Zauberhaft

  • So machte das einfach keinen Spaß mehr. Jede Nacht grauste es Margot schon vor dem nächsten Morgen und jedem Montag sah sie mit Schrecken entgegen. Sie kamen einfach nicht miteinander klar, Claudia und sie. Sie waren so grundverschiedene Menschen, daß ein Auskommen selbst bei allem guten Willen nicht möglich war. Sie zumindest zeigte guten Willen, so zickig wie Claudia sich allerdings meist benahm, war sie sich da nicht so sicher.


    Sie hatte lange genug gelitten. Jetzt musste etwas passieren. Keiner ihrer Wünsche war in Erfüllung gegangen: Weder hatte sich ein reicher, toller Mann gefunden, der ihre Kollegin vom Fleck weg in eine weit entfernte Stadt weggeheiratet hätte, noch war einem von ihnen beiden die Lottofee hold gewesen.


    So hatte sie zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen. Heimlich und verstohlen hatte sie sich in der Buchhandlung am Marktplatz ein Hexenbuch gekauft. Angeblich sollte so etwas ja wirken, wenn man nur fest genug dran glaubte. Tatsächlich gab es auch einen Trank, der jemand anderen auf irgend eine Art und Weise ganz weit weg „zaubern“ sollte. Eigentlich war dieser Trank in erster Linie dazu gedacht, unangenehme Exliebhaber aus seinem Leben zu entfernen, aber in irgend einer Art und Weise, war Claudia ja auch eine unangenehme Ex-Beziehung...


    Der Trank, dessen Zutaten sauteuer und schwer zu besorgen waren, war ein ausgemachter Flop gewesen. Zwar gelang es Margot, unauffällig die geforderte Dosis in Claudias Kaffee zu kippen, als diese kurz das Büro verließ – aber mehr als eine Magenverstimmung bewirkte er leider nicht. Das war auch noch ein Eigentor gewesen, denn sie musste die verhasste Kollegin während derer Krankheit auch noch vertreten.


    Eine Zeitlang ertrug sie nun wieder die miese Stimmung im Büro, aber nach einer Weile war wieder etwas, das den Krug zum Überlaufen brachte. Etwas musste passieren.


    Wieder stöberte sie in der Buchhandlung herum. Schlaue Ratgeber zur Konfliktbewältigung hatte sie bereits mehrere durchgeackert und ihr Wissen auf die Kollegin angewandt... aber die schien gegen so etwas resistent zu sein. Die Hexerei hatte auch nix genützt. Jetzt mussten richtig schwere Geschütze her. DA! Sie stieß einen hörbaren Seufzer aus. Da war die Lösung: ein Voodoo-Ratgeber!


    Noch am selben Abend bastelte sie nach Anleitung ein Voodoopüppchen, das ihre Kollegin darstellen sollte. Mit gemeiner Freude bastelte sie die Puppe extra noch ein wenig moppeliger, als die Kollegin so und so schon war.


    Persönliche Gegenstände von ihr zu bekommen, war da schon schwerer. Abends blieb sie extra länger, um aus dem Kamm, den Claudia stets in ihrem Schreibtisch deponierte, ein paar Haare zu fieseln. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, als sie auch noch einen Nagelknipser entdeckte, in dem noch ein abgeschnittener Fingernagel hing. Voller Ekel fischte sie auch noch ein benutztes Tempo aus dem Abfall, war aber hochzufrieden mit ihrer reichen Ausbeute.


    Abends, als die Sonne untergegangen war, begann sie mit den Ritualen und Sprüchen. Zum Ausprobieren piekte sie nur mit einer der gekauften Nadeln genau in die Mitte der Nasenspitze der Puppe. Gespannt wartete sie ab, was wohl passieren würde.


    Am nächsten Tag konnte sie es kaum erwarten, ins Büro zu kommen. Endlich erschien auch Claudia – mit einem riesengroßen Pickel mitten auf der Nase, der so groß war, daß er quasi das ganze Gesicht beleuchtete. Margot kicherte in sich hinein.


    In der folgenden Nacht, stach sie alle Nadeln, die sie hatte, in die Nase der Voodoopuppe. Am nächsten Tag blühte auf Claudias Nase ein Pickel neben dem anderen. Man sah vor lauter Pickeln schon gar keine Nase mehr. Margot war zwar amüsiert, aber dennoch etwas enttäuscht. Irgendwie hatte sie sich mehr von dieser Voodoo-Sache erwartet, als nur ein paar harmlose Pickel. Beim Aufräumen der Voodoo-Sachen stach sie sich zu allem Ärger auch noch selbst in den Zeigefinger.


    Am nächsten Tag war Claudia krank und am übernächsten auch. Erst nach drei Tagen erschien sie wieder, die Hand dick verbunden und erzählte, daß sie von einem Insekt in den rechten Zeigefinger gestochen wurde und zum Notarzt musste, weil sie stark allergisch darauf reagiert hatte.


    Ein paar Wochen später – an einem langweiligen Wochenende – beschloss Margot, gründliches Großreinemachen sei wieder einmal angesagt. Dabei mistete sie auch den ganzen Ratgeber- und Voodookram aus. Beide Arme voller Krempel ging sie die Treppe hinunter zum Abfalleimer. Ganz oben hatte sie noch die Voodoopuppe auf den Stapel gelegt, die sie mit den Zähnen festhielt, damit diese nicht hinunterrutschte.


    Sie war so vollbeladen, daß sie nicht sah, wo sie hintrat. An der dritten Stufe passierte es... sie verpasste die Stufe und stürzte die ganze Treppe hinunter.


    Als sie wieder erwachte, lag sie in einem fremden Bett, mit eingebundenem Kopf und Gips an rechtem Arm und Bein. Sie hatte mörderische Kopfschmerzen und konnte sich kaum mehr an etwas erinnern. Aber die netten Krankenschwestern klärten sie rasch darüber auf, was sie ins Krankenhaus geführt hatte.


    Eine Woche später bekam sie dann netten Besuch aus der Arbeit: Ihr Chef kam mit einem Blumenstrauß und wünschte ihr gute Besserung, auch von den Kollegen.


    Nach einer Weile Smalltalk druckste er herum und eröffnete ihr schließlich die schlimmen Neuigkeiten: An dem Wochenende, als sie die Treppe herunterfiel, sei auch ihre Kollegin Claudia verunglückt. Sie sei beim Bergsteigen aus großer Höhe abgestürzt, hieß es. Als man sie gefunden hatte, waren wohl schon die Tiere an ihr gewesen, wie eindeutige Bissspuren zeigten...

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Klasse Geschichte... Gefällt mir wirklich sehr gut... :-]


    Vor allem da ich im RL Claudia heiße und tatsächliche eine nicht allzu geliebte Kollegin namens Margot hatte... :lache

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Naja, unter "zauberhaft" hatte ich mir zuerst etwas anderes vorgestellt, aber so kann man es ja auch auslegen :-) Schöne Geschichte (Geschichte? ääh... geli lässt Batty nie an ihren Kamm :grin)


    Ich hätte das Buch dann übrigens auch gern :lache

  • Batty :grin :grin


    Idgie, geli


    Ich würde euch meines ja kopieren, aber als Kopie funktioniert es nicht.
    Wir könnten uns höchstens beim nächsten Neumond um Mitternacht treffen und es abschreiben. Aber ich warne euch, die Preise für Fledermausblut haben wahnsinnig angezogen in den letzten Monaten. Es ist unglaublich, was sich der Handel neuerdings erlaubt... :fetch

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Morgana
    Vor allem da ich im RL Claudia heiße und tatsächliche eine nicht allzu geliebte Kollegin namens Margot hatte... :lache


    Ich sags nur ungern... aber lies die Geschichte nochmal genauer durch. Dummerweise ist Claudia die Böse :-).

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von magali
    Ich würde euch meines ja kopieren, aber als Kopie funktioniert es nicht ...
    die Preise für Fledermausblut haben wahnsinnig angezogen in den letzten Monaten.


    Streitet Euch nicht, Mädels... es sind genug Bücher für alle da. Siehe unten. :grin Allerdings funktionieren selbstgebastelte Puppen besser als dieser industriegefertigte Krempel.


    Und was das Fledermausblut angeht... ich habe noch ein Fäßchen im Keller. Ich habe mich noch rechtzeitig bevorratet, als sich die Preiserhöhungen bereits abzeichneten. Wer also was braucht... PN genügt. :lache

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Ich habe jetzt drei Wochen Urlaub, also Zeit genug, sich vom täglichen Anblick unliebsamer Kollegen zu erholen, oder die von mir. :grin


    Wenn es danach in gewohnter Manier weitergeht, komme ich auf Puppe, Buch und Blut zurück!

  • Zitat

    Original von Batcat


    Ich sags nur ungern... aber lies die Geschichte nochmal genauer durch. Dummerweise ist Claudia die Böse :-).


    DAS habe ich jetzt aus Deiner Geschichte nicht herausgelesen, dass dies tatsächlich so ist. Margot sieht das zwar so, aber das muss ja nicht stimmen... :grin


    Außerdem wer fängt denn mit dem Vodoo an? Margot oder Claudia? Siehste... Also ist Margot die Böse und Claudia das arme Opfer... :grin

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat