Schreibwettbewerb Oktober - Dezember 2018 - Thema: "Zeitlos"

  • Thema Oktober - Dezember 2018:


    "Zeitlos"


    Vom 01. Oktober bis 30. November 2018 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Oktober/Dezember 2018 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Dezember eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen: Regeln Schreibwettbewerb.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr.

  • Ich war dabei von Serendipity8


    In Hitze geschmolzen aus Münzen


    Edelstes Silber – Sterling, versteht sich!


    Geschmiedet vom Meister höchstselbst


    In Form gegossen und dann


    Schlag um Schlag um Schlag um Schlag


    Geformt in ein fast vollkommenes Rund


    An den Enden: Zwei Kugeln


    Die fast sich berühren


    Doch nicht ganz.



    Ich war dabei als der Kaiser noch herrschte


    Lebte mit Damen am Hofe


    Erlebte die politischen Differenzen


    Überlebte den Krieg.



    Ich war dabei als kein Kaiser mehr war


    Als Verfassungen verfasst wurden


    Als Krisen begannen


    Als ein Tyrann die Macht ergriff.



    Ich war dabei als die goldenen Jahre


    mein Silber in den Schatten stellten


    Als Medaillen meinesgleichen


    an die Besten der Besten gingen.



    Ich war dabei, als alles entzwei war


    Die Leute, die Stimmung, das Land


    War versteckt tief im Garten in der Erde


    Zum Bewahren für wer immer zurückkommen mag.



    Ich war dabei als Zwei wieder Eins war


    Fast als wäre es nie geschehen


    Als der Wert meines Selbst sank


    Aber das Andenken der Menschen wuchs



    Ich war dabei.


    Von Mutter zu Tochter. Von Tochter zu Tochter. Von Tochter


    zu Sohn zu Frau.


    Getragen mit Andacht an all die Dinge


    Die waren und werden.


    Ich war dabei.



    Ich war dabei.


    Ich werde weiter gegeben in diesem Jahr


    Am heiligsten aller Festtage


    Von Tochter zu Tochter.


    Man wird die Geschichte erzählen


    Wie ich zur Familie kam.


    Sie wird lächeln und sagen: Wie schön.


    Einfach zeitlos.

  • Warte von breumel


    „Sarah, komm endlich runter, du musst gleich los!“

    „Warte!“

    Müde setzte sich Sarah im Bett auf, zog eine frische Unterhose aus dem Schrank, fischte die Jeans von gestern (und Vorgestern, und Vor-Vorgestern) vom Fußboden, kramte ihren schwarzen Lieblingspulli aus dem Stapel und zog sich an. Immer diese Hektik!

    Als sie die Treppe hinunterschlurfte, war alles still. Gut so, Eltern nervten.

    In der Küche stand schon ein Teller mit geschmierten Broten. Wenn sie spät genug dran war, wurde Mama weich und machte ihr das Frühstück, auch wenn sie das mit 14 eigentlich selbst erledigen sollte. Mit dem Teller und einem Glas Wasser ging sie ins Wohnzimmer.

    „Morgen!“

    Komisch, Mama sagte gar nichts. Sie sah sie nicht mal an.

    „Mama? Alles in Ordnung?“

    Nichts.

    Sarah lief um ihre Mutter herum. Mama blickte, völlig reglos, auf die Uhr an der Wand. Sarah schwenkte ihre Hand vor ihrem Gesicht. Keine Reaktion.

    „Mama? Ich find das echt nicht witzig!“

    Immer noch nichts. Sie blinzelte nicht einmal. Irgendwie unheimlich …

    Sarah zwickte ihre Mutter in den Arm. Keine Reaktion.

    Sie brüllte ihr ins Ohr. Nicht mal ein Zucken.

    Jetzt wurde Sarah mulmig. Ihre Mutter, diese Stille – das war doch nicht normal!

    Sie lief zur Tür und sah hinaus, und eine Gänsehaut glitt über ihren Rücken: Ihr Nachbar stand völlig unbeweglich vor seinem Haus, den Autoschlüssel in der Hand und bereit, das Auto aufzuschließen. Und was sie vollends davon überzeugte, dass sich niemand einen miesen Scherz mit ihr erlaubte: Die Nachbarskatze saß in der Einfahrt und war mitten im Putzen erstarrt.

    Panik! Sarahs Herz raste jetzt. Sie lief zurück ins Wohnzimmer und begann, ihre Mutter zu schütteln.

    „Mama, aufwachen! Du musst aufwachen! Bitte, rede mit mir!“

    Ihre Mutter blieb unbeweglich und steif wie ein Brett. Sarah begannen die Tränen herunterzulaufen. Was war nur geschehen? Alle schienen wie erstarrt, nur sie nicht. Alle schienen zu – warten.

    Sarahs Blick fiel auf die Wanduhr. Es war immer noch 6:45 Uhr. Keine Minute war auf der Uhr verstrichen, seit sie aus der Küche gekommen war. Nein, eigentlich, seit ihre Mutter sie gerufen hatte. Und seit sie, wie an jedem Schul-Morgen, „Warte“ gerufen hatte. Voll Schrecken erkannte Sarah, dass die Welt auf sie gehört hatte...

    „Ich glaub‘s ja nicht! Los jetzt, ich fahr dich zur Haltestelle!“

    Sarah schrak hoch und blickte direkt in die zornig aufgerissenen Augen ihrer Mutter. Verwirrt sah sie sich um. Sie lag auf dem Bett, zum Glück bereits angezogen, nur die Socken fehlten noch. Sie musste eingeschlafen sein. Es war alles nur ein Albtraum gewesen. Puuuh …

    „Nächstes Mal kommst du eben zu spät! Mit 14 sollte man doch wohl in der Lage sein, ohne dreimal Wecken aufzustehen!“

    „Ich beeile mich. Tut mir echt leid, Mama.“

    Im Eiltempo machte sie sich fertig. Sogar ihre Mutter staunte, wie fix das Kind plötzlich sein konnte.Noch mehr allerdings staunte Sarahs Mutter, als Sarah in den nächsten Wochen jedes Mal beim ersten Wecken aufstand. Warum? Das wusste nur der Nachtmahr, der leise vor sich hin kicherte …

  • Mein Nachbar und ich von Inkslinger


    Unangenehme Menschen gibt es leider zur Genüge.

    Sie trampeln durch dein Leben, grabbeln alles an und hinterlassen nichts als Chaos. Meistens im übertragenen, manchmal aber auch im wörtlichen Sinne. Mein Nachbar ist so einer.


    Thomas Zeit, 47, Schreinermeister, alleinlebend, mit zwei Hunden.

    Wir wohnen auf derselben Etage eines Mehrfamilienhauses. Von den anderen kenne ich die Vornamen nicht. Und das ist auch normal für mich. Ich weiß viel zu viel über ihn. Das ist aber nicht meine Schuld. Sondern Claudias.


    Ich nehme an, sie ist seine Freundin oder sowas Ähnliches. Hoffentlich nicht seine Schwester…

    Sie telefonieren jeden Tag miteinander. Woher ich das weiß? Ich höre jedes verdammte Wort. Er stellt sich auf den Hausflur, direkt vor meine Wohnungstür, weil da der Empfang so toll ist. Erklärt nicht, wieso er auf Lautsprecher stellen muss, ist aber leider so.

    Jedenfalls telefonieren sie lange. Ich wusste gar nicht, dass Männer so gesprächig sein können. Schatzi hier, Schatzi da. Total fakig. Zumindest bei ihm. Sie wirkt sympathisch. Macht ihm ordentlich die Hölle heiß, die Gute. Keine Ahnung, wie sie aussieht, aber so, wie er springt wenn sie was will, muss sie eine Granate sein.


    Aber Claudia ist nicht das einzige aus seinem Leben, das er vor meine Tür bringt. Frieda und Glinda sind ständige Besucher der Flurparty. Meistens lassen sie mir sogar Geschenke da. Für zwei Dackel sind sie sehr aufmerksame Gäste.

    Allerdings ist Thomas auch sehr mitteilsam, wenn er in seiner Wohnung ist. Dank gemeinsamen Stubenwänden bin ich live dabei, wenn er bei “Gefragt, Gejagt” falsch miträt und Schauspielern Tipps gibt, wie sie nicht draufgehen.

    Und dann ist da noch sein Lieblingsinstrument. Die Bohrmaschine. Pflichtbewusst trainiert er regelmäßig nach 22 Uhr sein Rhythmusgefühl. Ich bin beeindruckt von so viel Hingabe.


    Seit ein paar Tagen ist es jedoch seltsam ruhig. Hab schon überlegt, ob ich nachschauen soll. Vielleicht knabbern ihm seine Hunde schon das Gesicht an oder sowas. Kurz, bevor ich mich dazu durchringen kann, höre ich Schritte im Treppenhaus. Nach kurzem Zögern ein Klingeln am meiner Wohnungstür

    Eine junge Frau mit freundlichem Lächeln im Gesicht steht vor mir. “Hallo, mein Name ist Tina Sturm. Ich bin Ihre neue Nachbarin. Ich wollte nur kurz Bescheid sagen, dass es morgen etwas lauter wird, da ziehe ich nämlich ein.”

    Ich begrüße sie kurz, versichere ihr, dass das kein Problem sein wird und rate ihr zu einem Beutel Spachtelmasse.


    Es ist eine Umstellung, dass sie jetzt nebenan wohnt. Der Flur ist tretminenfrei, ich schlafe acht Stunden am Stück durch und weiß so gar nichts von ihr und ihrem Leben.

    Aber ich gewöhne mich schon noch dran.