Kindheitsmuster – Christa Wolf

  • Hörbuch, Autorenlesung, 11,5 Stunden

    Verlag: DAV

    978-3-86231-860-5


    Kurzbeschreibung:

    Die Ostberliner Schriftstellerin Nelly Jordan, eine Frau um die 40, begibt sich Anfang der 1970er Jahre zusammen mit ihrem Bruder Lutz, ihrer Tochter Lenka und ihrem Partner H. auf eine Reise nach Polen.

    Es wird eine Reise zu dem Ort, an dem Nelly und Lutz groß geworden sind und als Kinder den Nationalsozialismus erlebt haben. Obwohl sich ihre Eltern nie offen dazu bekannten, wurde Nelly, wie die meisten ihrer Altersgenossen, durch Indoktrinierung in Schule und Freizeit zu einer glühenden Verehrerin des Nationalsozialismus geformt. In »Kindheitsmuster« beschreibt Christa Wolf auf eindrucksvolle Weise die tiefe Zerrissenheit der Protagonistin Nelly – als Teil einer Generation, die erlebte, dass das, woran sie einst glaubte, keine Gültigkeit mehr besitzt. Die drei Erzählebenen des Romans – Nellys Kindheitserinnerungen, ihre Reise nach Polen sowie ein späterer Bericht darüber – ermöglichen eine sensible aber gewissenhafte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.


    Über die Sprecherin/Autorin:

    Christa Wolf wurde 1929 geboren. Sie zählt zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellerinnen der Gegenwart; ihr umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk wurde in viele Sprachen übersetzt und mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Georg-Büchner- Preis und dem Deutschen Bücherpreis für ihr Gesamtwerk.


    Mein Eindruck:

    Es ist ein stark autobiographisch geprägter Roman, der ausgelöst durch eine Reise 1971 nach Polen, in die ehemalige Heimat der Erzählerin, Erinnerungen an die Kindheit schildert. Es sind die Jahre des Nationalsozialismus. Die Erzählerin reflektiert dabei das Erinnerte im Versuch, sich selbst als Kind, hier Nelly genannnt, zu verstehen. Es folgen Krieg und Flucht. Es endet damit, dass Nelly als ca.17jährige in einer Lungenheilanstalt eine Krankheit überwindet. Genau an diesem Ende setzte Christa Wolf ihre letzte Erzählung „August“ ein, die mehr als 30 Jahre später erschien. Es schließt sich also ein Kreis.


    So persönlich der Stoff auch ist, Christa Wolf las ihren Text 2009 sachlich und gewohnt ruhig, wie es für eine Intelektuelle ihres Ranges angemessen ist. Ich mochte ihre Stimme bei den Hörbüchern schon immer, kann aber auch verstehen, wenn manche Hörer das einschläfernd finden.


    Ein Hörbuch, das mich teilweise fesseln konnte, das aber auch an der Überlänge leidet.


  • Danke für die Besprechung.

    Vielleicht sollte im autobiographischen Kontext auch erwähnt werden, dass Christa Wolf während ihrer Jugend Gefallen am nationalsozialistischen Gedankengut fand. Bezüge hierzu sind in "Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf" von Jana Simon zu finden.

    Insgesamt ist die Entwicklung Christa Wolfs spannend, später der Wechsel und die Nähe suchend zur sozialistischen Parteiführung der DDR. Siehe auch "Ein Tag im Jahr: 1960-2000".

  • Beklemmend für die Autorin, für mich in der Rückschau mehr als ernüchternd, um nicht zu sagen, ich war mehr als verärgert und maßlos enttäuscht.

    Tagebücher sind eine höchst private Angelegenheit, in der Veröffentlichung zeigen sie jedoch zutiefst menschliche und gleichzeitig auch weniger gute Seiten der Autorin.

    Ich erinnere mich gut, wie Christa Wolf sich über eine Besucherin ihrer Lesung auslässt und oder darüber, wie sie die Vorzüge von Reisen ins westliche Ausland und deren Honorierung mit Devisen. Die Devisen ermöglichten es ihr, ihre Familie im Intershop mit westlichen Sachen einzukleiden. So weit, so gut. An einer Stelle im Tagebuch beklagt sie sich dann, dass sie in Ostberlin auf der Straße Menschen trifft, die ebenfalls Bekleidung aus dem Intershop trugen.

    Christa Wolf hat es meines Erachtens sehr gut verstanden, sich politisch zu verkaufen, sich eine elitäre Position in einem System in dem alle gleich sind aufzubauen und Vorteile zu nutzen.

    Bei aller schriftstellerischer Brillianz sollten in einer Gesamtbetrachtung diese Aspekte nicht unerwähnt bleiben, auch wenn es für Christa Wolf spricht, dass die Aufzeichnungen ungeschönt veröffentlicht wurden.