Sofia Lundberg: Das rote Adressbuch
Verlag: Goldmann Verlag 2018. 352 Seiten
ISBN-10: 3442314992
ISBN-13: 978-3442314997. 20€
Originaltitel: Den röda Adressboken
Übersetzerin: Kerstin Schöps
Verlagstext
Doris wächst in einfachen Verhältnissen im Stockholm der Zwanzigerjahre auf. Als sie zehn Jahre alt wird, macht ihr Vater ihr ein besonderes Geschenk: ein rotes Adressbuch, in dem sie all die Menschen verewigen soll, die ihr etwas bedeuten. Jahrzehnte später hütet Doris das kleine Buch noch immer wie einen Schatz. Und eines Tages beschließt sie, anhand der Einträge ihre Geschichte niederzuschreiben. So reist sie zurück in ihr bewegtes Leben, quer über Ozeane und Kontinente, vom mondänen Paris der Dreißigerjahre nach New York und England – zurück nach Schweden und zu dem Mann, den sie einst verlor, aber nie vergessen konnte.
Die Autorin
Sofia Lundberg wurde 1974 geboren und arbeitet als Journalistin in Stockholm. Mit ihrem Debütroman »Das rote Adressbuch« eroberte sie die schwedische Literatur- und Bloggerszene im Sturm.
Inhalt
Doris lebt mit über 90 Jahren noch im eigenen Haushalt und wird von einem Pflegedienst betreut. Mit den wechselnden Betreuerinnen hat sie aufgrund ihres Alters einige Probleme; die jungen Frauen sind häufig gehetzt und bringen in gutem Willen Doris Ordnung durcheinander. Doris Adressbuch dokumentiert, dass alle Menschen, die sie gekannt oder geliebt hat, inzwischen verstorben sind. Großnichte Jenny, ihre einzige lebende Angehörige, hält aus den USA Kontakt zu Doris per Skype. Eine Pflegekraft hat Doris einen Laptop eingerichtet, den sie eifrig nutzt.
So schreibt sie für Jenny die aufregende Geschichte ihres Lebens auf. Doris musste nach dem Tod ihres Vaters mit 13 Jahren die Schule verlassen und als Hausmädchen arbeiten, eine Entscheidung, die sie ihrer Mutter lange nicht verzeihen konnte. Doch die Arbeit bei der Französin Dominique bringt Doris nicht nur die innige platonische Freundschaft mit dem Maler Gösta, Dominique nimmt Doris auch mit nach Paris. Ob Doris Vater sich hätte erträumen können, dass seine Tochter einmal Paris und New York sehen würde, als er ihr damals das rote Notizbuch schenkte? Gleich zu Beginn zeichnet sich bereits ab, dass Doris im Lauf ihres Lebens eine Vielzahl von getriebenen, heimatlosen, durch den Zweiten Weltkrieg entwurzelten Menschen getroffen hat. Ihr Lebensbericht wird unterbrochen, als sie zuhause stürzt und sich die Hüfte bricht. Sowie sie im Krankenhaus wieder bei Bewusstsein ist, fragt sie nach ihrem Laptop, dem unentbehrlichen Kontakt zu Jenny, ihrer einzigen Familienangehörigen. Mitten aus dem hektischen Alltag mit drei Kindern reist Jenny sofort nach Schweden, um Doris vor ihrem abzusehenden Tod noch einmal zu sehen. Für Jenny wird es die letzte Gelegenheit sein, zu erfahren, warum Doris sie aufgezogen und unterstützt hat und nicht ihre Mutter. In Doris Wohnung gibt es außerdem noch Fotos und andere Unterlagen, die Zeugnis eines aufregenden Lebens in mehreren Ländern ablegen.
Die Idee, mit einem Adressbuch und seinen zig Mal korrigierten Einträgen Rechenschaft über ein Leben abzulegen, hat mich zunächst sehr angesprochen. Das rote Buchcover mit Lackoptik und Namensetikett hat meine Neugier verstärkt. Nach eigener Aussage lässt Sofia Lundberg in ihrem Text drei reale Personen auftreten: das Fotomodell Doris ist an die Autorin selbst angelehnt, Gösta an einen Onkel ihres Großvaters und Doris an ihre Großtante, die ebenfalls ein Adressbuch hinterließ. Durch die vielen, sehr kurzen Abschnitte aus Doris Leben entstehen kurze Kapitel, die mühelos am Leser vorüberziehen. Nachdem mir die erste Hälfte des Romans sehr einfühlsam die Lebenssituation hochbetagter Menschen vermitteln konnte, fand ich die schnellen Szenenwechsel von Land zu Land und Person zu Person in der zweiten Hälfte sehr oberflächlich und die Details (Behandlung einer hochbetagten Patientin im Krankenhaus) eher schlecht fantasiert als glaubwürdig recherchiert.
Fazit
Ein sehr emotionaler Roman mit deutlicher Botschaft, sich hochbetagten Angehörigen rechtzeitig zuzuwenden, solange man sie erreicht, den ich aufgrund einiger flüchtig wirkender Passagen nicht uneingeschränkt empfehle.
7 von 10 Punkten