Hier kann zu den Erzählungen 1 - 2 geschrieben werden.
'Der alte Dessauer' - Erzählungen 1 -2
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Habe die erste Erzählung gelesen und ich muss zwei Dinge loswerden:
1. Die Sprache ist schon recht gewöhnungsbedürftig, vor allem, dass die höheren Herren sich statt mit Sie oder Du immer mit Er anreden, hat mich am Anfang ganz schön verwirrt. Allerdings gibt es auch einige wirklich witzige Wörter, z.B. "bespitzbuben"
2. Von der Geschichte selbst her musste ich schon die ganze zeit schmunzeln. Auch wenn ich diese ganzen politischen Dinge (wer über welches land verfügt und wo welche Rechte hat und warum mit wem einen Krieg anfangen will) nicht so richtig durchschaut habe, waren die Episoden selbst schon recht lustig, z.B. die Szene am Anfang in der Gaststube mit den etwas vertrottelten Werbern des Dessauers oder auch nachher, wie der Dessauer selbst die arme Jungfer Zeißig, geborene Linde ständig mit falschem Namen anspricht, weil er sich nur Vogel und Baum merken kann... Ein bisschen erinnert mich dieser Humor an die deutschen Klamauk-Filme aus den 70er-Jahren mit Theo Lingen.
Wie geht es euch so?
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Da warst du aber flott im Lesen, Milla.
In der Zeit, in der die Geschichten spielen, war es üblich, daß Personen "von Stand" in der dritten Person angesprochen wurden. Selbst die Kinder sprachen ihre Eltern so an. Es war einfach ein Respektsbeweis. Lediglich Vagabunden, Tagelöhner und Bauern hatten keinen Anspruch auf diese Ehrerbietung. Da Karl May diese Geschichten, die ja eigentlich vom Volk erzählte Anekdoten sind, als Humoresken schrieb, tauchen natürlich solche zum Schmunzeln anregenden Wortschöpfungen auf. Allerdings neigte man in dieser Zeit ohnehin dazu, so manchen gängigen Begriff zu verunstalten - allerdings mehr in Richtung auf französisieren.
Die politischen Gegebenheiten sind in der Tat ein wenig verworren. Man bedenke, daß Deutschland damals ein Konglomerat von Fürstentümern, Königreichen und dergleichen war. Ein "Deutschland" im heutigen Sinne gab es damals nicht. Allein die versteckten und offenen Bezhiehungen, Abkommen und Verbündungen zu überschauen, ist fast unmöglich. Sicher ist aber, daß Anhalt-Dessau sich sehr stark an Preußen anlehnte. Hannover hingegen galt als natürlicher Gegner durch seine starke Bindung an England (Man beachte die Thronfolge). Und gerade die Rivalität zwischen Hannover und Anhalt-Dessau bildet die Grundlage für einen Teil der Anekdoten um Fürst Leopold.
Übrigens, das Gedicht Fontanes auf der ersten Seite finde ich bezeichnend um die Legenden, die sich um den "alten Dessauer" gebildet haben. Die Schilderungen Mays entsprechen ganz diesem von Fontane vorgegebenen Charakterbild des Mannes.
Trotz der Augenzwinkerei Mays darf man nicht vergessen, daß der Soldatenwahn um die "langen Kerls" auch ein Stück Unfreiheit dokumentiert. Die Werber waren allgemein nicht beliebt und so stellt die belustigende Dusseligkeit der Werber, die May hier schildert, auch ein Stück Sozialkritik dar. -
Zitat
Original von Demosthenes
Da warst du aber flott im Lesen, Milla.
Wenigstens etwas Gutes, was so eine Virusgrippe mit sich bringtZitatIn der Zeit, in der die Geschichten spielen, war es üblich, daß Personen "von Stand" in der dritten Person angesprochen wurden. Selbst die Kinder sprachen ihre Eltern so an. Es war einfach ein Respektsbeweis. Lediglich Vagabunden, Tagelöhner und Bauern hatten keinen Anspruch auf diese Ehrerbietung.
Ja sowas dachte ich mir schon, aber irritiert war ich schon, vor allem im Lesefluss. Aber gottseidank wird das Er oder Ihm konsequent groß geschrieben, dann weiß ich schnell wieder, dass der Gegenüber gemeint ist.ZitatDie politischen Gegebenheiten sind in der Tat ein wenig verworren. Man bedenke, daß Deutschland damals ein Konglomerat von Fürstentümern, Königreichen und dergleichen war. Ein "Deutschland" im heutigen Sinne gab es damals nicht. Allein die versteckten und offenen Bezhiehungen, Abkommen und Verbündungen zu überschauen, ist fast unmöglich. Sicher ist aber, daß Anhalt-Dessau sich sehr stark an Preußen anlehnte. Hannover hingegen galt als natürlicher Gegner durch seine starke Bindung an England (Man beachte die Thronfolge). Und gerade die Rivalität zwischen Hannover und Anhalt-Dessau bildet die Grundlage für einen Teil der Anekdoten um Fürst Leopold.
Danke für die Infos! Ich habe mich gerade entschieden mir zu merken, dass Anhalt-Dessau und Preußen entgegen Hannover, England und doch auch Schweden (?) steht, das reicht mir fürs erste.ZitatÜbrigens, das Gedicht Fontanes auf der ersten Seite finde ich bezeichnend um die Legenden, die sich um den "alten Dessauer" gebildet haben. Die Schilderungen Mays entsprechen ganz diesem von Fontane vorgegebenen Charakterbild des Mannes.
In meiner TB-Ausgabe gibt es dieses Gedicht nicht Könntest du es hier rein setzen oder ist es zu lang oder verstößt gegen irgendwelche Copyright-Rechte?ZitatTrotz der Augenzwinkerei Mays darf man nicht vergessen, daß der Soldatenwahn um die "langen Kerls" auch ein Stück Unfreiheit dokumentiert. Die Werber waren allgemein nicht beliebt und so stellt die belustigende Dusseligkeit der Werber, die May hier schildert, auch ein Stück Sozialkritik dar.
Ja, allein die Bedingungen und die Vorgehensweise ist ganz schön heftig. Da drücken sie einem Geld in die Hand und schwuppsdiwupps ist derjenige für 10-15 Jahre verpflichtet... -
Na, dann will ich mal das Gedicht von Theodor Fontane über den alten Dessauer hier reinstellen. Es steht im Buch auf der Seite 6.
Der alte Dessauer
Ich will ein Lied euch singen!
Mein Held ist eigner Art:
Ein Zopf vor allen Dingen,
Dreimaster, Knebelbart,
Blitzblank der Rock vom Bürsten
Und jeder Knopf wie Gold -
Ihr merkt, es gilt dem Fürsten,
Dem alten Leopold.All Wissenschaft und Dichtung
Sein Lebtag er vermied,
Und sprach er je von "Richtung",
Meint' er: in Reih und Glied;
Statt Opern aller Arten
Hatt' er nur einen Marsch,
Und selbst mit Schriftgelahrten
Verfuhr er etwas barsch.Nicht mocht er Phrasen türmen
Von Fortschritt, glatt und schön,
Er wußte nur zu stürmen
Die Kesselsdorfer Höhn;
Er hielt nicht viel vom Zweifel
Und wen'ger noch vom Spott,
Er war ein dummer Teufel
Und glaubte noch an Gott.Ja, ja, er war im Leben
Beschränkt, wie man's so heißt,
Und soll ich Antwort geben,
Warum mein Lied ihn preist?
Nun denn, weil nie mit Worten
Er seine Feinde fraß,
Und weil ihm rechter Orten
So Herz und Galle saß.Wir haben viel von Nöten,
Trotz allem guten Rat,
Und sollten schier erröten
Vor solchem Mann der Tat;
Verschnittnes Haar im Schopfe
Macht nicht allein den Mann -
Ich halt es mit dem Zopfe,
Wenn solche Männer dran.Theodor Fontane
Ich glaube, Karl May hat nach diesem Gedicht seine Romanfigur aufgebaut. Da May allerdings auch die im Volksmund umlaufenden Geschichten berücksichtigte, er betrieb für diese Romane umfassende Recherchen, ist die Idealisierung des Fürsten eigentlich nur eine detailliertere Darstellung der Person im Gedicht. Wenn ich micht nicht täusche, wurde May übrigens bei den Recherchen zu diesem Roman sogar einmal verhaftet, weil er einem kleinen halbverhungerten Jungen aus Mitleid ein Goldstück gab. Erst sein Verleger konnte ihn wieder auslösen durch ein Telegramm, in dem er auf den Hang zur "Wohltätigkeit" des Autors hinwies. Kann aber auch sein, daß es bei den Vorarbeiten zu "Ritter und Rebellen" geschah. Ist schon sehr lange her, daß diese Randnotiz las.
edit: Ich hab grad mal im Nachwort geblättert. Es war doch bei den Recherchen zu diesem Roman. Aber nicht der Verleger, sondern der Gemeindevorstand von Radebeul depechierte nach Dresden.
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Vielen Dank Demo!
Und erstaunlich, aber das gibt ziemlich genau den Eindruck wieder, den ich von Leopold durch May erhalten habe Dass er anscheinend nicht unbedingt der hellste gewesen ist, deutet May ja ziemlich deutlich an, z.B. als er den Füsten auf die Nachfrage am Anfang der Erzählung 2 behaupten lässt, dass da keineswegs "feiger" Soldat, sondern "fä-iger" Soldat steht und ganz deutlich in Erzählung 3. Dazu aber im anderen Thread mehr.Zu Erzählung 2:
Auch diese Episode hat mir gut gefallen, auch wenn der Handlungsrahmen dem aus der 1. Erzählung sehr ähnelt. Richtig lachen musste ich bei folgendem Dialog:ZitatOriginal aus Ueberreuter-Ausgabe, S. 92
"Mein Wunderpflaster wird von dem weltberühmten Doktor, Professor und Wunderkünstler Amadeus Plaustrumus Singultus Promomtorius Paderborniensis verfertigt. Es hilft zu jeder Zeit, bei jeder Krankheit und bei jeder Wunde." --- "Das scheint allerdings ein sehr berühmter Name zu sein; denn er ist lateinisch und sehr lang."
Großartige Schlussfolgerung! Auch die Szene, in der sich der Fürst und Hillmann betrinken und sich am nächsten Morgen teigverklebt im Backtrog wiederfinden, ist einfach zum Beömmeln!Ergänzungen zu oben:
- Inhaltlich geht die Auseinandersetzung hier ja um die Werber, die scheinbar auch nicht davor zurückschreckten, Soldaten aus anderen Fürstentümern zwangszu"rekrutieren". Also ein ganz schön gefährliches Leben für junge Männer damals.
- Hier wird Prinz Friedrich Ludwig von England, Irland, Schottland und Hannover genannt (Ueberreuter-Ausgabe, S. 86). Also regierte zeitweise der gleiche König beide Häuser gleichzeitig (Hannover und England).
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Im Grunde geht es immer nur um Geschichten mit militärischem Hintergrund. Der alte Leopold war zusehr in seine Soldaten "verliebt" und das spiegelt sich in den Anekdoten wieder.
Eigentlich war es durch Abkommen durchaus nicht statthaft, fremde Landeskinder zu rekrutieren. Dennoch betrieben die Fürsten und Weber dieses "Spiel" schon aus sportlichem Ehrgeiz.
Die Sache mit dem Backtrog fand ich auch sehr lustig. May verstand sich schon darauf, Situationskomik zu schildern. Man könnte bald denken, er hätte den frühen Slapsticks die Regie vorweggenommen. -
Halo,
Also ich habe nun auch begonnen. Allerdings bin ich erst auf Seite 16 und kann dem zufolge noch nicht viel zum Buch sagen Allerdings tue ich mich schon etwas schwer, die Sprache ist sehr ungewohnt. Ich kenn bisher von Karl May ja nur den Orient-Zyklus und das ist nun überhaupt kein Vergleich.
Ich bin schon gespannt, wie das Buch noch wird und wie ich damit zurecht komme.
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Zitat
Original von melanie
Halo,Also ich habe nun auch begonnen. Allerdings bin ich erst auf Seite 16 und kann dem zufolge noch nicht viel zum Buch sagen Allerdings tue ich mich schon etwas schwer, die Sprache ist sehr ungewohnt. Ich kenn bisher von Karl May ja nur den Orient-Zyklus und das ist nun überhaupt kein Vergleich.
Huhu melanie,
schön, dass du dabei bist Ich habe mich auch gefragt, ob es sprachlich große Unterschiede zwischen diesem hier und den anderen Karl May-Büchern gibt (Das hier ist nämlich mein erstes May-Buch). Wie Demo schon irgendwo geschrieben hat, liegt es dann ganz sicher daran, dass May versucht hat, die Sprache aus dieser Zeit so authentisch wie möglich beizubehalten. Ich hab mich auch am Anfang schwer getan, aber mit der Zeit geht es wirklich ganz gut!Liebe Grüße,
milla -
Hallo Milla,
Naja, natürlich redet bzw. schreibt er auch in den Orient-Bänden (sind die Bände 1-6) in einer etwas altertümlichen Art, um es mal so zu sagen. Aber Kara Ben Nemsi (der ja Karl may sein soll und ebenfalls Old Shatterhand) redtet weder von sich noch von seinen Begleitern in der dritten Person.
Im Moment fällt es mir etwas schwer alles Personen einzuordnen, aber ich denke das wird schon. Liest sich schon etwas flüssiger.
Du bist ja schon eine ganze Ecke weiter.
Gehjetzt ins Bett und versuch etwas aufzuholen.