'Der alte Dessauer' - Erzählungen 3 - 5

  • Zu Erzählung 3:
    Hier macht May auf ziemlich amüsante Art und Weise deutlich, dass Leopold, wie im letzten Thread bereits angedeutet, nicht unbedingt der hellste war, z.B. als er sich empört, dass die Musiker die in den Noten eingezeichneten Pausen nicht spielen, sondern stattdessen nichts tun :lache Ganz sicher gab es auch unter den Untertanen viele klügere Leute als unter den Herrschenden, nur dass letztere nun mal das Recht gepachtet hatten. Dennoch wussten diese Untertanen ihn richtig zu nehmen, so reichte ja in dieser Episode allein die Unterstellung, dass jeder in seinem Fürstentum auf seine Unterstützung gegenüber den anderen Fürstenhäusern rechnen kann und in Dessau sicher ist dazu aus, genau das zu erreichen. :grin
    May greift hier auch das Thema Korruption auf, die es auch damals ganz sicher schon gab, und die sich darin äußerte, dass reiche Bürger den Amtsmann betochen haben, um sich vor dem Militär zu drücken. Aber hier rückt May das etwas belustigende Bild Leopolds wieder gerade und lässt ihn Gerechtigkeit durchsetzen, womit klar wird, dass der brummbärige Hüne sein Herz wohl doch auf dem rechten Fleck trägt.


    Die Befugnisse des Fürsten reichen bis in das Privatleben seiner Soldaten. So kann er Heiraten befehlen oder verhindern und Leopold versucht es auch des öfteren, aber beim Anblick der Liebenden gibt er deren Willen eigentlich immer nach. Auch das spricht für sein gutes Herz. Oder er erinnert sich an seine eigene Hochzeit mit der guten Anneliese. Im Nachwort steht, dass der echte Leopold gegen den Willen seiner Mutter 1698 die einfache Apothekentochter Anneliese geheiratet hat.


    Eine meiner Lieblingsszenen in dieser Erzählung ist die Szene zu Beginn in der Kirche, als er den Pfarrer missversteht (oder doch nicht?) und in der Kirche wegen angeblicher Missachtung seiner Obrigkeit rumpoltert :grin Interessant fand ich die entsprechende Fußnote, in der steht, dass die ganze Episode in der Kirche historisch wahr ist. DAS hätte ich zu gerne erlebt :grin

  • Weil du das Thema heiraten angesprochen hast: die Szene, in der das Mädchen dem alten Dessauer eine saftige Ohrfeige verpasste, fand ich direkt köstlich. Auch den dazu passenden Dialog. "Er Himmelelementer, Er!". Die ganzen Dialoge sind in diesen Geschichten lesenswert. Gerade wohl aus dem Grund, weil sich May eben der alten Ausdrucksweise bediente und für seine Zeit modernere Elemente hinzumischte.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zu Erzählung 5:
    Diesmal eine klassische Verwechslungsgeschichte, und verflixt, wieder musste ich an die 70er-Jahre-Filme denken (mit Uschi Glas etc.), die exakt nach diesem Muster (und diesem Humor) aufgebaut waren. Das Thema Werber steht auch hier wieder im Mittelpunkt, hmmm, ob es bei den letzten beiden Erzählungen dabei bleibt? Ein wenig mehr Variation würde ich mir schon wünschen... Was mir aber nach wie vor gefällt, sind die Randfiguren, diesmal der gute Heinz, der den Fürsten vergöttert, und die ganze Zeit versucht, seine Geschichte von Bayern anno 4 an den Mann zu bringen und jedesmal an der gleichen Stelle, nämlich an der entscheidenden, unterbrochen wird *gg*

  • Interessant ist ja auch der Hintergrund der Geschichte. Aber dieses sportliche Wegschnappen von Soldaten liegt einfach in der Natur der vielen Anekdoten über den alten Dessauer. Er war nun mal ein Soldatenfürst und alles militärische sein Steckenpferd. Er war ja auch der erste, der von den Preussen den Drill mit der Waffe übernahm und dadurch entscheidende Vorteile gewann. So hat er auch fast zeitgleich die Papierpatronen eingeführt, um den Soldaten Zeit beim Laden ihrer Vorderlader zu sparen. Eine einfache Rechnung - schneller Laden, höhere Feuergeschwindigkeit, weniger eigene Verluste.
    Dumm war er somit nicht, lediglich ungebildet. Und er war ein Querkopf. Aber anscheinend kam das bei den Menschen damals gut an und so blieb er in den Geschichten erhalten.
    Ach ja, so einige Einlagen, die dir auffielen, findest du in anderen Büchern mit anderen Personen wieder. May hat viele Gags mehrfach verwendet in seinen Büchern. Ebenso einige Charaktere. Die Story mit Heinz, der immer an der selben Stelle unterbrochen wird, findest du im Löwen der Blutrache, wenn der alte Bimbaschi zum hundertelften Mal erklären will, wie ihm seine Nase abhanden kam und auch stets an der entscheidenden Stelle unterbrochen wird.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.