Thomas Mullen: Darktown

  • ASIN/ISBN: 3832183531

    Thomas Mullen: Darktown

    DuMont Buchverlag 12.11.2018. 480 Seiten

    ISBN-10: 3832183531

    ISBN-13: 978-3832183530. 24€

    Originaltitel: Darktown

    Übersetzer: Berni Mayer


    Verlagstext

    Atlanta, 1948: Auf Druck von oben sieht sich das Police Department gezwungen, die erste Einheit farbiger Polizisten in seiner Geschichte aufzustellen. Acht Männer, die in »Darktown«, dem streng abgegrenzten Viertel der farbigen Einwohner, für Recht und Ordnung sorgen sollen. Die Situation ist alles andere als einfach: Ihre weißen Kollegen begegnen den Beamten mit tiefer Feindseligkeit. Sie dürfen nicht vom Polizeipräsidium aus arbeiten, haben keine Erlaubnis, weiße Verdächtige zu verhaften. Und selbst die farbige Bevölkerung begegnet ihnen mit Misstrauen. Als eine junge farbige Frau tot aufgefunden wird, scheint das niemanden zu interessieren – bis auf Lucius Boggs und Tommy Smith, zwei Cops der neuen Einheit, die sich gemeinsam auf die Suche nach der Wahrheit machen. Zwischen zwielichtigen Alkoholschmugglern, scheinheiligen Puffmüttern, korrupten Gesetzeshütern und unter permanenter rassistischer Unterdrückung riskieren Boggs und Smith ihre neuen Jobs – und ihr Leben –, um den Fall zu lösen.

    ›Darktown‹ ist ein hochatmosphärisches, komplex erzähltes und mitreißendes Krimi-Epos, eine kluge literarische Erkundung der Themen Rassismus, Korruption und Gerechtigkeit.


    Der Autor

    Thomas Mullen wurde 1974 in Rhode Island geboren. Er ist der Autor mehrerer Romane, darunter ›The Last Town on Earth‹ (2006), für den er den James Fenimore Cooper Prize erhielt. ›Darktown‹ stand auf der Shortlist für den Los Angeles Times Book Prize, den Southern Book Prize und den Indies Choice Book Award, außerdem war der Roman für zwei CWA Dagger Awards nominiert. Thomas Mullen lebt mit seiner Familie in Atlanta.


    Die Serie

    1. Darktown (2018)

    2. Lightning Men (engl. 2017)


    Historischer Hintergrund

    Atalantas erste schwarze Polizisten

    Ende der Rassentrennung


    Inhalt

    Es war ein simples Fischen nach Wählerstimmen, als der Bürgermeisterkandidat William B. Hartsfield 1948 der Bevölkerung von Atlanta schwarze Streifenpolizisten im Tausch gegen die Stimmen der Schwarzen bei seiner Wiederwahl versprach. Acht „Negro Cops“ werden daraufhin eingestellt in einem Land, das erst 1964 per Gesetz die Rassentrennung abschafft. In ihrem Revier Darktown gab es bisher keine Straßenbeleuchtung, keine Müllabfuhr – und natürlich keine Streifenpolizisten. Die neuen Cops sind die Putzkolonne, damit das Department sich bei Straftaten gegen Schwarze nicht mehr die Finger schmutzig machen muss. Bisher war es für die Polizei nach Gewalttaten an Schwarzen selten nötig, Beweise zu sammeln und den Täter zu überführen. Hauptsache, einen Schuldigen vorweisen können, der sich nicht zur Wehr setzen kann. Gewalt gegen Zeugen und Verdächtige durch weiße Polizisten war an der Tagesordnung.


    Lucius Boggs und seine Kollegen sind anfangs noch Amateure, und ihre weißen Kollegen wollen sie so schnell wie möglich wieder loswerden. Sie haben kein Dienstfahrzeug und kein Schießtraining; sie werden mit ihrer Dienststelle in irgendeinen Keller ausgelagert und dürfen vor allem außerhalb der Dienstzeit keine Uniform tragen. Die Uniform war ein wunder Punkt der Weißen im tiefen Süden der USA. Tommy Smith‘ Vater als hoch dekorierter Kriegsveteran wurde noch gelyncht, weil die Ehrung Schwarzer Soldaten in Uniform dem rassistischen Süden nicht zumutbar war. Lucius Boggs Vater hatte als Kind sogar noch Pogrome gegen Schwarze erlebt.


    Als eine junge schwarze Frau tot aufgefunden wird, die kurz zuvor noch im Auto eines Weißen gesehen wurde, entfaltet sich die ganze Absurdität einer nach Hautfarben gespaltenen Stadt. Auch wenn Schwarz und Weiß in streng getrennten Wohnvierteln leben, scheint die Rassentrennung nicht zu gelten, wenn es um krumme Geschäfte geht. Lucius Boggs muss feststellen, dass sein Bericht über den verdächtigen Autofahrer nachträglich geändert wurde. Er und seine Kollegen haben offenbar mitten in ein Wespennest aus korrupten Polizisten, den Bordellen der Stadt und der großen Politik getroffen. Nur weil Boggs Vater beste Beziehungen zur lokalen Bürgerrechtsbewegung unterhält und weil auch ein weißer Polizist unermüdlich ermittelt, kann der toten Lily Ellsworth Gerechtigkeit wiederfahren.


    „Darktown“ erscheint in Deutschland als Roman. Wegen des umfangreichen historischen Hintergrunds halte ich ihn eher für ein hochinteressantes Stück Stadt- und Polizeigeschichte, dem nach meinem Geschmack zum Kriminalroman die straff gespannte Spannungskurve fehlt. Dafür wartet Mullens Buch mit differenzierten Figuren auf, die über Potenzial für weitere Bände verfügen. Sie könnten den Blick dafür schärfen, welche Persönlichkeiten gesellschaftliche Veränderungen anstoßen könnten.


    Fazit

    Pointiert und in teils bitter-resigniertem Ton erzählt Thomas Mullen aus einer Zeit im amerikanischen Süden, zu der sich höchst interessante Quellen finden lassen. Sein Lucius Boggs ist geschickt gewählt, weil ihm als Sohn eines Priesters sicher andere Berufe offen gestanden hätten als ausgerechnet Streifenpolizist im Dauer-Spätdienst. Boggs muss im Polizeidienst mit gesenktem Kopf unterwegs sein, immer wachsam, um mit seinem Wissen nur keinem Weißen zu nahe zu treten. Da der zweite Band „Lightning Men“ schon 2017 erschienen ist, bin ichgespannt, darin weiter über die „Negro Cops“ zu lesen.


    9 von 10 Punkten

  • Bereits im Jahr 1865 wurde in den USA die Sklaverei aufgehoben, doch erst 1948 schaffte Truman die Rassentrennung in den Streitkräften ab. Aber es dauerte auch dann noch Jahre bis 1964, bis auch im zivilen Bereich die Rassentrennung aufgehoben wird.


    In Atlanta werden 1948 die ersten acht Black Police Officers eingesetzt. Doch das bedeutet nicht, dass sie die gleichen Aufgaben und Rechte wie ihre weißen Kollegen haben. Im Gegenteil: Sie müssen seitens der Weißen wie der Schwarzen Demütigungen hinnehmen. Es ist schwer zu ertragen, was diese Männer Tag für Tag hinnehmen müssen. Sie dürfen nur in einem begrenzten Raum Streife gehen, bekommen eine eigens für sie eingerichtete Wache, dürfen keine Weißen verhaften und müssen selbst im Privatleben besondere Regeln einhalten. Aber auch die farbige Bevölkerung ist ihnen gegenüber misstrauisch.

    Als eine junge schwarze Frau ermordet und auf einer Müllhalde entsorgt wird, scheint niemand an der Klärung des Mordes Interesse zu haben. Die weißen versuchen die Sache zu vertuschen und die schwarzen Polizisten haben nicht die Berechtigung Ermittlungen anzustellen.


    Das Buch liest sich gut und die Geschichte ist ziemlich bedrückend. Es ist ein Krimi, aber auch ein politisches Buch. Die Rassentrennung ist zwar aufgehoben, aber immer noch gibt es einen starken Rassismus in den USA.


    Lucius Boggs und Tommy Smith, zwei Cops der neuen Einheit, wollen nicht, dass der Mordfall ungeklärt bleibt und machen sich daher auf die Suche nach der Wahrheit, womit sie ihren Job riskieren. Es wird gefährlich für sie.


    Alle Charaktere sind sehr gut und vielschichtig ausgearbeitet. Der rassistische Dunlow ist korrupt und gewalttätig, ein absolut unsympathischer Mensch. Dagegen konnte ich die zwiespältigen Gefühle von Rakestraw gut nachvollziehen.


    Es ist ein komplexer Roman, erschreckend und realistisch. Meine absolute Leseempfehlung.


    5/5

  • 1948 nehmen die ersten acht ersten schwarzen Männer (sogenannte "Negros") ihre Arbeit beim Atlanta Police Department auf. Für sie ist das eine große Sache und sie wollen alles richtig machen, um es der Welt zu zeigen. Einfach ist das nicht, da sie nicht mal über die gleichen Rechte wie ihre weißen Kollegen verfügen. Weder dürfen sie Waffen tragen noch das normale Polizeirevier betreten. Weiße Bürger verhaften, ist ebenfalls verboten. Beim Anfordern von Akten sind sie auf die Gnade der weißen Polizisten und darauf angewiesen, dass diese ihnen sie Sachen heraussuchen und vorbeibringen. Auch der damals üblichen Willkürlichkeit der Weißen (Polizisten) sind sie weiterhin ausgeliefert und werden von ihnen beleidigt (zum Beispiel mit abfälligen Bemerkungen oder Affenlauten). Um da durchzuhalten, braucht es ein besonders dickes Fell. Selbst für mich als Leser war es stellenweise kaum zu fassen, was diese armen Leute über sich ergehen lassen mussten.

    Zwei der Negro-Cops sind Lucius Boggs und Tommy Smith. Als während einer ihrer Streifendienste eine farbige junge Frau tot aufgefunden wird, können sie nicht anders, als sich der Sache anzunehmen. Selbst, als sie vom Polizeirevier keinerlei Unterstützung dafür erhalten, lassen sie nicht locker. Sie ermitteln parallel zu ihrer regulären Polizeiarbeit und in ihrer Freizeit. Dadurch schaffen sie es nicht nur, die Identität der vorher namenlosen Toten aufzudecken, sondern auch ihrem Mörder auf die Schliche zu kommen. Allerdings wirbeln ihre Nachforschungen dermaßen viel Staub auf, dass sie und alle um sie herum dadurch in Lebensgefahr geraten.

    Sie dabei zu begleiten, ist spannend und interessant – auch wenn es wegen der oben genannten Missstände nicht leicht ist. Es gibt zahlreiche, der damaligen Zeit geschuldeten Noir-Einflüsse. Dennoch wirkt „Darktown“ (so auch der Name jenes Stadtteils von Atlanta, in dem vorwiegend dunkelhäutige Menschen wohnen) durch Thomas Mullens detaillierten Recherchen realistischer und düsterer als beispielsweise „Der große Schlaf“ oder „Der Malteser Falke“. Auch wenn der Krimi-Plot um die ermordete Frau reine Fiktion ist, ist das Grundgerüst drumherum erschreckend real. Und leider wurden noch immer nicht alle damaligen Missstände behoben.