Jess Kidd: Heilige und andere Tote
DuMont Buchverlag 2018. 382 Seiten
ISBN-10: 3832198903
ISBN-13: 978-3832198909. 22€
Originaltitel: The Hoarder
Übersetzer: Klaus Timmermann, Ulrike Wasel
Verlagstext
Seit dem Tod seiner Frau und den ewigen Streitereien mit seinem Sohn vertreibt Cathal Flood jeden, der sich ihm nähern will. Einst Antiquitäten- und Kuriositätenhändler ist er längst zum Messie verkommen. Sein Sohn hofft, ihn auf Dauer in ein Altenheim verfrachten zu können. Die Neueste in der Riege erfolgloser und unterbezahlter Sozialbetreuer, die Cathal zur Räson bringen soll, ist Maud Drennan. Unter den wüsten Beschimpfungen des Alten zieht sie beherzt gegen Dreck und Müll zu Felde. Doch trotz aller Unerschrockenheit ist ihr Bridlemere unheimlich. Überall im Haus scheinen verschlüsselte Botschaften zu warten. Wie das Foto von zwei Kindern, auf dem das Gesicht des Mädchens ausgebrannt ist. Hat Flood eine Tochter? Wieso weiß niemand von ihr? Und warum hasst er seinen Sohn so sehr? Auch der Tod seiner Frau löst Fragen über Fragen aus. Maud würde am liebsten alle erdrückenden Hinweise ignorieren. Doch ihre leicht bizarre Vermieterin Renata, die für ihr Leben gern Detektiv spielt, und eine Horde marodierender Heiliger, die nur Maud sehen kann, wittern längst ein Verbrechen
Die Autorin
Jess Kidd hat Creative Writing an der St. Mary’s University in Twickenham studiert. Seit 2011 unterrichtet sie dieses Fach. Ihr Debütroman ›Der Freund der Toten‹ (2017) stand auf der Krimi-Bestenliste. Die Autorin lebt mit ihrer Tochter in West London.
Inhalt
Der ehemalige Antiquitätenhändler Cathal Flood hat eine Aufpasserin vor die Nase gesetzt bekommen, weil er angeblich nicht mehr allein zurechtkommt. Es wäre doch gelacht, wenn Maud einen hageren Alten nicht in den Griff bekäme. Sie kümmert sich um das Wichtigste zuerst, regelmäßige, nahrhafte Mahlzeiten für Cathal. Als Experte für Taxidermie und mechanische viktorianische Puppen ist Flood unbestreitbar ein exzentrischer alter Kauz. Maud, Sozialpädagogin und die Icherzählerin der Geschichte, trägt (geduldig wie eine Archäologin) Cathals messiehaften Haushalt Schicht für Schicht ab. Ihren Vorgänger hat der 80-Jährige aus dem Haus geworfen, den Betreuer davor schlicht in den Wahnsinn getrieben. Da Cathal und Maud beide Iren sind, mit festem Glauben an Feen und an das Übersinnliche, scheint Maud die letzte Chance für den alten Mann zu sein. Ihr unschlagbarer Vorteil, Maud glaubt nicht nur an Heilige, sondern sie sprechen auch mit ihr.
Dass „die Anderen“ Cathal in ein Altenheim bringen wollen, behauptet bisher jedenfalls nur er. Cathals Haus Bridlemere ist Teil eines größeren, überwucherten Anwesens. So liegt es nahe, dass diese „Anderen“ gern Cathals Vermögen einsacken möchten. Doch als die Toilette wie eine Flaschenpost ein 40 Jahre altes Foto hervor würgt, muss Maud sich dringend damit befassen, wer früher gemeinsam mit Cathal hier gelebt hat. Mauds Recherche nach Floods Frau und seinen Kindern rühren an ihr eigenes Trauma; denn ihre Schwester Deirdre verschwand vom Strand, als Maud 7 Jahre alt war.
Als Assistentin in dem skurrilen Fall steht Maud ihre Vermieterin Renata zur Seite, Mitglied der lokalen Transgender-Community, Tochter eines portugiesischen Seemanns und Mauds Azubi auf dem Gebiet des Aberglaubens. Als emsige Krimileserin fürchtet Renata in Cathals Haus das Schlimmste für Maud, doch die hat darin mit ihrem Kontakt zum Jenseits einen entscheidenden Standortvorteil. Dass morgens die Heilige Dymphna an Mauds Bett hockt, wundert einen als Leser nur noch am Rande. Für Maud geht es nun durch Tapetentüren, an Gemälden von Cathals Vorfahren vorbei und – durch eine aus alten National Geographic Heften aufgestapelte Wand, hinter der laut Flood die Vergangenheit lagern soll. Schließlich trifft Maud mit Dr. Gabriel Flood die Gegenpartei, der sie instinktiv nicht über den Weg traut.
Fazit
Der Originaltitel "The Hoarder" trifft die Atmosphäre in Jess Kidds wildwuchernder Spurensuche sehr gut. Die Besetzung mit einem messiehaften alten Kauz, seiner als Kind traumatisierten Betreuerin, einer Assistentin, die als kleiner Junge schon Frauenkleider liebte, und diversen Heiligen verspricht eine anrührende, amüsante Geschichte mit einem durchaus ernsthaften Kern.
10 von 10 Punkten