehe ich nicht wirklich. Hängt sie sich nicht wiederum nur an einen Mann dran? Und wird das diesmal gutgehen? Immerhin war das Muster ja bisher: An einen Mann dranhängen - ein Stück weiterkommen mit der Flucht - sich unbedachterweise im jeweiligen Status Quo einrichten, einlullen lassen - eine neue Katastrophe bricht herein, im Zuge derer stirbt der Mann - das Ganze von vorne.

    Das sehe ich nicht so. Ich sehe die Männer eher als Fluchtpartner, das hätten auch Frauen sein können. Es kommt ja ganz deutlich heraus, dass Caesar ohne Cora überhaupt nicht geflohen wäre, weil sie stark auf ihn wirkte. Sie hat schon auch sehr zur Flucht beigetragen. Zu zweit zu fliehen war außerdem sehr klug.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zu dem Punkt, dass Whitehead die "Underground Railroad" in eine andere Ebene gehoben hat, möchte ich noch sagen, dass mir dieser Kniff sehr gefallen hat. Allerdings kannte ich auch das Buch nicht , bevor ich eure Leserunde geseheh habe, hatte also auch keine Erwartungen.

    Für mich hat er dadurch das Augenmerk über die historische "Underground Railroad" hinaus auf "Entmenschlichung" überhaupt in allen Zeiten und Epochen gelegt. Dadurch ist die Handlung weg von der einen "Railroad" hin zu vielen Stationen der Sklaverei, des Rassenhasses, der Unterdrückung in der Geschichte der Menschheit geworden. Wenn man sich die politische Entwicklung in Europa und in den USA betrachtet, ist das Aufflammen dieses Hasses wieder so nah.

    Ich habe natürlich schon andere Bücher gelesen, in denen die Sklaverei in den USA thamtisiert wurde, aber nie ist mir dieser unbändige Hass und das Selbstverständnis, sich über andere Menschen zu erheben, sie zu demütigen, zu jagen und zu töten, so klar vor Augen geführt worden. Mir wurde beim Lesen schlecht vor Abscheu und Ekel.

    Der Wechsel der Perspektiven und das Einfühlen in die Sichtweise Coras, aber auch das Eindenken in die Sichtweise der "Eigentümer" war für mich erschütternd. Das hat Whitehead sehr gut gemacht.

    Ich bin sehr froh, dass ich dieses Buch gelesen habe. Danke an euch! :knuddel1

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin