Jasper Fforde las am 11.08.2018 in Edinburgh

  • Zu Beginn stellte die Moderatorin Kirsty Logan Jasper Fforde kurz vor und sein neustes Buch Early Riser, aus dem er die ersten Seiten vorlas. (Die deutsche Fassung heißt Eiswelt und ist für den 12.11.2018 angekündigt.)



    Der Anfang des Buchs gefalle ihm, denn die Leser werden direkt in diese ungewöhnliche Welt hineingeworfen, in der es eine besondere Art von Untoten gibt. Menschen, die während des Winterschlafs den Großteil ihres Gedächnisses verloren haben und dann für niedere Arbeiten oder als Organspender eingesetzt werden. Mrs. Tiffen spielt zum Beispiel ohne Unterlass ein einziges Lied auf ihrer Bouzouki, Help Yourself von Tom Jones. In diese Welt träumen die Menschen nicht mehr, um Energie zu sparen. Was würde passieren, wenn Menschen plötzlich wieder träumen, gar den gleichen Traum teilen. Das Titelbild von Eiswelt zeigt einen Traum und wurde von einem Werbeplakat der Bahn inspiriert. Durch ein Fenster (Loch im Einband) sieht man das gleiche Paar, außen im Winter, innen im Sommer.


    Er stelle sich gerne literarischen Herausforderungen und wollte dieses Mal eine Welt erschaffen, in der die Menschen schon immer für einen festgelegten Zeitraum Winterschlaf hielten. Absurde, spekulative Geschichten, deren Hintergrund langsam enthüllt wird, lägen ihm. Dies sei das dritte Buch, das er auf einer Zugfahrt angefangen habe, nach Wo ist Thursday Next und Grau. Das sei perfekt, denn man befinde sich zwischen zwei festen Punkten, könne zufällige Gespräche mit anderen Menschen führen und finde viel Inspiration während der Reise.


    In dem Buch gebe es auch eine Anspielung auf die Ursache seiner langen literarischen Schaffenspause: “slow to pen a player’s handbook”. Früher habe er nicht an Schreibblockaden geglaubt und sich sogar lustig darüber gemacht, selbst jedes Jahr ein Buch veröffentlicht. Ein sichtlich erschütterter Jasper Fforde erzählte, dass er immer noch nach der Ursache suche und vielleicht der verhemente Versuch ernsthafte Literatur zu schreiben, damit zu tun haben könne. “Grau” sei eher “absurd schwer” im Vergleich zu den “absurd leichten” Büchern um Thursday Next.


    Ihm liege der spielerische Umgang mit Worten und Ideen, den er scheinbar beim Versuch etwas dunkleres, ernsthafteres zu schreiben, fast komplett verlor. Auch das Erschaffen seiner fiktiven Welt begeistert ihn immer noch spürbar, wie genau man darauf achten müsssen, keinen Marty McFly zu haben, der plötzlich alles verändern könne. Für die Thursday Next Bücher habe er zahlreiche Regeln aufgeschrieben, um Logikfehler zu vermeiden.


    In Eiswelt hatte er Spaß dabei, Konventionen aus unserer Welt auf den Kopf zu stellen. So müssen die Menschen dort zum Beispiel vor dem Überwintern immens viel an Gewicht zunehmen, um keine Gesundheitsschäden davonzutragen. Das Medikament Morphinox sorgt für einen energiesparenden, traumlosen Schlaf.


    Er arbeite seit 1995 mit einem Psion 5 MX und empfahl den Zuhörern für gebrauchte Geräte maximal 90 britische Pfund dafür zu bezahlen. Auf dem Gerät könne er schnell tippen und es reiche für seine Zwecke völlig aus.


    Ganz gezielt habe er viele Anspielungen auf die 80er Jahre eingearbeitet, wie zum Beispiel die (Faulty) Dormitoria. In dieser Welt hätten Monty Python kein Hotel sondern Wohnheime zum Überwintern als Schauplatz gewählt.


    Auch Shakespeare und seine Figuren würden überwintern, was nicht nur die Handlung von “Romeo und Julia” beeinflusse. Nach Ansicht von Jasper Fforde würde “Macbeth” durch das Überwintern ein deutlich besseres Stück und “Romeo und Julia” könne ganz anders enden.


    Sein Wahlheimat Wales sei immer öfter Schauplatz seiner Bücher, eine Region, die für ihre Sagen und Mythen bekannt sei. In einer Welt wie “Eiszeit” gäbe es natürlich zahlreiche Geschichten, in denen das Überwintern eine Rolle spiele. Solche Mythen zu erfinden mache ihm viel Spaß, auch wenn es nicht einfach sei, denn man könne absurde Regeln erfinden, wie zum Beispiel ein Monster, dass gerne Wäsche faltet und viele Bewohner um ihre Häuser zu sichern einen Korb ungefalteter Wäsche draußen lassen.


    Auch die Idee, mit einer Dampflok durch das bergige Wales zu reisen gefiel ihm und für das Buch verschob er den “Fat Thursday” (Donnerstag vor Aschermittwoch) auf den Donnerstag vor dem Überwintern. Eigentlich wollte er auch Rick Astleys Musik und Tänze integrieren, habe ihn jedoch nicht wegen einer Genehmigung erreichen können.


    Dann ging Jasper Fforde nochmal auf seine Schreibblockade ein. Er habe versucht, etwas zu schreiben, dass ihm nicht liege. Seine Erwartung an die Fortschritte seines schriftstellerischen Könnens habe nicht der Realität entsprochen und man müsse sich auch den Fakten stellen, dass man nicht für jedes Genres schreiben könne. Als Autor müsse man sehr kritisch mit den eigenen Texten umgehen, “passt schon” (“this will do”) solle nicht der Maßstab sein.


    Seiner Ansicht nach ist Grau sein bisher bestes Werk, leider nicht nach den Verkaufszahlen, gefolgt von The Fourth Bear (bisher nicht übersetzt). Täglich bekomme er Emails, die nach der Fortsetzung zu Grau fragen. Als nächstes erscheine ein Roman mit abgeschlossener Handlung, dann der vierte Band der “Drachentöter”-Reihe, weil der amerikanische Verlag scheinbar viel Druck wegen des längst überfälligen Buchs ausübt. In ungefähr drei Jahren dann die Fortsetzung zu Grau und 2022 möglicherweise einen neuen Band der Thursday Next Reihe.


    Eigentlich wollte Jasper Fforde wohl nichts über das nächste Buch verraten, wurde jedoch aus dem Publikum gefragt, ob Kaninchen eine Rolle in seinem nächsten Buch spielen. Was würde passieren, wenn eine Familie außergewöhnlich großer Kaninchen nebenan einziehen würde, Kleidung trüge und… sich vermehre wie Kaninchen. All dies ausgerechnet im als äußerst konservativ bekannten Hertfordshire. Es gebe plötzlich die UKARP (UK Anti Rabbit Party), eines der Mitglieder hieße Nigel, eines ähnele dem Cadbury Caramel Bunny, ein Dachs und ein Dalmatiner bilden ein Comedy Duo mit dem Namen “Spots and Stripes”.


    Man müsse die Magie und Möglichkeiten in unserer Welt sehen, die dann zu etwas Bizarrem verschmelzen können. Gleichzeitig sei ihm bewusst, dass in seinen Büchern auch viel infantiler Humor vorkomme, aber er möge auch die Sketche von Monty Python. Schon als Kind schaute er gerne die “Muppet Show”, sein Vater habe über die meisten Scherze die Nase gerümpft, wollte jedoch immer rechtzeitig für “Schweine im Weltall” gerufen werden.


    Er könne sich nicht vorstellen, einen Schauplatz außerhalb Großbritanniens zu wählen, weil er sich hier viel besser auskenne.


    Lesegruppen würden ihn häufig einladen, um seine Bücher mit ihm zu diskutieren, insbesondere die Reihe um Thursday Next, und ihm zu raten, mehr Mainstream zu schreiben. Mit einem Augenzwinkern erzählte Jasper Fforde, eine Gruppe habe sowohl "Grau" als auch ein Buch mit einem sehr ähnlichen Titel gelesen, aber leider habe er später nichts mehr davon gehört.

    Für ihn sei es ein Unterschied, ob man etwas freiwillig lese oder es lesen müsse. “Der Fall Jane Eyresei wie Kichern aus der letzten Reihe im Englischunterricht.


    Auf die ausgefallenen Namen seiner Figuren angesprochen, erzählte Jasper Fforde, dass er damit einer langen Tradition in der englischsprachigen Literatur folge und sogar ein besonderes Notizbuch dafür habe. Im einem Band der Thursday Next Reihe gibt es eine Figur namens Paige Turner, deren vollständiger Name jedoch erst auf der drittletzten Seite genannt werde. Zuvor sei immer nur die Rede von Page oder Frau Turner. Mit Begeisterung erzählte er von verschiedenen Wortspielen, die in seinen Büchern zu finden sind.


    Jasper Fforde bedankte sich bei seinen Lesern für ihre Kreativität beim Lesen seiner Bücher und entschwand zum Signieren.


    Nach einem eher enttäuschenden Hörerlebnis von Eiswelt freue ich mich auf das Buch um die Kaninchenfamilie, das eher nach Jasper Fforde in seiner alten Form klang.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

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