Anja Kampmann: Wie hoch die Wasser steigen

  • Anja Kampmann: Wie hoch die Wasser steigen

    Carl Hanser Verlag 2018. 352 Seiten

    ISBN-10: 3446258159

    ISBN-13: 978-3446258150. 23€


    Verlagstext

    Wenzel Groszak, Ölbohrarbeiter auf einer Plattform mitten im Meer, verliert in einer stürmischen Nacht seinen einzigen Freund. Nach dessen Tod reist Wenzel nach Ungarn, bringt dessen Sachen zur Familie. Und jetzt? Soll er zurück auf eine Plattform? Vor der westafrikanischen Küste wird er seine Arbeitskleider wegwerfen, wird über Malta und Italien aufbrechen nach Norden, in ein erloschenes Ruhrgebiet, seine frühere Heimat. Und je näher er seiner großen Liebe Milena kommt, desto offener scheint ihm, ob er noch zurückfinden kann. Anja Kampmanns überraschender Roman erzählt in dichter, poetischer Sprache von der Rückkehr aus der Fremde, vom Versuch, aus einer bodenlosen Arbeitswelt zurückzufinden ins eigene Leben.


    Die Autorin

    Anja Kampmann wurde 1983 in Hamburg geboren. Sie studierte an der Universität Hamburg und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie veröffentlichte in Zeitschriften, u.a. in Akzente, Neue Rundschau, Wespennest, und im Jahrbuch der Lyrik. 2013 wurde sie mit dem MDR Literaturpreis und 2015 mit dem Wolfgang Weyrauch-Förderpreis beim Literarischen März in Darmstadt ausgezeichnet. Sie lebt in Leipzig.


    Inhalt

    Waclaws Kollege Mátyás ist einfach verschwunden von der Ölbohrplattform vor der Küste Marokkos. Ein unbedachter Moment, einmal die Sicherungsleine nicht richtig einhaken kann einen Arbeiter hier das Leben kosten. Waclaw kann nicht erkennen, dass sein Kollege gesucht wird, auch wenn die gesamte Plattform nach ihm durchsucht wird. Den Seesack seines Gefährten wird er nach Ungarn zu Mátyás Schwester bringen, auf einer Odyssee per Hubschrauber, Boot und als Tramper. Beide Männer waren sich im Laufe ihrer Arbeit auf Bohrinseln mehrfach begegnet, hatten schließlich am Arbeitsplatz vor Marokko eine Kabine geteilt. Für den Teil ihres Lebens, der nicht in einen Spind oder einen Seesack passt, mieteten sie sich gemeinsam ein Zimmer. Möglich, dass sie einander mehr waren als Arbeitskollegen.


    Waclaw tritt unter zwei Namensvarianten auf, in der deutschen und der polnischen Form. Seine beiden Identitäten durchquert er während seiner Reise, fügt aus willkürlich aneinandergereihten Abschnitten schließlich die Biografie eines global eingesetzten Arbeiters zusammen. Waclaws Vater arbeitete im Ruhrgebiet als Bergmann, trug unter Tage seine Gesundheit zu Markte, bis er nicht mehr konnte. Waclaw lebte später mit seiner Frau in Polen; beide Jobs reichten ihnen nicht zum Leben. Er war Schulhausmeister und Vogelwart, bis ihn jemand überzeugte, auf einer Bohrplattform könne er gutes Geld verdienen. Waclaw wird zum Arbeitsnomaden, der ein- oder zweimal im Jahr nachhause kommen kann. Irgendwann macht er Schluss mit Milena und kommt gar nicht mehr. Waclaws düstere Odyssee führt ihn zu Alois, den er seit seiner Kindheit kennt und dessen letzten Wunsch er erfüllen wird. Alois beste Brieftaube soll noch einmal über die Alpen gebracht und auf die Reise geschickt werden. Alois Tauben haben damals Waclaws Sehnsucht geweckt, die Bergarbeitersiedlung zu verlassen und ihn schließlich zu seiner Arbeit „auf den Wassern“ geführt.


    Fazit

    Anja Kampmann erzählt nicht von den Arbeitsnomaden der Neuzeit, sie reiht Bilder aneinander, die sich allmählich zu Waclaws Lebenslauf zusammenfügen: Der Seesack, der Anzug, die Brieftaube, das Messer, das Milena ihrem Mann in die Fremde mitgibt, die Steinpilze, die sie in Polens Wäldern sammeln, Waclaws geschröpfter Rücken bleiben mir unvergesslich. Anfangs habe ich Beschreibungen vermisst, wie eine Bohrplattform klingt, wie sie riecht; suchte Antworten, wer dieser Waclaw ist und welche Art Beziehung er zu Mátyás hatte. Bald sprachen jedoch die Bilder für sich. Kampmanns Bildersprache wird manchen Leser herausfordern, dem Leben dieser modernen Nomaden finde ich sie rückblickend angemessen.


    9 von 10 Punkten

  • Anja Kampmanns Debütroman „Wie hoch die Wasser steigen“beschreibt die Ruhelosigkeit eines Mannes, der auf einer Ölplattform arbeitet.


    Der Pole Waclac Groszak ist 52 Jahre alt, als sein Freund und Kollege Mathyas bei einem Sturm von der Ölplattform verschwindet. Der war Waclac ein wichtiger Anker.

    Waclac ist durch den Verlust arbeitsunfähig. Er macht sich mit Mathyas Seesack auf den Weg um ihn dessen Schwester zu bringen.

    Anja Kampmann lässt uns an Waclacs Zerrissenheit und seinen Emotionen teilnehmen. Auf seiner Reise erfahren wir von den schonungslosen Arbeitsbedingungen der Wanderarbeiter. Die Entwurzelung und Entfremdung der Familie, ist der Preis dieser Arbeit.


    Der Autorin ist es gut gelungen, die Gedanken und Sehnsüchte des Mannes in sensibler Sprache an uns Leser weiter zu geben.


    Dieser Roman ist auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Ich drücke ihm und der Autorin die Daumen.