Vivek Shanbhag: Ghachar Ghochar

  • Vivek Shanbhag: Ghachar, Ghochar

    Aufbau Verlag 2018. 152 Seiten

    ISBN-10: 3351037333

    ISBN-13: 978-3351037338. 18€

    Originaltitel: Ghachar Ghochar

    Übersetzer Daniel Schreiber


    Verlagstext

    Als der Onkel des jungen Erzählers in den Handel mit Gewürzen einsteigt, ändert er über Nacht das Schicksal der ganzen Familie. Der einst mittellose Clan zieht in ein großzügiges Haus in einer reichen Wohngegend, verschafft sich neue Möbel und einen neuen Bekanntenkreis. Doch mit dem plötzlichen Reichtum werden auch die Abhängigkeiten neu verteilt: An dem Erfolg des Onkels hängt nun das gesamte Wohl der Familie. Und dieses gilt es zu schützen, um jeden Preis. Notfalls auch vor den eigenen Familienmitgliedern. In einem feinen Wechselspiel von Auslassungen und Andeutungen erzählt Vivek Shanbhag vom moralischen Verfall einer indischen Familie. Ein großer Roman, der die Geschichte eines ganzen Landes in sich trägt.


    Der Autor

    Vivek Shanbhag lebt wie seine Figuren in dieser Erzählung in Bangalore und hat bereits drei Romane und mehrere Kurzgeschichten-Sammlungen verfasst. Er wird als indischer Tschechow gepriesen.

    Inhalt

    Der junge Icherzähler sucht Zuflucht im Coffee House von Bangalore, wo der sehr gutaussehende, sehr diskrete Kellner Vincent seine Gäste in persönlichen Krisen mit Allerwelts-Weisheiten auffängt. Man könnte es so sehen, dass Vincent Schicksal gespielt und indirekt die Ehe des Erzählers gestiftet hat. Sein Vater hatte kurz vor dem Rentenalter seine Stelle als Vertreter für Tee verloren, wie alle seine Kollegen. Mutig investiert der Vater seinen Rentenfonds in den Gewürzhandel seines jüngeren Bruders Venkatachala, der alsbald einen märchenhaften Erfolg der Firma zu verzeichnen hat. Da der Onkel damit zum Haushaltsvorstand aufsteigt, wird er von vorn bis hinten bedient; denn niemand hat Interesse daran, ihn an eine mögliche Ehefrau zu verlieren. Und welche Frau würde einen Mann samt Familie seines älteren Bruders heiraten wollen. Schließlich hat dieser Bruder das Studium des Jüngeren finanziert und damit das Fundament zum heutigen Wohlstand gelegt.


    Die Familie hat bisher in sehr bescheidenen Verhältnissen gelebt. Der Erzähler, seine ältere Schwester, die Eltern und der Onkel teilten sich ein winziges 4-Zimmer-Häuschen. Der wirtschaftliche Aufstieg bringt nicht nur ein größeres Haus und einen Gaskocher, sondern würfelt das Familiengefüge komplett durcheinander. „Nicht wir kontrollierten das Geld, sondern das Geld kontrollierte uns.“ Die klare Ordnung von früher mit Alleinverdiener, unverheiratetem Onkel, Hausfrau und heranwachsenden Kindern wird abgelöst vom Onkel als Chef und Haushaltsvorstand. Für Vater und Sohn gibt es in der Firma keine Aufgabe und – wie sollte es anders sein - entbrennt ein Krieg zwischen den Frauen des Clans um die Lufthoheit über die Küche, als der Erzähler eine arrangierte Ehe eingeht. Seine Frau Anita arbeitet ehrenamtlich für eine Frauenrechts-Organisation und stammt aus einer Familie, in der alle sagen, was sie denken. Diese unangenehme Tatsache hat die Heiratsvermittlerin den Eltern offenbar verschwiegen. …


    Die vertrackte Situation einer Familie, die mehr Geld zur Verfügung hat, als gut für den häuslichen Frieden ist, erzählt Vivek Shanbhag so liebevoll, dass ich am Ende seiner kurzen Erzählung enttäuscht war, nicht noch 400 Seiten über seine Figuren lesen zu können. Ein tolles Buch, das durch die Allgemeingültigkeit der Ereignisse sicher in vielen Kulturen verstanden und gemocht werden wird.


    10 von 10 Punkten


    ASIN/ISBN: 3351037333




  • Der südindische Autor Vivek Shanbhag hat schon 3 Romane geschrieben, aber Ghachar Ghochar ist der Erste, der auf Deutsch übersetzt wurde. Der Übersetzer ist Daniel Schreiber. Vivak Shanbhag lebt in Bangalore, das ist Spielort dieses Romans.


    Der junge Icherzähler geht jeden Tag ins Coffee House, das ist seine Beschäftigung. Die Familie fing in bescheidenen Verhältnissen an. Als der Vater seine Arbeit verliert jat sein Onkel eine Idee. Er hat mit Hilfe des Rentenfonds seines Bruder, dem Vater des jungen Mannes, einen Gewürzhandel aufgebaut. Sie werden wohlhabend.

    Onkel, Vater Mutter, der Sohn mit seiner Frau und seiner Schwester wohnen alle zusammenin einem Haus. Der junge Erzähler lebt wie eine Made im Speck. Nur seine Frau stört das.


    Der Autor gibt dieser Geschichte mit ruhiger Sprache einen besonderen Stil. Er erzählt von dem moralischen Verfall der Familie.

    Eine gute anspruchsvolle Literatur. Ich würde gerne mehr von dem Autor lesen.

  • Produktinformationen siehe oben


    Meine Meinung:


    Wird hier zunächst ein warmherziges und detailliertes Bild einer wenn auch nicht reichen, so doch stabilen und v.a. emotional intakten indischen Familie aus dem unteren Mittelstand gezeichnet, so bröckelt dies bald, als ein Familienmitglied zu Geld kommt und die Familie ihre angestammte Schicht hinter sich lässt. Typische und offenbar kulturübergreifende Verhaltensweisen von Neureichen greifen um sich, andere Wertvorstellungen halten Einzug, Machtverhältnisse verschieben sich, mit der Ehrlichkeit hat es ein Ende, und keiner rüttelt vorerst daran, denn es ist ja so bequem…


    Vivek Shanbhags Roman – eigentlich eher eine längere Erzählung – hat mich von der ersten bis zur letzten Seite fest in seinen Bann gezogen. Ich hätte mir allerdings noch genauere Darstellungen zum wirtschaftlichen Aufstieg und dem parallel stattfindenden moralischen Abstieg der Familie gewünscht, mehr Andeutungen auf die Verstrickungen in unlautere Geschäfte, fragwürdige Methoden etc. – so kam mir der Schluss zu schnell und abrupt. Das Buch hätte gern ein bisschen dicker sein dürfen. :-)


    8 von 10 Punkten vergebe ich für dieses schöne Buch und werde auch gern mehr von dem Autor lesen.

  • Für mich ein sehr schönes Büchlein, erzählt es doch ganz genau und für viele Länder und Menschen gültig, die Erfahrungen, die so ein Geldrausch mit sich bringen kann. In ärmlichen Verhältnissen gab es für die Familie Zusammenhalt, alle Anschaffungen wurden diskutiert und nun mit dem großen Reichtum gehen diese Familienbande verloren. Der Erzähler und Sohn lebt in den Tag hinein vom Geld des Onkels und lediglich seine junge Frau, aus einem Akademikerhaushalt, findet das in dieser Form nicht in Ordnung.


    Für mich hätte das Buch auch gerne um einiges dicker sein dürfen, denn ich hätte gerne noch mehr erfahren.


    Ein Highlight!

  • Ghochar Ghachar - Vivek Shanbhag


    Mein Eindruck:

    Es dauerte einen Moment, bis ich in das Buch reingekommen bin (es gab auch eine längere Lesepause zwischen dem 3.Kapitel und dem Rest), doch nach einer Weile konnte mich der Erzähler durch seinen Erzählton überzeugen. Eine Großfamilie, die zu Geld gekommen ist, lebt zusammen in einem Haus. Chikkappa, der Onkel des Erzählers ist der Ernährer der Familie, der Vater steht in der Hierachie gleich dahinter. Dann gibt es noch die 3 Frauen, die das Leben des Protagonisten bestimmen: seine Mutter, seine Schwester, die ihren Ehemann verlassen hat und als er eine arrangierte Ehe eingeht auch noch seine Frau Anita. Die drei Frauen verstehen sich im Haushalt nicht besonders gut.


    Es gibt einige Schwierigkeiten. Die durch die besondere Situation angespannte Stimmung innerhalb der indischen Familie konnte ich nachvollziehen. Die Anspannung nimmt zu und es droht innerhalb der Familie zu eskalieren. Nur im Coffee House kann der Protagonist sich kurzzeitig entspannen, deswegen verbringt er auch viel Zeit da. Er ist ein auffällig passiver Mann!


    Der Roman ist kurz, dabei hätte es sicher noch einiges zu erzählen gegeben. Deswegen leuchtet mir diese Begrenzung im ersten Moment nicht ein, doch es ist auch eine Tugend, dass der Autor Vivek Shanbhag nicht alles auserzählt. Vieles bleibt im Raum offen stehen und erfordert die eigenen Gedankengänge des Lesers. Es ist eine bemerkenswerte Familiengeschichte und ein gutes Buch eines souverän erzählenden Schriftstellers.