Einstieg ins Science-Fiction-Genre - Dan Simmons geeignet?

  • Vor kurzem lernte ich einen Übersetzer kennen, der begeisterter SF-Übersetzer und SF-Leser ist. Wir kamen näher ins Gespräch und ich berichtete ihm von meiner Abneigung gegen dieses Genre. Da das Gespräch zu fortgeschrittener Stunde auf einer Party stattfand und er aufbrechen wollte, meinte ich zu ihm, daß er die einmalige Chance hätte, mich für SF zu begeistern und mir ein Einstiegswerk empfehlen sollte (schließlich weiß man nie, was einem entgeht!). Bei dem von ihm unterbreiteten Vorschlag handelte es sich um Dan Simmons "Hyperiongesänge".
    Nach meinen Recherchen bei Amazon kam ich zu dem Ergebnis, daß die Inhaltsangabe und die Bewertungen mich nicht vom Hocker reißen.
    Eine Rezi bei den Eulen suchte ich vergeblich.


    Nun meine Fragen:


    1. Kennt jemand dieses Werk?


    2. Wenn ja, lohnt es sich, das Buch zu lesen und ist das Buch tauglich für den Einstieg?

  • Zitat

    Original von Iris
    Ich denke einfach, ein gutes Buch ist ein gutes Buch -- egal in welchem Genre. :-)


    Was dann noch lange nicht heisst, dass einem alle "guten Bücher" gefallen müssen. ;-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Ich finde Dan Simmons hat einen eigenartigen Schreibstil, der mir nicht so gefällt. Ich liebe da eher die alten Space Operas, aber auch andere, die auch leichter zu lesen sind. Aber es hat so jeder SF-ler seine Lieblinge.

    Gruss Hoffis :taenzchen
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    :lesend Der fünfte Tag - Jake Woodhouse
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  • Dan Simmons ist der Gott der Sci-Fi :anbet
    ;-)
    "Die Hyperion-Gesänge" sind genial, die Fortsetzung "Endymion" ist noch besser. Um "Ilium" zu beschreiben fehlen mir immer die Worte *g*.
    Dan Simmons schreibt nicht "nur" SF, er erschafft komplett neue Welten, erfindet etwas vorher nie Dagewesenes.
    *schwärm*


    Für einen SF-Einsteiger sind die Bücher aber vielleicht doch zu "schwer".
    Wenn man als Neuling gleich mit den "Hyperion-Gesängen" anfängt, wird man von der Komplexität fast erschlagen. Ich würde empfehlen, mit etwas Einfacherem anzufangen, Marion Z. Bradley vielleicht, und sich dann zu Dan Simmons vorzuarbeiten.


    ***
    Aeria

  • Wie es der Zufall will, habe ich gerade heute "Hyperion" beendet. Ob Simmons ein geeigneter Einstieg in dei SF ist, kommt mE schon auch darauf an, von woher du einsteigst. Ich persönlich habe keine Abneigung gegen das Genre und kann deshalb nicht richtig nachvollziehen, was einen daran stört.


    Die positive Einschätzung von "Hyperion", das trotz Sequel auch gut allein stehen kann (der zweite Teil liegt bisher noch nicht neben meinem Bett, ich denke allerdings, er wird es in absehbarer Zeit tun), teile ich vollkommen. Es ist anspruchsvolle SF.


    Meine Rezension findest du hier

  • @ Aeria: Meine Vorstellung ging dahin, daß Zimmer Bradley eher im Fantasy-Bereich schreibt. Und um letzteren habe ich bisher erfolgreich einen Bogen gemacht. "Die Nebel von Avalon" habe ich vor langer Zeit einmal angelesen, konnten mich jedoch nicht begeistern.
    Allerdings kenne ich mich im Bereich Fantasy nicht gut aus, so daß ich über diese Autorin nicht viel weiß und ihre Werke nicht kenne.


    Da fällt mir noch eine weitere Frage zu SF ein: was für Strömungen gibt im SF-Bereich und könntet Ihr sie für Laien kurz und verständlich erklären. Am besten mit jeweils einem Beispiel versehen, so daß ich mir ein Buch aus der Sparte aussuchen kann, das meinen Geschmack am besten trifft.

  • @ Bartlebooth: schön, daß Du Dich an der Diskussion beteiligst. In Deiner Wunschliste hatte ich bereits gesehen, daß dort Simmons gelistet war.


    Persönlich liegen meine literarischen Vorlieben eher im Bereich zeitgenössische Belletristik, Klassik und Sachbücher aus dem politischen Umfeld. Das heißt aber nicht, daß ich mich starr an diesen Rahmen halte.


    Aus dem Weg gegangen bin ich bisher den Bereichen SF (wenn man mal "Per Anhalter durch die Galaxis" absieht), Fantasy (bei Cornelia Funke mache ich auch mal eine Ausnahme), History, Horror.


    Mit Douglas Adams konnte ich nichts anfangen; diese Art von Humor habe ich nicht verstanden.
    Angelesen hatte ich bereits Stanislaw Lem, letztlich jedoch wieder abgebrochen.
    Heute würde ich das damit begründen, daß ich damals zu jung für dieses Buch war.

  • Hi Salonlöwin,


    Du möchtest Dich an SF heranwagen. Kein leichtes unterfangen, da nach meinem Geschmack "gute SF" derzeit nicht viel auf dem aktuellen Markt ist und die meisten Empfehlungen nur gebraucht zu haben sind.


    Aber bei der Kombination "zeitgenössisches", "Klassik" und Sachbücher aus dem politischen Umfeld könnte, aus der Hüfte geschossen, das etwas für Dich sein


    Ray Bradbury: Fahrheneit 451


    H.G: Wells: Menschen Göttern gleich


    Aldous Huxley: Schöne neue Welt


    George Orwell: 1984


    Callenbach, Ernest: Ökotopia


    gehören zur Kategorie Utopien/Dystopien und sind Klassiker der SF


    Überwiegend recht gute SF, die auch für Einsteiger geeignet sind, werden seit einiger Zeit von Heyne unter dem Begriff "Meisterwerke der SF" veröffentlicht.


    dtv hat im Moment eine TB-Werksausgabe von H.G. Wells am laufen.


    Grundsätzlich könnten die "Ostler" Deinen Geschmack treffen, da hier immer wieder im Gewand der SF Regimekritik betrieben wurde. Neben Stanislav Lem (dessen Solaris hier diskutiert wurde) sind das vor allem die Gebrüder Strugatzki, die auch heute noch aktuell sind.
    Der Shayol-Verlag kümmert sich im Moment sehr stark, das Werk von Angela und Karlheiz Steinmüller wieder zugänglich zu machen. Hier sit besonders "Andymon" zu empfehlen.


    Wie Du siehst, bin kein besonderer Fan der SF nach Star Wars und Star Trek.


    Wärest Du ein Thriller-Leser könnte ich Dir aktuell zwei Bücher von Richard Morgan empfehlen: Das Unsterblichkeitsprogramm und Gefallene Engel


    Ich werde versuchen Dir im Laufe der nächsten Tage eine Übersicht der SF-Untergenres mit empfehlenswerten Titeln zusammenzustellen.


    Gute Artikel und Rezensionen findest Du auch bei dem einzigen SF-Internet-Magazin Alien Contact .


    Mal sehen, ob wir Dich überzeugen können, das es sich lohnt ab und zu SF zu lesen :grin


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Hallo Salonlöwin,


    Na, um mich an Diskussionen zu beteiligen, bin ich doch hier ;-).


    Es wäre schon ganz gut zu wissen, warum du um SF einen Bogen gemacht hast. Ich habe auch mal in deine (unglaublich lange!) Wunschliste geschaut und schließe aus ihr, dass du tatsächlich nicht festgelegt bist und außerdem auch nicht unbedingt was gegen das Denken beim Lesen hast (wie sonst kommt man auf Yasunari Kawabata?:-)).


    Stanislaw Lem ist natürlich ein Großmeister der anspruchsvollen SF, den ich mit großer Begeisterung lese.
    Simmons ist deutlich gefälliger (wenn ich Lem, vor allem in seinen Erzählungen auch nicht wirklich als sehr anstrengend empfinde), weniger philosophisch, dafür erzählerisch zwingender. An Kampf- und Actionszenen kommst du bei Simmons aber nicht vrobei und das ist etwas, was mich bei SF, wenn es zu ausführlich wird, langweilt. Simmons ist aber noch weit diesseits der Grenze zum Nervigen.


    Um dir einen Überblick über die SF-"Strömungen" zu geben, bin ich wohl nicht der Richtige. Mein Geschmack ist eher randständig, ich lese vor allem alte SF (Lasswitz, Scheerbart, Wells, Capek, Renard) und habe vom amerikanischen Hauptstrang des Genres bisher noch sehr wenig Ahnung. Es gibt auch einen sehr politischen SF-Strang in den Staaten des ehemaligen Ostblocks.


    Vielleicht kann dir wer anders hier kompetenter Auskunft geben.


    Herzlich, B.


    EDIt, Na, da ist ja schon jemand gekommen! Dyke, auch ich werde deinen entsprechenden Eintrag mit Interesse lesen!

  • Zunächst einmal herzlichen Dank für Eure Beiträge.


    @ Dyke:
    "Fahrenheit 451" habe ich mit großem Vegnügen bereits vor einigen Jahren gelesen, Orwells "1984" auch, letztlich hat das Buch mir nicht so zugesagt.


    Aldous Huxley wollte ich auch immer noch einmal lesen, ebenso H.G. Wells "Menschen Göttern gleich".


    "Ökotopia" von Callenbach war mir noch nicht bekannt, macht mich aber auf jeden Fall neugierig.


    Auf "Solaris" bin ich durch den Film aufmerksam geworden, habe es damals aber nicht geschafft, den Film im Kino zu sehen.


    @ Bartlebooth: Du hast gefragt, warum ich einen Bogen um SF gemacht habe.
    Wie viele hier in diesem Forum auch, gehöre ich der Generation "Star Treck" an und bin mit der Serie aufgewachsen. So ganz habe ich diese Welt nie verstanden, allerdings konnte ich mich für die Staffeln mit Captain Kirk und Captain Picard begeistern. Später kamen die Filme von Star Wars hinzu; hier hielt sich meine Begeisterung in Grenzen, genauso wie bei "Matrix" und Asimovs "I Robot". Ob es zu "Matrix" zunächst ein Buch gab und im Anschluß ein Drehbuch geschrieben wurde, weiß ich nicht; meines Erachtens hätte aber aus diesem beachtlichen Stoff mehr gemacht werden können. Ungeachtet dessen hätte diese Thematik es schaffen können, mich als einen weiteren Fan in ihre SF-Gemeinde aufzunehmen.
    Wenn ich mich hinterfrage, warum mich einzelne Staffeln von Star Treck und Bücher wie zB. von Fahrenheit begeistert haben, würde ich das darauf zurückführen, daß sie intelligent erzählt sind und die Inhalte bzw. auch die Charaktere der Hauptakteure nicht allzu weit von unserer realen Welt entfernt sind. Im Mittelpunkt stehen nicht technisierte Kampfszenen (okay, nehmen wir Captain Kirk mal heraus), sondern Inhalte und Personen verbunden mit Botschaften des Autors.
    Es interessiert mich weniger, wenn sich Autoren in technischen Einzelheiten verlieren und fehlenden Inhalt mit kriegerischen Auseinandersetzungen wettmachen. Konkret: ich möchte eine gut erzählte Story, die mich zum Nachdenken anregt und die sprachlich anspruchsvoll ist.
    Dyke hat mit seinen Vorschlägen schon sehr gut meinen Geschmack getroffen :wave.


    Nichtsdestotrotz interessieren mich die SF-Untergenres. Wenn Dyke es geschafft hat, sie hier einzustellen, kann ich die Profis mit weiteren Fragen Löchern :knuddel1

  • Dann will ich mal anfangen. Natürlich ist die Benennung und Beschreibung der Subgenres nicht auf meinem Mist gewachsen. Da sich schon für den Begriff „Science Fiction" die „Literaturgewaltigen" auf keine eindeutige Definition einigen konnten, sind die Endlos-Diskussionen „Was sind die Subgenres" entsprechend ergebnislos.
    Ich erlaube mir daher auf das „Lexikon der Science Fixkion Liteatur" von Alpers, Fuchs, Hahn, Jeschke aus dem Jahr 1988 (erweiterte und aktualisierte Neuausgabe) zurückzugreifen.


    Zuerst werde ich die dort genannten Subgenres auflisten mit eine kurzen Erläuterung und danach in jeweils separaten Posts entsprechende Werke dazu. Wird ein bisschen dauern, ist halt etwas Arbeit und kostet Zeit.


    Utopien und Dystopien
    Utopien sind wohl der älteste Zweig, denn aus Sicht der hardcore-SFler läßt er sich bis zu Platons Staat zurückverfolgen.
    Utopien beschreiben alternative, bessere Gesellschaftsmodelle als die aktuellen.
    Dystopie (den Begriff gibt es eigentlich gar nicht, korrekt wäre Anti-Utopie) extrapoliert die negativen Eigenschaften der aktuellen Gesellschaft in die Zukunft.


    Space Opera
    (in Anlehnung zur „Horse Opera" = Wildwestepos) ist das, was die meisten, vor allem Nicht-SF-Leser, hauptsächlich unter SF verstehen, nämlich „Weltraum-Abenteuer". Das ganze Universum ist Tummelplatz der aufrechten Helden und ihrer nichtirdischen Helfer.


    Kolonien und galaktischen Imperien
    Die Menschheit breitet sich, entsprechend den amerikanischen Frontiers „Westward, ho!" (man kann es auch Imperialismus nennen), über die Galaxien aus.


    Militarismus und Antimilitarismus
    Männer tun das, was sie am besten können - stechen, hauen, schlagen und „Weicheier" beschreiben den Greuel ohne Pathos.


    Außerirdische Lebewesen
    Hier geht’s um die schleimigen Monster und andere Aliens, die in de Regel die Menschheit bedrohen oder die Aufnahme wegen Unreife in die große galaktische Familie verweigern. Sie werden auch gerne BEMs (Bug-Eyed-Monsters) genannt, nach den Titelzeichnungen aus den Anfängen besonders der amerikanischen SF - Monster mit Insektenaugen (und möglichst vielen Tentakeln) jagt leichgeschürzte blonde Schönheit.


    Invasionen
    Die Erde ist das Ziel außerirdischer Zivilisationen, denen der eigene Planet zu eng wird.


    Evolution und Genmanipulation
    Wird heutzutage überwiegend nicht mehr dem Level „SF" zugeordnet, sondern als Wissenschafts-Thriller vermarktet.


    Große Katastrophen
    Ob Kometen, intelligente schwarze Löcher, Klimakatastrophen, meist taucht in letzter Sekunde „the lonesome american hero" auf, seltener war’s es dann


    Roboter und Denkmaschinen
    Auch Romane über „künstliche Intelligenzen" werden heute eher als Wissenschafts-Thriller veröffentlicht


    Zeitreisen
    Auch die haben sich, dank Diana Gabaldon, eher in den Bereich „Romance" verlagert.


    Alternativ- und Parallelwelten
    Die uralte Frage: „Was wäre wenn?" wird hier, gerne gehirnwindungsverbiegend, beantwortet.


    Inner Space
    Statt sich mit Raumschiffen, fernen Planeten und Aliens wird sich hier mit der menschlichen Psyche auseinandergesetzt.



    In diese 12 Subgenres wird die SF in dem Lexikon unterteilt. Die seitenlangen Erläuterungen haben ich versucht in meiner Art zusammen zu fassen.
    Natürlich gibt es jede Menge Romane, die sich nicht eindeutig einem Genre zuordnen lassen. So mischen sich gerne Außerirdische Lebewesen und Invasionen, oder Kolonien und Utopien/Dystopien usw.
    Wer Cyberpunk, Erstkontakt, PSI, Post-Doomsday usw. vermißt, die werden als Sub-Subgenres definiert und ich werde dann dort versuchen darauf einzugehen.
    Und selbstverständlich gibt es auch Romane, die sich strickt weigern, in dieses Raster zu passen.


    Das war’s für heute. Nehmt bitte diese Aufteilung nur als Basis, um Romanempfehlungen zuzuordnen. Selbstverständlich gibt es auch andere Aufteilungen, die genauso ihre Daseinsberechtigung haben und richtig sind. Die Jungs von der dsfdb haben es auch versucht und es kamen mehr als 3 DIN A4-Seiten dabei heraus. Aber ich möchte ja keine Doktor-Arbeit über SF schreiben, sondern nur ein paar Definitionshilfen für SF-Anfänger.


    LG Dyke


    Edit: Rechtschreibefehler

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

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  • Hallo Dyke,


    Vielen Dank für deine Mühe! Warum aber so defensiv? Es ist klar, dass die Gattungseinteilung zu den unlösbaren Problemen der Literaturwissenschaft gehört, aber so eine thematische Untergliederung, wie du sie präsentierst, ist doch für die Zwecke dieses Ordners sehr gut geeignet.


    Dies ist ja kein Ordner zur Klärung des Begriffs "SF", sondern einer, der einen Überblick über die Texte verschaffen soll, die gewöhnlich zu diesem Genre gerechnet werden.


    Herzlich, B.