Weimar im Jahre 1942. Der Krieg ist auf seinem Höhepunkt und vieles wird auf seine Kriegswichtigkeit überprüft. So auch das Tun im NSA, dem nationalen Sicherheitsamt. Schon seit der Kaiserzeit werden hier Programme gestrickt und Daten ausgewertet. Und nun ist es an der Zeit zu beweisen, dass diese Dienste auch weiterhin außergewöhnlich sind und dem Regime von Nutzen sein können. Eugen Lettke und Helene Bodenkamp arbeiten beide für das NSA, er als Analytiker, sie als Programstrickerin. Lettke nutzt die Daten des Amts vor allem, um seine privaten Ziele zu erreichen, wohingegen Helene eigentlich nur ihrer Leidenschaft fürs Programm stricken nachgeht, ohne groß darüber nachzudenken, wofür genau diese Programme genutzt werden. Als eines Tages Himmler das Amt besucht und ihm vorgeführt wird, wie mit Hilfe ihrer Programme versteckte Juden entdeckt werden können, wird Helene klar, zu was sie da Mithilfe leistet. Und stellt fest, dass sie damit nicht ihr Gewissen belastet, sondern auch ihre Freunde und ihre große Liebe in Gefahr bringt.
Andreas Eschbach spinnt in NSA den Gedanken fort, was gewesen wäre, hätte das Regime unter Hitler bereits die Möglichkeit gehabt auf Computer zuzugreifen und sich soziale Medien zu Nutzen zu machen. Er betreibt sozusagen „spekulative Geschichte“ So wie seine Figur Arthur in seiner Abschlussarbeit, nur unter anderen Vorzeichen.
Es ist schon erschreckend was man so alles aus den Daten, die tagtäglich über uns gesammelt werden, lesen kann. Wir haben heute das Glück, dass diese Daten im Normalfall dazu genutzt werden, um uns mit gezielter Werbung zum Kaufen zu animieren.
Im dritten Reich hätte das ganze wohl deutlich andere Schwerpunkte gehabt. Und die Vernichtungs- und Verfolgungsmaschinerie wäre wohl noch deutlich effizienter gewesen.
Eschbach gelingt es dieses Szenario glaubwürdig darzustellen. Nicht nur in dem er die Bezeichnungen eindeutscht, sondern auch in dem er uns Helene über die Schulter kucken lässt, wenn sie die Programme „strickt“. Da ist im ersten Moment nichts Dramatisches dabei, das wird erst klar, als die Programme dazu eingesetzt werden, um Regimekritiker aufzuspüren und zu überwachen.
Auch Dinge, die für uns heute noch in der vermutlich nahen Zukunft liegen, wie Gesichtserkennung und neuronale, selbstlernende Netze, werden thematisiert.
Ich war sehr angetan von diesem Buch, auch wenn es mir manchmal schwergefallen ist weiterzulesen. Mit Lettke und Helene schafft Eschbach zwei Charaktere, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Während Lettke nur mit sich selbst und seinem Vorteil beschäftigt ist, entwickelt Helene nach und nach ein Gewissen und den Blick über die Grenzen des eigenen Ichs.
Und auch wenn Lettke eindeutig die Hassfigur des Buches ist, fand ich auch seine Entwicklung höchst interessant.
Die Entwicklung der Programme und das ganze technische Drum Rum sind gut erklärt und machen deutlich, dass Eschbach sich mit der Materie auskennt. Für nicht-IT-affine Menschen mögen die Teile in denen Helene und Lettke über die Programme diskutieren nicht so interessant sein, aber für mich als ITler war es sehr interessant und gut nachvollziehbar. Und auch erschreckend wie einfach doch manche Dinge sind.
Mich hat dieses Buch sehr nachdenklich zurückgelassen. Wieviel Freiheit und Selbstbestimmung sind wir bereit für ein bisschen Bequemlichkeit aufzugeben? Den meisten Bürgern im deutschen Reich ist ja nicht einmal klar, welche Daten über sie gesammelt werden, sie freuen sich nur über das schnelle bargeldlose Zahlen und die einfache Erreichbarkeit über die tragbaren Telephone. Dass sie sich damit zum gläsernen Bürger machen ist ihnen nicht einmal bewusst.
Viele Dinge, die im Buch angesprochen werden, sind heute schon Realität. Alleine die Beeinflussung in den sozialen Netzwerken ist ja auch heute immer wieder Thema.
Ich kann dieses Buch nur empfehlen, es bietet spannende Lesestunden und viele Denkanstöße.
10 von 10 Punkte