Melanie Raabe - Der Schatten

  • Einsamkeit im düsteren Wien ****


    Die Journalistin Norah zieht nach einer gescheiterten Beziehung von Berlin nach Wien.

    Dort begegnet ihr auf der Straße eine Bettlerin, die ihr prophezeit, dass sie Arthur Grimm aus gutem Grund töten wird. Norah ist perplex, sie kennt keinen Mann mit diesem Namen, und überhaupt - sie kann doch niemanden töten. Doch nach und nach gerät sie in einen merkwürdigen Strudel von Ereignissen (Dinge verschwinden, andere erscheinen plötzlich, sie bekommt seltsame SMS und eines Tages liegt eine Waffe in ihrer Wohnung). Und auf einmal ist sie sich nicht mehr so sicher, ob sie nicht doch zur Mörderin werden könnte…

    Am Anfang fand ich die Handlung sehr interessant. Norah erschien mir bodenständig, sie leidet zwar immer noch am Selbstmord ihrer besten Freundin, aber das ist schon 18 Jahre her. Sie hat zwar Freunde, aber sie fühlt sich dennoch sehr verloren. Ihre Wohnung ist noch sehr trist, ich spürte regelrecht ihre Einsamkeit. Dann erfährt sie, dass es sich bei dem Tod von Valerie vielleicht doch um Mord gehandelt haben könnte. Nach und nach ging mir Norah dann doch ein wenig auf die Nerven. Erst sagt Norah, sie könne keinen Menschen töten, dann ertappt sie sich bei der Planung des Mordes - das fand ich ziemlich abstrus, da ich sie ja wie gesagt für sehr stabil gehalten habe.

    Am Anfang des Buches bekommt man auch noch die Denkweise von Norah mit, aber nach und nach erhält sie Informationen, die mir als Leser aber versagt bleiben. Viele Sachen waren mir unerklärlich, z.B. warum Arthur Grimm so aggressiv auf Norah reagiert, obwohl er sie doch noch gar nicht kennt. Melanie Raabe versteht es, den Leser geschickt an der Nase herum zu führen. Allerdings wird dadurch die Spannung unerträglich und ich fühlte mich gezwungen, das Buch in einem Rutsch durchzulesen.

    Die Ungewissheit war natürlich wichtig für das überraschende und sehr gut konzipierte Ende des Thrillers und hat mich dann mit den vermeintlichen Ungereimtheiten im Buch wieder ausgesöhnt.

    Fazit:

    Spannender und verwirrender Thriller mit einem richtig überraschenden Finale!

  • Darum geht's:

    Norah hat ihre Zelte in Berlin abgebrochen und möchte in Wien privat und beruflich neu anfangen. Als eine Bettlerin ihr ungefragt eine Prophezeiung macht, ist Norah schockiert, denn die unheimliche Frau kündigt an, dass Norah zur Mörderin wird und das ausgerechnet an einem Tag, den Norah mit einem schrecklichen Erlebnis verbindet.


    So fand ich's:

    „Am 11. Februar wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Aus freien Stücken. Und mit gutem Grund.“

    Norah weiß nicht, was sie von dieser Prophezeiung halten soll. Doch als Journalistin ist sie gut in Recherche. Sie versucht, die Frau, die ihr das gesagt hat, wiederzufinden und auch herauszubekommen, wer Arthur Grimm, ihr angebliches Opfer, den sie gar nicht kennt, denn nun ist. Je mehr sie sich mit der Sache beschäftigt, desto undurchsichtiger und unheimlicher wird sie allerdings.

    Als aufmerksame Leserin versuche ich natürlich dahinterzukommen, was da vor sich geht. Ich mache mir Gedanken, entwickele Theorien und schaue beim Lesen, ob sie sich bewahrheiten oder widerlegt werden. Zu blöd, wenn sich dann mitten im Buch eine Gruppe Leute zusammensetzt und genau die Gedanken ausspricht, die ich mir auch schon gemacht habe. Ups, da bin ich also der Autorin nicht auf die Schliche gekommen, sondern sie hat das genau so geplant. Ich fühlte mich wie Norah, die auch in eine Sache hineingeworfen wurde, die sie nicht durchschaut.

    Zwischendurch ging mir mal die Befürchtung durch den Kopf, dass dieses Buch eine ganz blöde Auflösung haben könnte. So ein kunstvolles Verwirrungs-Gebilde, wie will man das sinnvoll und schlüssig auflösen, das kann nur irgendein saublöder Dreh sein, der mich am Ende enttäuscht. Doch zum Glück war dem absolut nicht so. Die Erklärung ist logisch und überzeugend. Und die spezielle Art und Weise, wie diese Auflösung, der Showdown, erzählt wird, hat mir auch gut gefallen.

    Die Sprache ist wie auch bei den anderen beiden Büchern der Autorin, nicht auf einfache, thrillertypische Ausdrucksweise heruntergefahren, sondern Melanie Raabe benutzt schöne Bilder und spielt mit der Sprache, ohne sich darin zu verkünstlern. Sie erzeugt jede Menge morbide Atmosphäre im kalten, winterlichen Wien und ich habe mich trotz der Hitzewelle der letzten Tage in die düstere Kälte hineinversetzt gefühlt. Sie hat eine eher romanhafte Erzählweise, der ich nicht unbedingt das Etikett des klassischen "Thrillers" geben würde, aber auf eine subtile Weise gibt es doch einen gehörigen Lesesog, der mich gepackt hat. Zumal man bei den vielen Indizien, die wie Puzzleteile nach und nach auftauchen, auch sehr gut eigene Überlegungen entwickeln kann, denn das Buch und die lange selbst ahnungslose Norah geben einem nicht viel vor.

    Norah ist mir nicht unbedingt sympathisch. Einerseits bewundere ich ihre Konsequenz und ihren Mut, ihre Neugier und Engagement gegen Ungerechtigkeit. Andererseits wirkt sie oft spröde, einzelgängerisch, verschlossen und im sozialen Miteinander eher nachlässig. Das hat mich aber nicht gehindert, voll und ganz in die Geschichte einzutauchen und das Buch in kürzester Zeit zu verschlingen. Denn die Geschichte, die nicht auf Action, sondern eher auf den psychologischen Thrill setzt, hat mit sehr gut gefallen.

  • Pratermord

    Der Schatten, Thriller von Melanie Raabe, 412 Seiten, erschienen im btb-Verlag.

    Am 11. Februar wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Aus freien Stücken. Und mit gutem Grund.

    Die Journalistin Norah Richter hat sich von ihrem Freund Alex getrennt sie bricht ihre Zelte in Berlin ab, ergreift ein Jobangebot und zieht nach Wien. Dort ist Norah anfangs ziemlich einsam, nur mit ein paar Freunden und ihren Kollegen hat sie Kontakt. Auch in ihrer noch nicht eingeräumten Wohnung fühlt sie sich nicht wohl, dann beginnt das Unheimliche, Sachen verschwinden, andere Dinge tauchen plötzlich auf, ihre Nachbarin sieht ihrer verstorbenen Freundin ähnlich, unmögliche Zufälle verängstigen sie, ihre Freunde wenden sich scheinbar grundlos von ihr ab. Und eines Tages diese unheimliche Begegnung in der Fußgängerzone. Eine Obdachlose weissagt ihr, dass sie am 11. Februar einen Mann töten wird.

    Das Buch beinhaltet 66 kurze Kapitel, die oft mit einem Cliffhanger oder einer besonders spannenden Situation enden, der Leser muss also unbedingt weiterlesen. Zwischen den Kapiteln sind in anderer Schrift deutlich gemacht, die Gedanken und Erinnerungen einer anderen Person eingefügt. Briefe und besondere Textstellen sind kursiv abgedruckt. Noch vor dem Prolog steht der Songtext „Bachlorette“ von Björk und das Gedicht „In the desert“ von Stephen Crane. Die Geschichte ist im auktorialen Erzählstil verfasst. Die Autorin überzeugt mit ihrem bildhaften Schreibstil, z.B. auf S. 10 „Dort! Die Gestirne mit dem feinsten Pinsel auf das Himmelszelt gesetzt“. Oder auf S. 319: „Zu ihrer Rechten befand sich ein Kettenkarussell, und wie es so verlassen dalag, wirkte es wie eine bunt behängte Trauerweide“. Das Setting ist sehr eindrucksvoll beschrieben und zieht den Leser hinein in die Geschichte. Die Autorin hat m. M. nach Wien als Handlungsort sehr gut gewählt, denn die Stimmung des Buches passt hervorragend zur morbiden Stimmung der österreichischen Hauptstadt, dadurch wird eine tolle Atmosphäre geschaffen.

    Dieses Buch hat mir außerordentlich gut gefallen, ich bin nur so durch die Seiten geflogen, konnte es kaum aus der Hand legen, die Spannung die zu Beginn aufgebaut wird hat sich bis zum letzten Punkt am Ende gehalten. Viele Wendungen und die finale überraschende Lösung haben mich verblüfft. Ich konnte der Handlung zu jeder Zeit folgen. Die Personen handelten nachvollziehbar. Die Protagonistin Norah ist eine taffe Frau, gut in ihrem Job, selbständig und sympathisch. Die Autorin hat es dennoch geschafft, mich stellenweise zweifeln zu lassen, ob sich die Vorkommnisse nicht nur in der Fantasie der Protagonistin abspielen. Ich würde vorliegendes Werk unbedingt als „Psychothriller“ bezeichnen. An einigen Stellen ist es mir wirklich eiskalt den Rücken hinuntergelaufen. Da ging Kopfkino ab. Ständig hatte ich ein unheimliches Gefühl. Besonders bemerkenswert fand ich folgende Stelle: Das Gesicht…sah grimmig und düster aus, wie die Fotos auf den Fahndungsplakaten der RAF-Leute, die in ihrer Kindheit noch in den Poststellen gehangen und ihr eine Heidenangst eingejagt hatten. Genau diesen Satz habe ich, schon vor der Lektüre dieses Thrillers, oft selbst gebraucht. Genau das Gefühl kenne ich aus eigener Erfahrung. Da war ich verblüfft. Ständig habe ich mir Gedanken gemacht, Konstrukte gesponnen, wer ist die mysteriöse Person die Norah stalkt? Wer steckt dahinter? Und auch – tut sie es wirklich?

    Etwas hat mich nachdenken lassen, zum Anfang wird dem Leser nicht ganz klar wie viel Zeit bis zum 11. Februar bleibt, man nimmt wahr, dass es sich in der kalten Jahreszeit abspielt, bis zu einem Punkt an dem es bis zum 11. Februar nur noch einige Tage sind, ich vermute, dass dies ein weiteres Stilmittel der Autorin ist. Auch ist Norah Richter in vorliegendem Thriller die fast einzig agierende Person, sämtliche Freunde, Kollegen Nachbarn usw. sind nur „Statisten“, das hat mich sehr beeindruckt.

    Alles in allem kann ich für diesen Thriller nur mein uneingeschränktes Lob aussprechen. Ich habe ihn genossen, wurde gut unterhalten, Gruselfaktor ist auch vorhanden. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

  • Der Schatten

    Thriller

    btb Verlag

    der Random House Gruppe

    Autorin: Melanie Raabe

    erschienen am 23. Juli 2018

    ISBN 978-3-442-75752-7

    416 Seiten




    Inhalt und Personen



    Norah, 35 Jahre alt, Journalistin, verlässt nach einer Katastrophe, wie sie es selbst nennt, ihren Lebensgefährten Alex und bricht in Berlin so ziemlich alle Kontakte ab um in München neu durchzustarten. Doch so richtig angekommen fühlt sie sich zunächst nicht. Zu den neuen Kollegen hält sie Abstand und ihre alten Freunde haben auch nicht ständig Zeit für sie. So kniet sie sich in die Arbeit und verfolgt ein Projekt, dass sie schon in Berlin gern vorangetrieben hätte: sie erarbeitet eine Reportage über die Menschen, die auf der Straße leben.

    Noch bevor Norah dieses Vorhaben in die Tat umsetzt, wird sie von einer alten Frau, einer Bettlerin, angesprochen.


    "Du bringst den Tod", sagte die Frau - Seite 21


    Und die Bettlerin konkretisiert daraufhin sogar, was sich in naher Zukunft abspielen wird.


    "Am 11. Februar wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Aus freien Stücken. Und mit gutem Grund." - Seite 22


    Arthur Grimm. Diesen Namen, da ist Norah sich sicher, hat sie nie zuvor gehört. Warum sollte sie einen wildfremden Menschen töten? Ist sie dazu überhaupt in der Lage?




    Meine Meinung



    "Das Gute - dieser Satz steht fest - ist stets das Böse, was man läßt." - Wilhelm Busch, Die fromme Helene


    Dieses Zitat aus Wilhelm Busch begleitete mich beim Lesen von Der Schatten. So eindringlich war die Voraussage der alten Frau, der Bettlerin, dass ich kaum zu hoffen wagte, dass sich das prophezeite Schicksal der Journalistin Norah nicht befürworten wird.


    Mit einem steten Gefühl der Unsicherheit begleite ich Norah auf rund 400 Seiten und lasse mich auf Fährten führen, die logisch nachvollziehbar vor mir liegen. Immer wieder treibt Norah Ermittlungen voran, um ihr vermeintliches Opfer besser kennenzulernen und die Begründung für einen Mord, den sie selbst begehen soll, zu erforschen. Allein in ihrer neuen Münchener Wohnung bleibt ihr für solche Gedanken und Recherchen auch reichlich Zeit.


    Auch mein Interesse ist geweckt und so verfolge ich mit unverhohlener Neugier die weiteren Schritte.


    Der Schreibstil ist jung, frisch und genauso dynamisch wie die Protagonistin. Der Sprachgebrauch passt zu den Charakteren wie zum Geschehen und der Zeit, in der die Geschichte spielt. Und ich bin immer wieder fasziniert, wie einfach die Psychologie eines Menschen sein kann.


    Der Schatten unterhält und fesselt mich gleichermaßen und ich bin froh, dass am Ende auch die kleinsten Details aufgeklärt werden.




    Fazit



    Wer einen gut ausgeklügelten, unblutigen und raffinierten Thriller mag, wird mit Der Schatten bestens unterhalten.