Ali Benjamin - "Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren" (ab 12 J.)

  • Gebundene Ausgabe: 240 Seiten

    Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG (23. Juli 2018)

    Sprache: Deutsch

    ISBN-10: 3446260498

    ISBN-13: 978-3446260498

    Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 15 Jahre

    Originaltitel: The Thing About Jellyfish


    Inhaltsangabe:


    Dieses preisgekrönte Debüt erforscht, was es heißt, am Leben zu sein. Dass Dinge einfach passieren, kann Suzy nicht akzeptieren. Sie macht sich über vieles Gedanken: den Schlafrhythmus von Schnecken, die jährliche Zahl der Quallenstiche oder wie alt man ist, wenn das Herz 412 Millionen Mal geschlagen hat – gerade mal 12 Jahre. In dem Alter ist Suzys Freundin Franny im Sommer ertrunken, obwohl sie eine gute Schwimmerin war. Suzy muss herausfinden, wie das geschehen konnte. Es ist ein weiter, erkenntnisreicher Weg in einer Welt voller Wunder, bis sie begreift, dass der einzige Trost manchmal ist, Dinge anzunehmen, die man nicht ändern kann. Eine ergreifende Geschichte der Selbstfindung und ein großer Blick auf unsere Existenz.


    Autoreninfo:


    Ali Benjamin schrieb als erfolgreiche Co-Autorin für Kollegen, außerdem als Redakteurin für Zeitschriften, Zeitungen und Online-Medien – bis ihr Debüt "Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren" 2015 ein weltweiter Bestseller wurde. Der Jugendroman wurde für den National Book Award nominiert und wird aktuell von Reese Witherspoons Produktionsfirma verfilmt. Die deutsche Ausgabe erscheint im Herbst 2018 bei Hanser. Benjamin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Massachusetts.


    Meine Meinung:


    Titel: Das Leben ist nie eitel Sonnenschein...


    Das außergewöhnliche Cover hat mich auf dieses Buch aufmerksam werden lassen und ich muss vorweg schon sagen: es handelt sich hier nicht um ein typisches Kinder- und Jugendbuch, sondern um etwas ganz Besonderes.


    In der Geschichte geht es um die 12- jährige Su, die den Verlust ihrer Freundin verarbeiten muss, die einfach so Suzys Leben fern bleibt, obwohl die beiden noch eine Auseinandersetzung offen hatten. Wird sich diese große Lücke in ihrem Leben jemals wieder schließen?


    Durch die Handlung führt uns Suzy als Ich- Erzählerin und sie lässt uns sowohl an der Gegenwart, in der sie trauert, als auch an der Vergangenheit, der Freundschaft zu Franny, teilhaben.


    Das Besondere sind vor allem die sehr gefühlvollen Gedankengänge, die Su dabei hegt. Es ist schon schwer als Erwachsener den Verlust eines geliebten Menschen wegzustecken, aber als Kind noch viel mehr und das kann man mit Hilfe dieses Buches intensiv nachempfinden.


    Mir hat die 12-Jährige als Charakter unglaublich gut gefallen, denn man kann nachempfinden wie schwer es ihr fallen muss das Schicksal anzunehmen und ihre ersten Erfahrungen mit dem harten, realen Leben zu machen. Ich mochte es, dass sie ein Außenseiter ist, an sich zweifelt und dennoch ihren eigenen Weg geht ohne darauf zu achten was die anderen denken. Su ist eine starke Persönlichkeit, wie es sicher jeder gern von uns wäre.


    Ich habe zu keiner Zeit gespürt, dass es sich hier um ein Debüt handelt. Die Worte sind sehr bedacht gewählt und die Autorin beschönigt nichts.


    Richtig klasse fand ich die vielen Infos zu Quallen und auch anderen Tieren und Begebenheiten in der Natur. Das hat sich spannend lesen lassen und sorgte zusätzlich für Abwechslung.


    Für mein Empfinden würde ich das Buch eher Jugendlichen ab 14 Jahren empfehlen, da ich mir unsicher bin, ob jüngere Kinder das Thema vollumfänglich verstehen würden. Als Erwachsene hat sich der Roman unglaublich gut lesen lassen, einfach weil er so emotional und gefühlvoll ist.


    Fazit: Trauer ist kein schönes Gefühl, gehört aber zum Leben dazu wie uns dieses geschriebene Kleinod ansprechend vermittelt. Ich kann nur eine Leseempfehlung aussprechen, klasse!


    Bewertung: 10 / 10 Eulenpunkten

  • Suzy redet nicht mehr. Seit ihre langjährige Freundin bei einem tragischen Unfall ums Leben kam, versteht sie die Welt nicht mehr – und die Welt kann sie nicht mehr verstehen. Denn was bringt es, zu reden, wenn manche Herzen schon nach so wenigen Schlägen aufhören zu schlagen? Doch war es wirklich ein Unfall?

    Es ist schwierig, nichts über den Inhalt zu verraten, aber gleich vorweg: Ein herausragendes Werk in Sachen Jugendliteratur/Young Adult Fiction. Die Gefühlswelt eines (intelligenten) Teenagers wird sehr tiefgründig dargestellt. Der Aufbau des Buches ist sehr spannend an ein wissenschaftliches Experiment angelehnt, was auch zum Inhalt des Buches passt. Wer die ersten zwei Seiten liest und schon begeistert ist, der wird auch den Rest des Buches lieben. Die Mischung aus Sturheit, Einsamkeit, Verbissenheit, Ungläubigkeit und Naivität, die Suzy im Buch auszeichnen, sind meiner Meinung nach absolut nachvollziehbar. Besonders schön fand ich, dass zwar die Eltern geschieden sind, aber die familiären Umstände nicht im Mittelpunkt des Teenie-Dramas stehen. Im Gegenteil: Wir erleben hier sehr hilfsbereite, verständnisvolle, aber auch hilfslose Eltern.

    Das Buch berührt, bringt zum Lachen, zum Nachdenken und nebenbei lernt man noch einige interessante Fakten über Quallen – wie das zusammenpasst: Einfach lesen.

    In Rückblenden wird geschickt erzählt, wie sich die Freundschaft zwischen Suzy und der Verunglückten entwickelt hat und warum es so tragisch war, dass sie gerade jetzt verstarb. Die Middle-School-Probleme sind sicherlich nicht übertrieben, denn wenn die Hormone verrückt spielen, dann spielen auch Beziehungen und Schulklassen verrückt.

    Wie gesagt, ich möchte nichts verraten, aber kann das Buch jedem nur ans Herz legen. 9 von 10!

  • Originell und sprachschön und mit liebenswerter Hauptfigur


    Ali Benjamins Roman „Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren“ ist wirklich empfehlenswert. Als All-Age-Buch kann man es ohne Bedenken auch als Erwachsene lesen oder auch Erwachsenen schenken. Ich will damit sagen: Es unterfordert erwachsene LeserInnen nicht.


    In dem Roman treffen wir Suzy, ein zwölfjähriges Mädchen, das das erste Mal mit dem Tod konfrontiert wird. Es geht um Verlust, um Schuld, um Trauerarbeit und Loslassen. Das klingt jetzt nach einem fürchterlich „schweren“ Buch aber so ist das gar nicht. Suzy ist ein unfassbar intelligentes und kreatives Mädchen. Sie hat eine ganz eigene Form von „Trauerarbeit“ gefunden, die so gewitzt und originell ist, dass man ständig zwischen Grinsen und Schluchzen schwankt. Das macht das Buch sehr bewegt und bewegend. UND - das macht es auch zu etwas Besonderem.


    Das Buch ist handwerklich erstklassig. Mir gefallen die vielen verschiedenen Textsorten, mir gefällt die Motivik, die sich von Anfang bis Ende durchzieht und wie ein Musikstück komponiert wird. Aber mir gefällt auch Suzy, ein ungeheuer liebenswerter Charakter – altklug, kauzig und so tief verletzbar. Und auch die Konflikte gefallen mir – hier meine ich gar nicht mal so sehr diese Schuldgeschichte, sondern vor allem den Verrat. Ich meine Suzys Erleben des Verrats der besten Freundin, ihre Unsicherheit, ihre Reaktionen darauf, die Gedanken dazu. Das ist eine große Stärke des Buchs – dieser Schmerz der Figur ist sehr spürbar. Und was mir ebenfalls wirklich gut gefällt, ist die Form des „magischen Denkens“, die Suzy entwickelt, diese Obsession, sie müsse nur den Grund für den Tod der Freundin finden, dann würde der Tod erträglich. Das alles ist wirklich toll gemacht.


    Warum dann keine 10 Sterne?


    Es hat zwei Gründe. Der erste: Suzy denkt, fühlt und reflektiert nicht wie ein zwölfjähriges Mädchen, auch nicht wie ein hochbegabtes zwölfjähriges Mädchen. Sie handelt, fühlt, reflektiert und denkt wie eine Kunstfigur, die eine Autorin geschaffen hat. Das ist leider ein echtes Problem. Ich persönlich spüre hier v i e l zu deutlich die Konstruktion und das Gewollte.


    Anders gesagt: Für mich funktioniert die Perspektive leider ü b e r h a u p t nicht. Was sehr schade ist, weil es dem Buch in meinen Augen viel Kraft nimmt. (Und eben leider die Figur damit unglaubwürdig macht.) Es gäbe evtl. eine Möglichkeit, in der die Perspektive glaubhaft wäre: Wenn die Figur diese Geschichte als reife und erfahrene Erwachsene erzählt. Quasi rückblickend und erinnernd und eben durchwoben von der erwachsenen Haltung und dem erwachsenen Erfahrungshorizont.


    Der zweite Grund ist, dass mir einfach „Geschichte“ fehlt – diese hier blieb sehr schmal, sehr auf die Leserwirkung berechnet, da war wenig, was über die Ränder ging, was scheinbar „funktionslos“ ist und die Geschichte nach mehreren Seiten hin auffalten könnte, sodass man eben einfach eintauchen könnte und auch mal das Gefühl hätte, eine Konstruktion zu verlassen. Ich glaube, mich stört einfach ein bisschen, dass so spürbar ist, wie die Autorin „baut“ und warum sie so baut – in meinen Augen ist zu sichtbar, was der Text beabsichtigt. Er lässt sich nicht fallen, geht kein Risiko ein, indem er einfach mal breiter erzählt, sondern die Funktion hinter jedem Textstück ist für mich zu sichtbar.


    Da das Buch diese Meeres- und Quallen-Thematik hat, stand mir dauernd als Vergleich der (hervorragende) All-Age-Roman „Gefährliche Gezeiten“ von Jim Lynch vor Augen, der ebenfalls einen total liebenswerten Charakter, eine großartige Motivik, Sprachintensität und Originalität hatte, ABER einen glaubhaften jungen Erzähler und eben eine entfaltete Geschichte. „Gefährliche Gezeiten“ ist ein „irgendwie“ ähnliches Buch, aber in meinen Augen bedeutend gelungener, weil es zufälliger wirkt als „Die Wahrheit über Dinge, die einfach passsieren“, nicht so berechnend.


    Dennoch ist Ali Benjamins Roman ein besonderes Buch, das hervorsticht und sich ernsthaft Mühe gibt mit Sprache, Figurengestaltung, Konflikten und der Art des Erzählens. Kein 0815-Buch, sondern etwas mit Stil. Absolut lesenwert!


    8 von 10 Sternen!