Überarbeitung

  • Jetzt traue ich mich doch mal eine Frage zu stellen.


    Ich habe eine Adventsgeschichte für (meine) Kinder geschrieben, die ich einer Freundin, die gleichzeitig Lektorin ist, zum Lesen gegeben habe.
    Sie fand sie im Ansatz gut, aber es müssen natürlich noch viele Dinge überarbeitet werden. War mich auch klar, das war ja nur die Rohfassung, aber ich wollte halt wissen, ob es überhaupt Sinn macht, noch weitere Arbeit in die Geschichte zu stecken. Meinen Kinder hat sie nämlich auch so gefallen :grin


    Meine Frage nun, wie handhabt ihr eure Überarbeitungen?
    Streichungen von irgendwelchem überflüssigem Zeug ist klar. Aber wieviel vom Original bleibt erhalten?
    Schreibt ihr die ganze Geschichte noch einmal neu? Oder baut ihr um die "guten" Stücke herum?

  • Liebe Nasenbär,


    Überarbeitungen sind meiner Meinung nach eine Temperamentsfrage. Ich lasse fertige Texte immer ein bisschen liegen und versuche dann mit "freierem" Blick alle Fehler zu finden, die ich gebaut habe, d.h. ich lese den Text noch einmal gründlich, möglichst jedes Wort einzeln. Für manche Fehler bin ich aber soooo blind, dass ich tausend Mal gucken könnte, ohne sie zu sehen. Deshalb brauche ich jemanden, der meine Texte liest und mich auf "krumme" Sachen aufmerksam macht. Im Allgemeinen sind mir aber Überarbeitungen verhasst. Ich mache so wenig wie nur möglich. Wenn ein Buch geschrieben ist, falle ich zuerst in ein kleines Loch, aber dann ist die Sache für mich schon bald recht abgeschlossen, so dass es mir sehr schwer fällt, mich noch einmal mit einer "abgelegten" Sache zu beschäftigen.
    Andere Autoren laufen erst bei der Überarbeitung zur Hochform auf.


    Es tut mir Leid, Nasenbär, dass ich dir nicht richtig helfen kann, denn du musst deine eigene ganz persönliche "Nasenbärarbeitsweise" allein und nach deinen Bedürfnissen finden. Frag doch mal Iris. Sie hat eine andere Arbeitsmethode. Und Gheron und Sysai noch eine andere.

  • Komplett neu habe ich noch nichts geschrieben, wegen einer Überarbeitung. Sätze oder auch mal ganze Absätze streichen ist ganz normal. Umformulieren, den Satzbau auf den Prüfstand stellen gehört einfach zum Überarbeiten dazu. Genauso wie logische Fehler beseitigen oder der Rechtschreibung nochmal einen genaueren Blick zu gönnen.


    Manchmal sträubt sich bei manchen liebgewonnenen Sätzen auch Alles gegen eine Überarbeitung, die aber meist doch begründet ist und auch wirklich erforderlich wäre. In solchen Fällen versuche ich dann soviel wie möglich vom ursprünglichen "Geist" zu erhalten und das Ganze anders zu verpacken.


    Übrigens finde ich die 500-Wort-Grenze beim Eulen-Schreibwettbewerb eine tolle Sache zum üben. Meist sind meine Stories doch etwas zu lang geraten und man lernt dabei gut auf Überflüssiges zu verzichten, was zwar nett wäre, aber den Kern der Geschichte nicht weiter tangiert.


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Nasenbär
    Meine Frage nun, wie handhabt ihr eure Überarbeitungen?


    Mit sehr viel Geduld. :lache



    Es ist natürlich abhängig vom Aufwand. Manchmal lohnt es sich einfach nicht, denn alten Text zu behalten, sondern man baut die ganze Sache noch einmal von vorne auf. Das gilt für Kurzgeschichten ebenso wie für einzelne Szenen -- eine Freundin von mir hat just ein komplettes Projekt "getonnt" und fängt noch einmal von vorne an, weil sie erst jetzt weiß, was sie wirklich erzählen will. Natürlich übernimmt man gerade in einem solchen Fall das eine oder andere, was noch immer gut paßt. Aber manchmal ist es wirklich besser, sich von einer Version völlig zu verabschieden, um sie neu zu gestalten.
    Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um Probleme im Aufbau, in der Struktur handelt.
    Sprachliche Sachen sind eine diffizile Geschichte. Jeder Autor hat seinen eigenen Ton, und dennoch klingt manches einfach wirklich nicht gut. Man sollte seine Texte immer mal durchspielen, sich selbst laut vorlesen -- Mutige am besten vor dem Spiegel.


    Edit: Ines hat recht, ich arbeite wirklich ganz anders als sie. Ich arbeite ziemlich langsam, erst werden Handlung und Struktur geplant, dann in einzelnen Testläufen Erzählhaltung, -perspektive und -form, erst dann wird abgefaßt -- aber auch das nach "Methode Scharping".
    Aber zur Höchstform laufe ich erst bei der Überarbeitung auf. Denn erst wenn ich fertig bin, weiß ich, was ich wirklich erzähle, formuliere den Einstieg neu, baue Vor- und Rückverweise ein, lege Fährten, pointiere Szenen ...


    Das Problem ist, daß ich durch diesen Umformungsprozeß eine sehr, sehr enge Beziehung zu diesem Baby kriege, die nicht unkritisch ist, aber eben sehr emotional. Und wenn dann jemand von mir verlangt, etwas zu ändern, weil das ganze Ding "eh nur Lesefutter" sei, dann werde ich ... defensive.

  • Hallo, Nasenbär,


    das Ziel sollte es sein, das Bestmögliche herauszuholen. Aus jedem Text, den man geschrieben hat.
    Daß etwas 'auch so gefallen hat' darf nicht genügen. So wenig Wert darf man sich einfach nie beimessen.
    Das Bestmögliche kann durchaus beinhalten, daß die Geschichte, so, wie sie ist, tot ist und begraben werden muß - um neugeboren zu werden.


    Manchmal reicht es auch, Teile rauszuwerfen, um einen freieren Blick zu bekommen und dann neu zu ergänzen.
    Manchmal ergibt sich aus den stehengebliebenen Teil eine neue Logik udn damit die neue Geschichte.
    Ich ändere nicht gern und ich streiche nicht gern, aber aber wenn es sein muß, muß es sein. Weh tun kann es auch. ;-)


    Iris, Du benutzt eine Keule? Ich knurre und zeige Zähne!!! Grrrrrrr.
    :lache

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Vielen Dank für eure promten Antworten.


    Das Problem bei der Geschichte ist, dass es eine "Adventskalender-Geschichte" ist, also für alle 24 Tage im Dezember ein Kapitel.
    Da ich die Geschichte jeden Tag weitergeschrieben habe, sind natürlich einige Ungereimtheiten vorhanden bzw. ich habe "Tage", die einfach nur doof sind und eigentlich komplett umgeschrieben werden müssten.
    Beim nochmaligen Lesen sind mir allerdings schon wieder so viele Ideen gekommen, dass eben die Frage des Neuschreibens aufgekommen ist.


    magali
    Natürlich sollte man immer das Beste aus seinem Text herausholen, aber mir geht es da ein wenig wie Ines, wenn ich einen Text geschrieben habe, bin ich schon so gut wie durch mit der Geschichte.


    Na gut, dann werd ich mich mal aufmachen und meinen eigenen "Nasenbär-Überarbeitungsstil" suchen. Hoffentlich kommt dann auch etwas Gescheites dabei heraus.


    Ach, das mit dem laut Vorlesen hab ich schon vorher hier gelernt. Ist echt klasse und man merkt schon gleich, ob etwas rund ist oder nicht.

  • Ich lese ein geschriebenes Kapitel immer wieder, solange ich über Dinge stolpere. Ein Satz, eine Formulierung, eine Szenendarstellung. Stolpere ich über eine Stelle immer wieder, muss ich irgendwann einsehen, dass sie weg muss, andere Stellen bemerke ich schon beim Schreiben und ändere sie gleich am nächsten Tag. Schaffe ich es, dass Kapitel einmal durchzulesen ohne auf etwas zu stoßen, ist es beendet. Nach ein, zwei Wochen lese ich es dann nochmal, und höre meist nach ein paar Seiten auf, weil ich merke, dass es passt. Danach wird das Kapitel zum Probelesen frei gegeben -gibt es dann das okay, bleibt das Kapitel. Ich würde sonst dazu neigen, immer wieder von vorne anzufangen.



    JASS :keks

  • Ich schreibe die Überarbeitungen immer wieder neu. Vieles fällt dann weg, oder ergibt einen besseren Sinn. Desweiteren bleiben die Überarbeitungen immer ein paar Tage liegen, so manches habe ich dann gestrichen.
    Und ich lasse gegen lessen. Je nachdem wie lang die Geschichte ist,dauert der Prozess so zwei bis drei Wochen. Ich versuche mir immer ein Zeitlimit und Seitenlänge zusetzen.
    Zofie :wave