Unruhe - Zülfü Livaneli

  • Unruhe - Zülfü Livaneli


    • Gebundene Ausgabe: 168 Seiten

    • Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 1., (21. Juli 2018)

    • Sprache: Deutsch

    • ISBN-10: 3608962670

    • ISBN-13: 978-3608962673

    • Originaltitel: Huzursuzluk


    Beschreibung

    Ein aufstrebender Journalist reist aus Istanbul in seine Heimat an die türkisch-syrische Grenze. Dort sucht er nach Spuren eines Freundes und stößt auf die Berichte junger Jesidinnen, die dem IS entkommen konnten. Immer tiefer gerät er in einen Sog aus aktuellen und alten Geschichten, Leidenschaften und Gewalt, der ihn zwingt, seine Herkunft und sein Leben neu zu bewerten.



    Autor

    Zülfü Livaneli, geboren 1946 in Konya-Ilgin (Türkei). In den 70er Jahren war er wegen seiner politischen Anschauungen gezwungen, die Türkei zu verlassen, erst 1984 kehrte er zurück. Zülfü Livaneli ist neben Orhan Pamuk einer der erfolgreichsten Autoren der Türkei, der mit seinen Büchern, Liedern und Kinofilmen international große Erfolge feierte. Einige Jahre war er Mitglied des türkischen Parlaments, besonders setzte er sich dabei für die türkisch-griechische Aussöhnung ein. Für sein breites Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den »Orhan-Kemal-Literaturpreis«.


    Meine Meinung

    Ich war ein Mensch


    Unruhe ist ein beeindruckender Roman des bedeutenden türkischen Autors Zülfü Livaneli mit aktuellem Thema. Übersetzt wurde der Roman von Gerhard Meier. Der Autor versteht es kulturelle und politische Szenen der Türkei dem Leser nahe zu bringen.

    Vor 5 Jahren habe ich den Roman Glückseligkeit gelesen und freue mich, das ich den neuen Roman Unruhe bei Klett-Cotta entdeckt habe.


    Der junge Journalist Ibrahim erfährt in Istanbul vom Mord an seinem Jugendfreund Hüseyin in der USA. Seine Zeitung schickt ihn in seine Heimatstadt Mardin um mehr über die Hintergründe zu erfahren. Mardin liegt an der türkisch-syrischen Grenze.


    Hüseyin hat Jesidinnen, einer Glaubensgruppe aus Syrien, die von der IS gefangen waren und fliehen konnten, geholfen. So macht er sich die zu Feinden.

    Ibrahim erfährt auf den Spuren seines Freundes von einer geheimnisvollen Verlobten und macht sich auf die Suche nach ihr.


    Der Autor beschreibt den unglaublichen Leidensweg der jesedischen Frauen.

    Zülfü Livaneli lässt seinen Protagonisten diese Geschichte emotional erzählen und sie ist brandaktuell. Genial.

  • Inhalt

    Der Journalist Ibrahim kehrt nach vielen Jahren in Istanbul in seinen Heimatort Mardin an der Grenze zu Syrien zurück. Sein Kindheitsfreund Hüseyin ist in den USA erstochen worden und Ibrahim begibt sich auf Spurensuche, befragt Angehörige und Zeitzeugen. Vor seiner Redaktion lässt sich der lange Aufenthalt damit rechtfertigen, dass gerade Angelina Jolie ein Flüchtlingslager in der Region besucht. Der stets gutherzige Hüseyin hatte sich als Helfer in einem Flüchtlingslager in die Jesidin Meleknaz verliebt und dafür seine Verlobte verlassen. Eine Heirat wird jedoch von der muslimischen und der jesidischen Religion verboten. Nach heftigen Konflikten mit Eltern und Geschwistern wegen seiner konfliktträchtigen Wahl flüchtet Hüseyin zu seinen Brüdern in die USA, nachdem in Mardin auf ihn geschossen worden ist. Kurz nach seiner Ankunft wird er dort von religiösen Extremisten getötet.


    Ibrahim erkennt, dass er sich seiner Heimatstadt entfremdet hat, aber auch, wie stark sich der Islam in seiner Abwesenheit gegenüber dem gelassenen Stil verändert hat, den seine Mutter heute noch lebt. Natürlich muss er als Journalist sich auch mit Gewalt und Menschenhandel im Namen seiner Religion auseinandersetzen und warum Menschen ihren religiösen Führern kritiklos folgen. Zentrale Punkte in Ibrahims Auseinandersetzung mit Hüseyins Tod sind jedoch das Einzelschicksal und Erklärungsversuche in Gleichnissen. Onkel Fuat, der Vater von Ibrahims Freund Mehmed, erklärt ihm das Problem der „Harese“, einer Gier, die Menschen und auch Tiere dazu führt, sich selbst zugrundezurichten. Ein Kamel würde Disteln fressen, bis es blutet und müsse bis zum Verbluten immer weiter fressen. Genauso würde der Nahe Osten sich selbst töten. Ibrahim bezieht sich im Text auf einen bildlichen Vergleich in Livanelis Roman Glückseligkeit. Dort vergleicht der Autor türkische Intellektuelle mit Trapezartisten, die ihren eigenen (heimatlichen) Trapezgriff bereits losgelassen hätten, den neuen (westlichen) jedoch noch nicht ergriffen.


    Fazit

    Wer sich von der Erklärung aktueller weltpolitischer Konflikte in Gleichnissen angesprochen fühlt, wird Ibrahims Spurensuche gern folgen. Zugleich ist „Unruhe“ eine willkommene Gelegenheit für eine Wiederbegegnung mit „Glückseligkeit“ unter veränderten äußeren Bedingungen.


    8 von 10 Punkten