Jane Fowler stellte Graeme Macrae Burnet kurz vor. Schon sein erster Roman „Das Verschwinden der Adele Bedeau“, ein Elsass-Krimi, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. „Sein blutiges Projekt. Der Fall Roderick Macrae“ hingegen sei ein historischer Krimi, der zahlreiche Preise erhalten habe und ihn noch berühmter gemacht habe.
Graeme Macrae Burnet merkte an, dass viele Leser und sein Verlag nach dem Erfolg von „Sein blutiges Projekt“ ein ähnliches Buch erwartet hätten, was unmöglich sei. Zum Glück sei zu diesem Zeitpunkt der zweite Elsass-Krimi bereits so gut wie fertig gewesen, „Der Unfall auf der A35“ .
Das Buch beginne mit dem Unfall selbst, wie Kommissar Georges Gorski und der 17-jährige Sohn des gerade verstorbenen Anwalts aufeinandertreffen. Sein Ziel sei gewesen, die Gedanken dieser beiden Figuren zu zeigen, die Auflösung sei im Vergleich fast Nebensache. Für ihn liege die Spannung in der Erforschung der Figuren, dort befinde sich das wahre Drama.
Im ersten gelesenen Abschnitt stellte er den 17-jährigen Raymond Barthelme vor, der ins einem Zimmer Sartre liest, im zweiten dann Kommissar Gorski, der gerade von seiner Frau verlassen wurde.
Nach dem Schreiben von „Sein blutiges Projekt“ wollte er zurück nach Saint Louis, in diese Stadt, in der sich nichts zu verändern scheine. Das Lebensgefühl dort, die eingespielte Routine gefalle ihm. Durchreisende würden in der Regel nicht anhalten in dem Ort, in dem andere Menschen ihr ganzes Leben verbrächten. Auch nach 20 Jahren würden scheinbar noch die gleichen Menschen im gleichen Restaurant zum Mittagstisch von einer unveränderten Speisekarte bestellen. Der junge Raymond überlege fortzugehen, lese aber noch Sartre in seinem Zimmer. Graeme Macrae Burnet sei es in seiner Jugend ähnlich ergangen. Aufgewachsen in Kilmarnock habe er immer das Gefühl gehabt, eines Tages von dort wegzugehen.
Sowohl Raymond als auch Kommissar Gorski befänden sich an einem Punkt der Freiheit. Raymond fühlte sich von seinem Vater unterdrückt, jetzt könnte er die Welt entdecken. In seinem Alter sei es normal, verschiedene Gesichter gegenüber den Mitmenschen auszuprobieren. Gorski wurde zwar von seiner Frau verlassen, ist seinem neuen Leben jedoch zufrieden. Auch wenn er Saint Louis jetzt verlassen könne, bleibe er dort, vielleicht weil er lieber ein ruhiges Leben wolle.
Graeme Macrae Burnet erzählt von den Auswüchsen seiner blühenden Fantasie. So fahre er oft mit dem Fahrrad durch Glasgow und stelle sich vor, dass einer der Menschen um ihn ermordet werden könnte, er selbst dann als Zeuge befragt würde oder gar als Verdächtiger. Lange habe er geglaubt, dass alle Menschen solche Gedanken hätten, aber dem Gelächter des Publikums entnehme er, dass dies nicht so sei.
Auch die kleinsten Details versuche er genau und korrekt auszuarbeiten. Es sei wichtig, dass kleine echte Begebenheiten vorkämen, diese würden die Geschichten authentisch machen und zum Leben erwecken. Dann hätte er ein Bild vom Schauplatz und dem glaubwürdigen Verhalten der Figuren in seinem Kopf. Während in seinem neusten Buch die Perspektive zwischen zwei Figuren wechselt, wird „Sein blutiges Projekt“ aus der klaustrophobischen Sicht von Roddy erzählt.
Es sei ihm nicht wichtig, ob Leser „Sein blutiges Projekt“ für einen echten Fall hielten. Man wolle oft beim Lesen das Gefühl haben, eine echte Geschichte zu lesen und nicht einen erfundenen Roman.
Dann las er seinen Beitrag zu den „Freedom Papers“, eine kurze Geschichte über Schein und Sein, in der er seine blühende Fantasie erneut unter Beweis stellte. Danach erzählte er, dass er sich auch selbst völlig irrige Regeln auferlege, wie zum Beispiel jeden Morgen im gleichen Supermarkt beim gleichen Angestellten die gleiche Sorte Sandwich zu kaufen. Natürlich sei ihm irgendwann klar, dass es für diesen Angestellten kein revolutionärer Akt sei, wenn dieser unbekannte Kunde plötzlich eine andere Sorte Sandwich kaufen würde. Aber seine Fantasie treibe nun mal solche Blüten.
Bei den Fragen aus dem Publikum ging eine Frau darauf ein und erklärte ihm genau, mit welchen Zutaten er selbst viel besseres Brot backen könne und wie er diese belegen könne. Das sei viel gesünder. Graeme Macrae Burnet bedankte sich, erwiderte jedoch, dass das für ihn aktuell nicht in Frage komme.
Viel zu schnell war eine interessante und humorvolle Stunde vorbei. Im Anschluss signierte Graeme Macrae Burnet noch und beantwortete geduldig weitere Fragen.