Der Name der Rose

  • Ich habe den Film gesehen und habe das Buch nagelneu in einem Bücherschrank am Wörthsee gefunden. Ich habe die Hälfte gelesen und lege es jetzt vorläufig weg. Es ist durchaus spannend, aber schwer zu lesen, weil der Autor anscheinend dem Leser ständig beweisen muss, welches Wissen er doch besitzt. Diese seitenlangen Abhandlungen über haufenweise Orden, Familienclans, Fürstenhäuser, ständige Fehden zwischen Kaiser und Papst von denen ich noch nie gehört habe und die für mich den Fortgang der Handlung nur stören, dann diese ständigen lateinischen Bemerkungen, ja ganze Sätze, die ich mir dann im Verzeichnis am Ende durchlesen muss, und dann haufenweise überflüssige Klammern, als habe er Angst, der Leser käme nicht mit seinen Gedanken mit. Da lässt einer seine Bildung ganz ordentlich raushängen. Und als er dann auch das Hohelied aus dem Alten Testament als Liebesgestammel des jungen Adson einfügt, was irgendwie komisch wirkt, und keinen Verweis auf die Quelle gibt, hats mir gelangt. Ich habe es beiseite gelegt. Bestimmt werde ich es fertiglesen, aber nur, wenn ich sonst nichts habe. Schade, weil es schon eigentlich spannend geschrieben ist.

  • Hast du einmal versucht, einige Teile einfach zu überblättern, mit denen du nun einmal nichts anfangen kannst?


    Abgesehen davon ist natürlich zu beachten, dass das Buch bereits in den 1980er-Jahren geschrieben wurde und ein Autor beziehungsweise eine Autorin damals von einer Leserschaft aus der damaligen "Mittelschicht" mehr an Lesefähigkeit und Lesekönnen voraussetzen konnte als heute.


    Die einmalige Stärke des Buches (und es ist sicher kein Zufall, dass Eco ein vergleichbares Buch danach nicht mehr gelungen ist), liegt eigentlich darin, dass hier der Unterhaltungsfaktor, der intellektuelle Tiefgang und weitere philosophische Extras insofern gelungen sind, als (meine Erfahrung) selbst die, welche nur eine simple Krimihandlung wollen, doch so gut bedient sind, dass ihnen die übrigen Teile eher als unnötig erscheinen, letztlich aber nicht den Lesegenuss total zerstören.


    Nicht zufällig gehört "Der Name der Rose" auch zu jenen Büchern, die bei einem Re-Read (wenn die Handlung bereits bekannt ist) gewinnen, da es dann eine ganze Menge weiterer Dinge zu entdecken gibt. Und das Buch bietet gerade wegen seiner zusätzlichen Informationen, die hier im Unterschied zu heutigen Büchern in die Handlung integriert oder anhand der Handlung angeboten werden, die Möglichkeit, sein Wissen (nicht nur Fakten), sondern auch das Denken zu erweitern. (Wobei das Buch noch genug Unterhaltung bietet und funktioniert, wenn sich Leser/in nur auf die Krimihandlung beschränkt.)

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • <Ich habe den Film gesehen> ist ein schlechter Start, weil er falsche Erwartungen weckt.


    "Der Name der Rose" hat u. a. die Frage gestellt, wem Wissen gehört, wer darüber bestimmt. Interessanterweise erschien der Roman in einer Zeit, als viele in Deutschland noch glaubten, Erfolg und gesellschaftlicher Aufstieg wären rein leistungsabhängig. Dass wir davon inzwischen weit entfernt sind und Bildungseliten wieder Bildungseliten hervorbringen, macht das Buch für mich u. a. zum Klassiker. Wem gehören Bildung und Wissen heute?