Interessant ist die Weise, wie die Juden ihre Regeln interpretieren. Wie sie den Spagat schaffen zwischen der Pflicht der buchstabengetreuen Anwendung der Gesetze und den Gegebenheiten des Alltags.
Den Abschnitt habe ich gerade gelesen. Eigentlich ist das doch auch schon irgendwie lustig und selbstironisch, wenn die Talmudisten bei der Auslegung des Gesetzes zum "eigenwilligen und ungehorsamen Sohn" selbst schreiben, dass es den bei ihrer Auslegung gar nicht mehr geben kann. Wer isst schon jeden Tag anderthalb Kilo nicht koscheres Fleisch und trinkt ein Fass italienischen Wein? Auch die Auslegung des "gehorcht unserer Stimme nicht" im Sinne, dass die Eltern den Jungen gleichzeitig mit den gleichen Worten und mit der gleichen Tonhöhe ermahnen müssen, damit der Tatbestand des Nichtdaraufhörens festgestellt werden kann, ist doch wirklich sehr buchstabengetreu. Aber alles, was der Menschlichkeit dient, ist in Ordnung, egal wie weit man es bei Beachtung religiöser Vorschriften herbeiziehen muss.
Erschüttert war ich von dem Ausmaß der Judenpogrome in Osteuropa zu der hier dargestellten Zeit: 100 000 Tote bei einer sehr viel geringeren Bevölkerung als heute, das ist schon auch hier eine frühe Form des Völkermordes.