Charlotte Roth - Wenn wir wieder leben

  • Taschenbuch: 608 Seiten

    Verlag: Knaur TB (2. Juli 2018)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 3426520303

    ISBN-13: 978-3426520307


    Inhaltsangabe:


    Das vornehme Ostseebad Zoppot bei Danzig in den 1920er Jahren. Hier herrschen überschäumende Lebenslust und unbeschwerte Sommerfrische. Die vier Freunde Lore, Gundi, Julius und Erik erfreuen die Kurgäste mit flotten Rhythmen und eingängigen Melodien und träumen vom Durchbruch als Musiker. Bald ist ihnen tatsächlich Erfolg beschieden, auf dem Luxusschiff Wilhelm Gustloff befahren sie die Meere – und ignorieren, dass sich die Zeiten schon lange geändert haben. Gundi verliebt sich in den Sänger Tadek, aber dann überfällt Hitler Polen, und Tadek schließt sich dem Widerstand gegen die Nazi-Besatzer an: Das Ende einer großen Liebe?


    Autoreninfo:


    Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Mit ihrem Roman "Als wir unsterblich waren", der auf einem Stück ihrer eigenen Familiengeschichte basiert, erfüllte sie sich einen langgehegten Traum, und der Roman wurde zum Bestseller. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa, hält an ihrem Koffer in Berlin aber unverbrüchlich fest.


    Meine Meinung:


    Titel: Wenn eine Liebe nicht sein darf…


    Als Fan von Charlotte Roth und ihren Büchern, habe ich gar nicht lange überlegt, sondern mir direkt dieses Buch beschafft und war erfreut, dass es mich an die Ostsee führt, wo ich sehr gerne Urlaub mache.


    In der Geschichte geht es um die vier Freunde Gundi, Lore, Erik und Julius, die sich Ende der 20er Jahre kennenlernen und als Band zusammenfinden. Sie genießen das unbeschwerte Leben im Ostseebad Zappot und erlangen auch als Musiker langsam aber sicher Erfolg. Als die Musikgruppe eine Anstellung auf der Wilhelm Gustloff erhält, scheint ihr Glück perfekt. Doch dann bricht der Krieg aus und nichts ist mehr wie es war. Werden die Freunde dieses Schicksal meistern können?


    Die Handlung wird uns über einen beobachtenden Erzähler und zwei Handlungsstränge nahegebracht. In den 20ern und während des 2. Weltkrieges begleitet der Leser Gundi und danach ab 1963 Wanda. Bei beiden Frauen handelt es sich um starke Persönlichkeiten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Erst im Verlauf der Geschichte kristallisieren sich die Verbindungen heraus, was mir gut gefallen hat. Man tappt wirklich lange Zeit im Dunkeln, was die beiden Frauen verbindet und die Auflösung dessen war wirklich geschickt umgesetzt.


    Am meisten erfahren wir über Gundi und ihre Freunde. Hierbei gelang es der Autorin sehr gut die Unbeschwertheit der Sommerfrische bis zum Ausbruch des Krieges aufzuzeigen. Den Menschen geht es gut und es mangelt an nichts. Polen und Deutsche leben in Danzig und Umgebung friedlich nebeneinander her. Erst bei Ausbruch des Krieges spitzt sich die Lage zu, was Charlotte Roth für meinen Geschmack ebenfalls sehr gut umgesetzt hat.


    Im Fokus steht ganz klar Gundi und trotzdem fand ich, dass man über die Nebencharaktere ausreichend erfährt. Gundi als Protagonistin gefiel mir nur bedingt. Ich mochte sehr, dass sie mit allem so glücklich und auch mit wenig zufrieden ist, allerdings handelt sie ein ums andere Mal recht naiv und auch oft egoistisch. Ich mochte nicht, dass sie unbedarft die Gefühle anderer verletzt und dies scheinbar oft nicht mitbekommt oder nicht sehen möchte. Aber wie soll ihr ein anderes Agieren auch gelingen, wenn sie von der Mutter verlassen und vom Großvater verhätschelt wurde?


    Im zweiten Handlungsstrang steht Wanda im Mittelpunkt, die sich auf die Suche nach ihrer Familiengeschichte begibt. Es gehört schon sehr viel Mut dazu erfahren zu wollen, ob die Familie Täter oder Opfer war, viele hätten sich dem Wagnis sicher nicht gestellt. Mit ihr konnte ich mich sehr gut identifizieren, da ich auch immer gern alle Hintergründe kenne. Zudem kam sehr glaubhaft rüber, dass sie eine Mauer des Schweigens durchbrechen muss, denn es war absehbar, dass nach den schrecklichen Ereignissen kaum einer bereit sein wird darüber zu sprechen was erlebt worden ist, verdrängen geht schließlich leichter.


    Das Besondere an dem Buch ist zudem die Sprache, denn es wird der Dialekt „Danziger Missingsch“ sehr oft gebraucht, was einen noch besser in die damalige Zeit hinein versetzt und eben auch in diese besondere Gegend. Viele Worte sind deutlich niedlicher und heimeliger als das Hochdeutsche, irgendwie fühlt man sich da mehr von der Sprache umarmt.


    Gut gefallen hat mir des Weiteren, dass die Gräueltaten, die in Danzig passiert sind, beleuchtet werden ohne dabei etwas zu beschönigen. Hier war einiges Neues für mich dabei, werden in der Schule und in der Öffentlichkeit eher die Taten in Deutschland aufgezeigt.


    Fazit: Ein Buch voller Emotionen, das mich sehr gut unterhalten hat. Gern spreche ich eine Leseempfehlung dafür aus. Wieder einmal klasse!


    Bewertung: 10/ 10 Eulenpunkten

  • Buchmeinung zu Charlotte Roth – Wenn wir wieder leben

    „Wenn wir wieder leben“ ist ein historischer Roman von Charlotte Roth, der 2018 bei Knaur TB erschienen ist.

    Zum Autor:

    Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Mit ihrem Roman "Als wir unsterblich waren", der auf einem Stück ihrer eigenen Familiengeschichte basiert, erfüllte sie sich einen langgehegten Traum, und der Roman wurde zum Bestseller. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa, hält an ihrem Koffer in Berlin aber unverbrüchlich fest.

    Klappentext:

    Das vornehme Ostseebad Zoppot bei Danzig in den 1920er Jahren. Hier herrschen überschäumende Lebenslust und unbeschwerte Sommerfrische.

    Die vier Freunde Lore, Gundi, Julius und Erik erfreuen die Kurgäste mit flotten Rhythmen und eingängigen Melodien und träumen vom Durchbruch als Musiker.

    Bald ist ihnen tatsächlich Erfolg beschieden, auf dem Luxusschiff Wilhelm Gustloff befahren sie die Meere – und ignorieren, dass sich die Zeiten schon lange geändert haben. Gundi verliebt sich in den Sänger Tadek, aber dann überfällt Hitler Polen, und Tadek schließt sich dem Widerstand gegen die Nazi-Besatzer an: Das Ende einer großen Liebe?

    Meine Meinung:

    Es sind die weiblichen Hauptfiguren, mit denen ich bei Charlotte Roth Probleme haben. Sowohl Gundi wie auch Wanda verhalten sich nach meiner Einschätzung nicht nachvollziehbar. Als Gundi sich in Tadek verliebt, benimmt sie sich wie ein pubertierendes Mädchen. Alles andere, sogar ihr Kind, ist ihr egal, hauptsache sie ist mit Tadek unterwegs. Bei Wanda ist es die starre Haltung ihrer Mutter gegenüber. Sie besteht auf einer Auskunft, was vor und während des Krieges geschehen ist. Dabei ist sie extrem starrsinnig und nach dem Selbstmord macht sie sich auf Spurensuche in Polen.

    Die Geschichte spielt in zwei Zeitebenen, die auch unterschiedliche Sichten auf ein und dasselbe Ereignis ermöglichen. Die vier Piroggen sind eine mäßig erfolgreiche Musikgruppe, die seit ihrer frühen Jugend Freunde sind. Dann haben sie großen Erfolg mit einem Lied, das Gundi bei ihrer polnischen Freundin Rosi kennenlernt. Unauffällig wächst der Einfluss der Nationalsozialisten in Danzig und Zoppot und auch das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen geht den Bach runter. Ironischerweise ermöglicht es aber ausgerechnet der Nazi und Gauleiter Forster, dass Gundi ihre polnischen Bekannten verstecken kann. Sympathisch sind vor allen POP und Gundis Tante, für die nur der Mensch und nichts anderes zählt. Gundi agiert in manchen Dingen sehr rücksichtslos, bedauert dies dann aber meist wieder. Allein ihr Verhältnis zu ihrem Mann Julius ist deprimierend. Aber dann gibt es eine Aktion, die sie in einem anderen Licht erscheinen lässt.

    In der zweiten Zeitebene ist Wanda unterwegs. Dort wird es erst interessant, als sie in Polen unterwegs ist. Ihr Freund Andras sagt einmal, dass es die Opfer sind, die die Erinnerung nicht aushalten. Diese Erfahrung führt zu einer abweisenden, wenn nicht gar feindlichen Haltung Wanda gegenüber. Wanda will aber trotzdem die Wahrheit wissen, muss aber erkennen, dass dies eine sehr schmerzhafte Erfahrung sein kann.

    Sehr gelungen fand ich die Beschreibung des aufkommenden Nationalismus und der Besonderheiten, die mit dem politischen Status Danzigs verbunden waren. Man versteht die Vorbehalte, die Polen damals und zum Teil heute noch gegen Deutsche haben, weil ihnen unsägliches Leid zugefügt wurde. Gut gefallen haben mir auch die meisten der Charaktere, auch wenn ich Gundi, Wanda und auch Tadek für überzeichnet halte.

    Fazit:

    Dieses Buch ist keine leichte Kost und die Autorin macht es ihren Figuren nicht leicht. Anschaulich wird der zunehmende Einfluss der Nazis in Danzig beschrieben und wie sie das Verhalten großer Teile der deutschen Bevölkerung verändert haben. Auch die Szenen im Nachkriegspolen waren überzeugend. Allein die Hauptfiguren haben mir nicht zugesagt. So vergebe ich knappe vier von fünf Sternen (75 von 100 Punkten) und spreche eine Leseempfehlung aus.

    :lesend Beate Maly - Tod am Semmering

    :lesendEmily Rudolf - Das Dinner

    :lesend Achim Zons - Von Schafen und Wölfen

  • Wenn wir wieder leben – Charlotte Roth


    Dieser Roman hat meinem Eindruck nach mehrere Qualitäten.

    Zum einen ist er gut lesbar und unterhaltend geschrieben und zeigt den Lebensweg einer Frau über Jahre. Zum anderen zeigt er die inneren Konflikte der Figuren, zum Beispiel, wie junge Menschen alles in Frage stellen und an sich und ihre Verwandten zweifeln. Und auch, wie das Schweigen über die Vergangenheit eine Familie zerstören kann.


    In diesem Roman funktioniert die Kombination dieser Elemente und der Roman ist deswegen so effektiv. Man profitiert davon, dass Charlie eine erfahrene und sorgfältige Autorin ist.

  • Ich gehe davon aus, dass der Autorin meine Bemerkungen zu diesem Buch nicht gefallen werden, obwohl ich es überschwänglich loben werde. Charlotte Lyne hat wunderbare historische Romane geschrieben, die zu meinen absoluten Lieblingsbüchern gehören, sei es Glencoe oder Die zwölfte Nacht, das sind gerne zum dritten Mal gelesene Highlights, die aber wegen der Bild- und Sprachgewalt keine breite Leserschaft ansprachen.


    So hat sich die Autorin als Charlotte Roth neu erfunden und z.B. mit „Als wir unsterblich waren“ neue Must have Bücher für die Freunde historischer Romane geschaffen. Leichter, schwungvoller im Schreibstil, aber historisch und von den Bildern genauso faszinierend.


    In diesem Buch aber steckt jetzt wieder sehr viel Charly Lyne. Wer sich darauf einlässt blickt in die Abgründe heutiger Realitäten, entdeckt die sicher nicht aus Zufall aufgezeigten Parallelen der Endzwanziger/ Anfang dreißiger Jahre zu seiner heutigen Umgebung. Aber auch das fehlen eines Antriebes wie es in der zweiten Zeitebene beschrieben wird. Die beginnende 68er Generation auf der Suche nach sich selbst und das heißt immer auf der Suche danach wo man herkommt. Das interessiert heute niemand mehr. Meiner Ansicht nach ein Grund dafür, dass manche Leser*innen die Figuren für überzeichnet halten, sie kennen diese Gefühle nicht mehr. Das Gefühl unbedingt wissen zu wollen ob die eigene Familien Täter oder Opfer war, mit einem moralischen Rigorismus ohne zu wissen wie es wozu kam zu urteilen und zu verurteilen. Das interessiert die schnelllebige Smartphonegeneration nicht mehr. Information ist heute scheinbar allumfassend verfügbar. Wen interessiert die nicht verfügbare Information schon noch?


    Um so größer ist die Gefahr, dass diese Menschen so ahnungslos wie die junge Gunda Sonnenschein auf die Katastrophe zu steuern. Gundi Sonnenschein kenne ich aus vielen Erzählungen meiner Mutter, ein weit verbreiteter Typ junge Frau in den Roaring Twenties, hier aber eine die es durch Zufall schafft - und weil sie anfängt mit den Teufel zu spielen. Langsam erst bemerkt sie was da um sie herum passiert, sie war immer das wohlbehütete Kind, den alles zuflog, alles richtet sich von selbst. Das diese Haltung grob rücksichtslos und egoistisch daherkommt wird ihr selbst dann nicht bewusst als sie einen Mann heiratet der ihr eigentlich nur Freund ist und sie von ihm ein Kind bekommt. Dieses Kind, Ariane, ist ein erstes Verbindungsglied der zwei Zeitebenen, taucht sie doch als ältere Schwester der suchenden Wanda schon am Anfang auf. Ariane wird von ihrer Mutter nicht geliebt, sie, Gundi Sonnenschein, hat nie Mutterliebe empfangen und kann ich keine geben. Hier kann ich die Gedanken, die ich beim Lesen empfand nicht weiterspinnen, da ich zu sehr Spoilern würde.


    Aber wie gesagt, wer sich traut kann in Abgründe schauen, die schaudern machen. Das Buch hat 595 Seiten, der Krieg bricht erst Seite 432 aus. Die Entwicklung dahin, das Verhalten der Protagonisten in der sich verändernden Welt, ist der Inhalt des Buches. Das was da passiert und was die Veränderung der Umgebung aus jedem Einzelnen macht. Wie reagiert der normale Mensch auf den Faschismus. Wer wird Opfer, Widerstandskämpfer, Held, wer versucht einfach nur sein Leben zu leben. Wer lädt Schuld auf sich. Zitat: Ich war doch nur ein Schneider und Häftlingskleidung tut ja auch niemanden Weh. Ich war doch nur ein Buchhalter- davon das Einnahmen und Ausgaben eines KZs in Spalten eingetragen werden, stirbt schließlich keiner. Ich war doch nur eine Musikerin. Dass ich mich Hitlers Propaganda Flagschiff Kraft durch Freude verkauft habe, hat doch harmlose Arbeiter glücklich gemacht. Zitatende.


    Was die Autorin sehr gut herausarbeitet ist die Tatsache, dass die Opfer genauso gnadenlos verdrängen wie die Täter. Ich war gerade gestern bei der Beerdigung einer alten Frau, die vor zwei Jahren ihren Kindern erzählt hat, dass sie eigentlich slowenische Wurzeln hat, als Kärtnerin im Grenzgebiet aufgewachsen mit einem deutschen Mann aber nach dem Krieg entschieden hat von diesem kulturellen Erbe ihren Kindern nichts zu erzählen. Ein wahnsinniger Eingriff in die eigene Wahrheit. So geht es den Polen in der Geschichte der Wanda. Sie sind 1963 noch nicht in der Lage der jungen Deutschen zu verzeihen, sie sind aber ich nicht in der Lage zu erzählen was ihnen geschehen ist, was ihnen angetan wurde. So geht es selbst Wandas Mutter, die die Antworten auf ein Warum und Wie nicht geben kann und mag und ihnen entflieht. Nur wer seine Wurzeln kennt weiß in welchem Boden er Nahrung und Kraft erhält. Nur wer nicht Wikipediainformationen überfliegt, sondern Wissen erlangt und verarbeitet kann die Zukunft selbst gestalten. Das lernen wir aus diesem Buch. So sehr Sonnenschein alle Welt erfreut - sich treiben lassen führt auch den Sonnenschein ins Dunkel.


    Natürlich kann man dieses Buch vielleicht auch als nette Liebesgeschichte lesen, aber das tut dem Buch unrecht. Ich werde beim zweiten und dritten lesen sicher weitere Facetten entdecken, die mich zum Nachdenken bringen auch über die eigene Familie und Familiengeschichte. Ein wirklich großartiges Buch. Keine leichte Kost. Ein guter Charly Lyne eben. Eigentlich ein Buch, dass man in der Schule den Kindern zum Lesen geben müsste. Ein Buch das jeder gelesen haben sollte. Jeder.