Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Mit Finsternis in ihren Herzen
Skandinavien, im Sommer 970: Beklommen wartet die junge Ziehtochter Helga Finnsdottir auf die leiblichen Kinder des Wikingers Unnthor Reginsson – einst ein furchterregender Krieger. Nun ist er geachteter Häuptling der umliegenden Täler und hat seine Nachkommen zu einer Familienzusammenkunft auf Gut Flussfeste gerufen. Voller Neid, Missgunst und Hass erreichen Karl, Bjorn, Aslak und Jorunn den elterlichen Hof.
Während seiner Seefahrerjahre habe Unnthor einen sagenhaften Schatz angehäuft, glauben auch seine Kinder. Bald brechen alte Streitigkeiten wieder auf. Jeder der vier will den verborgenen Reichtum an sich reißen. Dann geschieht ein Mord. Alle wissen: Es kann nur einer von ihnen gewesen sein. Heimlich macht sich Helga auf die Suche ...
Autor (Quelle: Verlagsseite)
Snorri Kristjánsson, 1974 in Island geboren, verlebte seine Jugend in Norwegen. Später kehrte er in sein Heimatland zurück, wo er Englisch studierte, in einer 80er-Coverband spielte, Zement abpackte und dem britischen Botschafter Isländisch beibrachte. Inzwischen lebt Kristjánsson in Edinburgh. Dort gibt er Englisch- und Schauspielunterricht, wenn er sich nicht gerade neue Geschichten um Helga Finnsdottir ausdenkt.
Allgemeines
Titel der Originalausgabe: „Kin“, ins Deutsche übersetzt von Jan Möller
Erscheinungstermin: 25.September 2018 im Rowohlt Taschenbuch Verlag als broschiertes TB mit 368 Seiten
Gliederung: Familienstammbaum – 19 Kapitel – Danksagung
Erzählung in der dritten Person, hauptsächlich aus der Perspektive von Helga Finnsdottír
Handlungsort und -zeit: Skandinavien im Sommer des Jahres 970
Zum Inhalt
Unnthor Reginsson, der einst zur See fuhr und während dieser Jahre einen beachtlichen Goldschatz erworben und auf seinem Hof „Flussfeste“ vergraben haben soll, wo er jetzt mit seiner Frau Hildigunnur, seinem alten Waffenbruder Jaki, dessen Sohn Einar und seiner Adoptivtochter Helga Finnsdottír lebt, hat seine vier erwachsenen Kinder samt Familien zusammengerufen. Karl, Bjorn, Aslak und Jorunn hatten untereinander schon immer eine von Konkurrenzdenken geprägte Beziehung, jetzt ist jede(r) nur noch von dem Gedanken besessen, den Goldschatz für sich und seine Familie zu sichern.
Die Tage der Familienzusammenkunft sind geprägt von Wettkämpfen sportlicher Natur, Streitereien und Schlägereien, wobei die Schwiegertöchter und die Tochter von Unnthor und Hildigunnur ihren Männern und Brüdern in Aggressivität und Gewaltbereitschaft in nichts nachstehen. Als einer der vier Geschwister ermordet wird, hat fast jeder auf dem Hof ein Motiv. Helga Finnsdottír, die die Familienverhältnisse fassungslos beobachtet hat, setzt es sich zum Ziel, den Mörder zu ermitteln und dabei selbst am Leben zu bleiben…
Beurteilung
„Wer eine solche Familie hat, der braucht keine Feinde mehr!“ Dieser Spruch fällt dem Leser unweigerlich ein, wenn er „Blut und Gold“ liest. Ebenso verwundert wie schockiert fragt er sich, wie ein charakterstarkes, dominantes, aber auch sympathisches Paar wie Unnthor und Hildigunnur vier Kinder zu geld-, bzw. goldgierigen Egoisten erziehen konnte, von denen jeder gegen jeden intrigiert, unter denen Lügen, Körperverletzung und Ehebruch an der Tagesordnung sind.
Auch wenn es in diesem Buch zwei Morde gibt, handelt es sich bei dem Roman nicht um einen Krimi im üblichen Sinne, sondern eher um das Psychogramm einer Familie, deren Mitglieder der Autor in Bezug auf ihre Charaktere unverwechselbar ausgestattet hat. Leider gibt es kein Autorennachwort, das darüber Aufschluss geben könnte, ob und inwieweit die Schilderung des Familienlebens bei den Wikingern realistisch ist – eigentlich würde man bei einem so „kriegerischen“ Volk erwarten, dass der Familienzusammenhalt hohe Priorität haben müsste. Ob Unnthors Familie nun realistisch geschildert wird oder nicht, auf jeden Fall ist es sehr faszinierend, die Gruppendynamik zu verfolgen und gemeinsam mit der Adoptivtochter Helga als weiterer Außenstehender Theorien zu Täter & Tatmotiv zu erstellen…und zu verwerfen.
Die Sprache unter den Geschwistern erscheint jedoch häufig zu modern für das skandinavische Mittelalter, so beschimpfen sich diese immer wieder gegenseitig als „Arschloch“, was eher nach dem 21. als nach dem 10. Jahrhundert klingt. Ob diese Stilbrüche an der Übersetzung liegen oder auch im Original vorkommen, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden.
Der Roman gibt gelegentlich Einblick in die Sitten der geschilderten Epoche, so werden z.B. die in einem traditionellen Ritual die nordischen Götter befragt, um den Mörder zu identifizieren, hier wären weitreichendere Schilderungen zeittypischer Sitten und Gebräuche wünschenswert gewesen, um etwas mehr historische Authentizität zu vermitteln.
Fazit
Ein anschaulich geschriebener Roman über eine sehr „dysfunktionale“ Familie im mittelalterlichen Skandinavien, inhaltlich fesselnd, aber offenbar nicht immer realitätsnah!
7 Punkte