Kurzbeschreibung (Quelle: amazon)
Queen Victoria gilt als prüde, ewig trauernde und zurückgezogene Matrone war sie das wirklich? Mit nur 18 Jahren bestieg sie den Thron. Mit 20 heiratete sie Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, mit dem sie neun Kinder hatte. Sie liebte Sex. Und sie setzte ihre Macht bewusst ein. Sie überschritt konventionelle Grenzen, äußerte klar ihre Meinung und begann nach dem Tod ihres geliebten Albert eine intime Beziehung mit ihrem Diener John Brown. Die Frau, die schon zu Lebzeiten einem ganzen Zeitalter ihren Namen gab, verkörperte selbst gerade nicht die bürgerlichen Traditionen und Konventionen, für die das viktorianische Zeitalter steht.
Julia Baird schreibt mit großer erzählerischer Kraft die bewegende Geschichte einer Frau, die neben den wichtigen politischen Fragen ihrer Zeit mit vielen durchaus heutigen Probleme konfrontiert war: der Balance zwischen Arbeit und Familie, den Schwierigkeiten der Kindererziehung, Ehekrisen, Verlustängsten und Selbstzweifeln.
Autorin (Quelle: amazon)
Julia Baird ist eine australische Journalistin und Autorin. Die studierte Historikerin wurde 2005 in Sydney promoviert und war dann Fellow am renommierten Shorenstein Center in Harvard. Sie ist Kolumnistin der International New York Times und moderiert die Nachrichtensendung The Drum im australischen Sender ABC TV. Julia Bairds Artikel erscheinen u.a. in The New York Times, The Guardian, The Washington Post, The Sydney Morning Herald, Newsweek und Harper´s Bazaar.
Allgemeines
Titel der Originalausgabe: „Victoria the Queen“, ins Deutsche übersetzt von Hans Freundl und Maria Zettner
Erschienen am 24.09.2018 bei wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) als HC mit 596 Seiten
Gliederung: Familienstammbaum von Königin Victoria im vorderen Einband – Einleitung – Fünf Hauptteile mit insgesamt 30 Kapiteln – Nachbemerkung – Danksagung – Anmerkungen (Quellenangaben zu Zitaten) – Bibliographie – Bildnachweis – Register
Beurteilung
Die Biographie der Königin Victoria (1819 – 1901), „Großmutter Europas“, beginnt bereits mit der Schilderung der Situation in England nach dem Tod der Charlotte Augusta von Wales, die 1817 mitsamt ihrem Sohn im Kindbett starb. Die Gruppe der nächsten Thronanwärter bestand nun aus den alternden Brüdern von Charlottes Vater George IV, die jedoch keine (legitimen) Nachkommen hatten und schnellstens heiraten „mussten“. Den „Wettlauf“ um die Zeugung eines potenziellen Thronfolgers der nächsten Generation gewannen der Herzog von Kent und seine deutsche Ehefrau, am 24. Mai 1819 brachte die Herzogin ihre Tochter Victoria zur Welt.
Die Biographie ist in fünf große Teile untergliedert, die sich mit Victorias Kindheit, ihrer Zeit als junge unverheiratete Königin nach ihrer Thronbesteigung mit 18 Jahren, ihrer Ehe und der Zeit der gemeinsamen Regentschaft mit ihrem Mann Albert von Sachsen Coburg und Gotha (1819 - 1861), ihrer Witwenschaft und den Jahren als alternde Königin und Kaiserin von Indien bis zu ihrem Tod beschäftigen.
In allen Kapiteln wird die Persönlichkeit Victorias mit ihrem oft widersprüchlichen Charakter sehr gut zum Leben erweckt, der Leser erhält – häufig durch Zitate aus Briefen und Tagebucheinträgen der Königin – einen tiefen Einblick in das Leben und die Gefühlswelt Victorias. Dabei wird ihre Beziehung zu den wichtigsten Menschen in ihrem Leben intensiv thematisiert: die wechselvolle Beziehung zu ihrer sie einengenden Mutter, die erst allmählich harmonischer wurde, die Ehe mit Albert, den sie vergötterte und dem sie sich unterordnete, die Beziehungen zu ihren neun Kindern, die sie nicht alle gleichermaßen liebte, die Beziehung zu ihrem Freund (oder Liebhaber?) John Brown während ihrer Witwenschaft und natürlich die Beziehungen zu den diversen Premierministern, die sie im Laufe ihrer langen Regentschaft kennen- und in unterschiedlichem Maße zu schätzen lernte. In diesem Zusammenhang kommen selbstverständlich die politischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts zur Sprache sowie Victorias Einstellungen zu den unterschiedlichen Zielsetzungen ihrer verschiedenen Minister. An der Politik nahm Victoria bis zu ihrem Tod regen Anteil, auch die gesundheitlichen Probleme der letzten zwei Lebensjahrzehnte konnten sie nicht daran hindern.
Der Leser bekommt nicht nur Informationen über Victoria und ihre Familie, sondern beobachtet auch fasziniert die Veränderungen, die das 19. Jahrhundert mit sich brachte: Die neue Sozialgesetzgebung verbesserte in kleinen, aber stetigen Schritten das Leben der Arbeiterschaft und auch die Rechtslage von Frauen, technische und medizinische Fortschritte katapultierten England im Verlaufe von Victorias Regierungsjahren und vor dem Hintergrund der Industriellen Revolution in die „Neuzeit“, bzw. das 20. Jahrhundert. Dabei begegnet der Leser einigen bedeutenden Persönlichkeiten der Zeit. Besonders interessant ist der Abschnitt über die von Albert maßgeblich mitgestaltete Weltausstellung von 1851 mit ihren gigantischen Besucherzahlen und faszinierenden Exponaten.
Die Biographie ist in einem sehr flüssigen, gar nicht trockenen und gelegentlich auch dezent humorvollen Stil verfasst, trotz ihres Umfangs lässt sie sich relativ zügig lesen. Der Text wird durch zahlreiche Illustrationen aufgelockert. Umfangreiche Anmerkungen im Anhang (statt Fußnoten) und eine ebenso umfangreiche Bibliographie runden das Werk ab, allerdings wären zusätzlich eine chronologische Zeitleiste und eventuell eine kurze Übersicht über die vielen Premierminister noch eine Bereicherung gewesen. Ein kleiner Kritikpunkt: Albert war drei Monate jünger als seine Frau, nicht drei Monate älter, wie es auf Seite 20 dargestellt wird.
Fazit
Eine höchst informative und ansprechend geschriebene Biographie, die dem Leser Königin Victoria sowohl als Mensch als auch als Herrscherin gut nahebringt!
9 Punkte