Verlag: Cross Cult
Format: Klappenbroschur:
Seiten: 393
Übersetzt von: Andrea Blendl
Klappentext:
"Lies dieses Buch auf eigene Gefahr, werter Leser. Es ist nichts für schwache Nerven - genauso wenig, wie das Erforschen der Drachen selbst ..."
- Lady Trent
Lady Trent ist die herausragendste und erfolgreichste Drachenforscherin der Welt. Voller Detailreichtum, Humor, und der Abgeklärtheit des Alters berichtet sie aus ihren jüngeren Tagen, da sie ein Mädchen war - vernarrt in Bücher und lernbegierig. Sie trotzte den erstickenden Konventionen ihrer Zeit und setzte ihren guten Ruf, ihre Zukunft und ihre zarte Haut aufs Spiel, um ihre wissenschaftliche Neugier zu befriedigen.
Über die Autorin:
Marie Brennan plündert regelmäßig ihr wissenschaftliches Fachwissen in Anthropologie, Archäologie und Völkerkunde für schriftstellerische Zwecke. Sie schrieb mehr als vierzig Kurzgeschichten sowie zahlreiche Fantasyromane. Mit „Die Naturgeschichte der Drachen“, dem ersten Band der Reihe „Lady Trents Memoiren“, erscheint nun ihr vielversprechendster Titel erstmalig in deutscher Sprache.
Mehr über Marie Brennan: www. Swantower.com
Meine Zusammenfassung:
Die in ihrem Land berühmte und (inzwischen verehrte) große alte Dame der Drachenforschung erzählt aus ihrer Jugend, wie sie ihre Faszination für Drachen entdeckte und schließlich auf ihre allererste Expedition reisen durfte. Da sie dies aus der Distanz und mit dem Wissen der späteren Jahre tut, erfolgt die Schilderung auf die ihrer Meinung nach wesentlichen Geschehnisse beschränkt, mit einigen Hintergrundkommentaren zur „damaligen“ Zeit, ebenso was Moral und Schicklichkeit wie eben auch den Stand der Forschung angeht.
Isabella wächst als einziges Mädchen unter 5 Brüdern auf dem Landsitz einer eher unbedeutenden Familie des Landadels auf. Schon im Alter von 7 Jahren zeigt sich ihre spätere Faszination für Drachen, die sie durch mehrere Schwierigkeiten und auch gefährliche Situationen begleiten wird, bis es schließlich, im Alter von 16 Jahren, an der Zeit ist, das zu tun, was eine junge Frau eben tun muss: in die Hauptstadt gehen, in die Gesellschaft eingeführt werden und unter Anleitung und strenger Berechnung der Mutter einen möglichst guten Ehegatten finden.
Für Isabella ist es nicht einfach, sich den gesellschaftlichen Konventionen in Bezug auf eine „gute Partie“ anzupassen, sie fühlt sich wie eine graue vertrocknete Pflanze, da sie fast alles leugnen muss was sie ist, und was ihr etwas bedeutet. Allerdings ist sie darin nicht besonders gut, und so ist es schließlich gerade einer ihrer sprudelnden Ausbrüche in Bezug auf ihre größte Leidenschaft, die Drachen, die ihre Heiratschancen auf dem Markt generell deutlich gedrückt, aber die Aufmerksamkeit eines Mannes auf sie gezogen hatte.
So ist es auch eben dieser Mann, der sie ein paar Jahre später tatsächlich darin unterstützen wird, ihren größten Traum wahrzumachen: selbst an einer Expedition in ein fernes Land teilzunehmen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Drachen näher zu erforschen und sie besser zu verstehen. Selbst wenn die Gesellschaft ihm vorwerfen wird, seine Ehefrau großen Gefahren auszusetzen. Das Abenteuer in den ungastlichen Bergen von Vystrana, bei den einfachen Bauern des Dorfes Drustanev und natürlich bei den grauen Felswyrmen beginnt ...
Das Buch spielt in einer Fantasy-Welt die der unseren aber sehr, sehr ähnlich ist, bis zu dem Punkt wo die Länder eben offenbar einfach nur andere Namen tragen (ebenso wie die Monate, Wochentage oder Religionen) und eine andere Form auf der Landkarte haben. Das Heimatland von Lady Trent, Scirland, kann man getrost mit Großbritannien gleichsetzen, die Insel Niddey entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit Irland, der Kontinent Anthiopien ist im Großen und Ganzen eine Aneinanderreihung der Staaten die Europa ausmachen.
Das Land in dem die Expedition stattfindet, Vystrana, würde ich als Rumänien übersetzen (auch weil britische Reisende dort ja früher gerne unterwegs waren), das darüberstehende „Herrenland“ Bulskevo mit Russland.
Was den zeitlichen Rahmen angeht, so würde ich diesen auf Grund der gesellschaftlichen Konventionen, des Forschungsdranges sowie dem Stand der Technik, im frühen 19. Jahrhundert ansiedeln, kurz vor Beginn des „viktorianischen Zeitalters“.
Meine Meinung:
Ich fand Forschungs- und Entdeckungsreisen rund um die viktorianische Ära schon immer spannend, und habe mich gerade in letzter Zeit auch zunehmend mit den Reisen weiblicher Forscher wie z.B. Mary Kingsley beschäftigt. Da hat dieses Buch natürlich sehr gut mit reingepasst. Wobei ich noch sagen muss, dass ich zuallererst wegen der wirklich wunderschönen Cover-Zeichnungen von Todd Lockwood im Buchladen auf die Bände aufmerksam wurde (vor allem von Band 3 bin ich immer wieder hin und weg wenn ich ihn mir ansehe) und danach erst den Klappentext als in mein Beuteschema passend empfunden habe.
Die Geschichte liest sich leicht und locker weg und schafft es meiner Meinung nach auch sehr gut, die Stimmung einer Expedition jener Zeit in ein osteuropäisches Land zu vermitteln. Inklusive des Misstrauens, Unverständnisses und der Vorurteile die sich zwangsläufig ergeben, wenn die selbsternannte am höchsten zivilisierte Nation der Welt auf die Einheimischen eines abgeschiedenen Bauerndorfes in der sprichwörtlich hintersten Walachei trifft. Auch Lady Trent selbst erkennt im Rückblick, dass sie sich gerade anfänglich, ohne böse Absicht, oft wohl abschätzig und überheblich verhalten hat.
Die Erforschung der Drachen selbst ist natürlich Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, aber es entwickeln sich noch weitere Handlungsstränge, die die sowieso schon nicht ungefährliche Jagd nach den großen Raubtieren weiter verkompliziert. Warum greifen die Drachen in letzter Zeit verstärkt Menschen an? Wo ist der Adlige, der sie eigentlich empfangen sollte und in dessen Haus sie untergebracht sind? Was hat es mit den Schmugglern aus den Bergen auf sich? All diese Fragen hat die Autorin gut miteinander zu einer spannenden Geschichte verwoben und auch die eigentliche Forschungsarbeit, die ja aufgrund des noch eher geringen Wissens der Zeit fast immer spektakuläre neue Erkenntnisse offenbart, hat mich beeindruckt. Wie schon gesagt, für mich wurde dieser „Forschergeist“ einfach gut eingefangen.
Kleine Abzüge gab es für mich eher bei der Ausgestaltung der Figuren. Isabella selbst ist durch die Innenansicht der Ich-Perspektive natürlich sehr farbenfroh und detailliert geschildert, und gerade dagegen nehmen sich einige der anderen Personen eher blass aus. Speziell bei Isabellas Ehemann hatte ich das eine oder andere Mal da Gefühl, dass er erzählerisch einfach nur existierte um für sie die Voraussetzungen zu schaffen, an der Reise teilnehmen zu können. Er war oft ruhig im Hintergrund und tauchte meist dann auf, wenn es darum ging seine Frau zu beschützen oder eben etwas zu ermöglichen, dass einer Frau alleine nicht erlaubt worden wäre.
In der Tat hatte ich das Gefühl, dass selbst eine vermeintlich so unwichtige Nebenfigur wie Mr Wilker mehr Charakter besaß als Jacob. Wenn man das Buch beendet hat (und auch im Ausblick auf das nächste) macht das dann zwar irgendwie Sinn, ist aber wie ich vermute eine eher ungewollte Art der Vorausahnung.
Die auf dem Klappentext erwähnte „Abgeklärtheit des Alters“ tritt zwar immer mal wieder in Kommentaren des älteren Ichs hervor, hätte aber für meinen Geschmack gerne noch etwas spitzzüngiger und häufiger sein dürfen. Dennoch, die Grundlagen sind auf jeden Fall vorhanden und ich habe die Hoffnung, dass diese in den noch folgenden Bänden weiter ausgebaut werden, das würde die Figur für mich auf jeden Fall noch abrunden.
Ich möchte nochmal auf die Illustrationen eingehen, denn nicht nur das Cover ist von Todd Lockwood gestaltet sondern auch viele schwarzweiße Zeichnungen im Innenteil. Diese stützen die Erzählung ganz wunderbar und, davon ausgehend, dass ja Isabella u.a. auf der Expedition ist um Zeichnungen anzufertigen, unterstreichen sie die Darstellung des Buches als Memoiren noch zusätzlich.
Als Leser einer „Außenwelt“ hätte ich mir vielleicht noch einen Anhang gewünscht mit ein paar kurzen Erklärungen zu den unbekannten Namen von Ländern, Kontinenten, Monaten etc. auch wenn sich vieles im Lauf des Buches aus dem Zusammenhang erschließt.
Immerhin gibt es zu Beginn zwei hilfreiche Karten, die Anthiopien und die nähere Umgebung um Drustanev skizzieren und als Orientierung bei der Reise und den Geschehnissen in Vystrana dienen.
Fazit: Ein solider Einstieg in diese Fantasy-Reihe, mit interessanten Forschungsarbeiten, spannenden Verwicklungen, einer guten Portion „Lokalkolorit“ und einer Hauptfigur, die das Potential hat, sich noch vielversprechend zu entwickeln. Eingerahmt von passenden und wunderschönen Illustrationen. Ich habe es auf jeden Fall schon mal nicht bereut alle drei verfügbaren Bände auf einen Schlag gekauft zu haben.