Titel: Die Liebenden von Siena (original: The Scribe of Siena)
Autor: Melodie Winawer
Verlag: List
Erscheinung: März 2018
528 Seiten
ISBN: 3471351582
Klappentext von Amazon:
Der große Siena-Roman für alle Fans von Outlander: Eine Reise von New York in die Toskana - und durch alle Zeiten!
Die Neurochirugin Beatrice Trovato arbeitet rund um die Uhr. Als ihr Bruder stirbt, fliegt sie nach Siena um seinen Nachlass zu ordnen. Auf einem Kirchenfresko des berühmten Malers Accorsi aus dem 14. Jahrhundert entdeckt sie sich selbst - wie ist das möglich?
Tags darauf erwacht sie im mittelalterlichen Siena. Für die Ärztin ist es ein Schock: spielt ihr das Gedächtnis einen Streich? Erst langsam findet Beatrice sich in der neuen Zeit zurecht und öffnet ihr Herz für die ursprüngliche Schönheit des mittelalterlichen Lebens. Als sie Accorsi kennenlernt, verliebt sie sich unsterblich in ihn. Aber mit Ausbruch der Pest ist nicht nur ihr Leben, sondern auch die Existenz von Siena bedroht, und Beatrice muss sich entscheiden, in welches Jahrhundert sie gehört.
Autorenbio aus dem Buch:
Melodie Winawer ist Professorin für Neurologie an der Columbia Universität in New York, wo sie mit ihrem Mann und drei Kindern lebt. Sie spricht Italienisch, Spanisch und Französisch und reist seit Jahren am liebsten nach Italien. Die Liebenden von Siena ist ihr Romandebüt.
Rezension:
Beatrice Trovato ist Neurochirurgin in New York und dabei ziemlich rational. Als sie jedoch nach Siena in Italien reist, um den Nachlass ihres dort verstorbenen Bruders zu verwalten, stürzt sie sich sofort in den Stoff über eine Verschwörung im mittelalterlichen Siena, worüber er als Historiker forschte. Wenig später findet sie sich im Spätmittelalter wieder, ohne eine Erklärung dafür zu haben. Gezwungenermaßen beginnt sie dort ein neues Leben und lernt viele Bewohner näher kennen, allen voran den Freskenmaler Gabriele Accorsi, der unfreiwillig in die Verschwörung verwickelt ist. Bald muss sich Beatrice entscheiden, in welchem Jahrhundert sie heimisch sein will. Und abgesehen von der herannahenden Pest (um deren verheerende Folgen Beatrice ja weiß) steht ihre und Gabrieles Sicherheit auch noch aus anderen Gründen auf dem Spiel.
Meldodie Winawer verarbeitet in ihrem Roman einige der typischen Zeitreisemotive (daher wohl die oft genannten Gemeinsamkeiten mit Outlander), die ich auch erwartet habe. Die Gründe für Beatrices Reise werden angedeutet, bedürfen aber für die Geschichte auch keiner konkreteren Erklärung.
Das spätmittelalterliche Siena hat Winawer nach meinem Dafürhalten sehr genau recherchiert, insbesondere die vielen Details zum alltäglichen Leben. In ihren Beschreibungen dazu beweist sie großes Feingefühl. Leider finde ich, dass es dafür bei der Sprache (kann natürlich in Teilen auch der Übersetzung geschuldet sein) und der Charakterzeichnung einige Mängel gibt. Die Personen in der Gegenwart sprechen oft eine Spur zu gestelzt, und in die Rede der mittelalterlichen Figuren schleichen sich dafür oft zu moderne Begriffe ein. So hat die Autorin auch den damaligen Gedankenhorizont zu wenig erfasst, insbesondere eine wichtige Figur hat ein viel zu modernes Denken. Jedenfalls glaube ich nicht, dass ein Mensch im 14. Jahrhundert auf eine Aussage des Gegenübers, es stamme etwa 600 Jahre aus der Zukunft, mit einem simplen „Ah ja, deshalb warst du also ein wenig komisch, na dann“ (ich formuliere bewusst flapsig) zur Tagesordnung übergeht und sich nicht weiter über die Sache wundert.
Da erscheint es beinahe paradox, dass Beatrice zwar eine unnötige, übernatürlich angehauchte Gabe hat, sich in die Köpfe der Leute zu versetzen, die Autorin es aber kaum schafft, ihren Lesern das bei den Figuren zu ermöglichen. Das hat mich teilweise doch gestört und oft konnte ich mich emotional nicht gut einfühlen.
Es gab außerdem noch eine Art Krimi-Handlungsstrang, die angesprochene Verschwörung rund um Siena, die auf beiden Zeitebenen wichtig ist. Diese Verwicklungen fand ich gelungen, wenn auch nicht schwer zu durchschauen.
Ich hatte mich lange auf die Lektüre gefreut, und unterm Strich hat sie auch Spaß gemacht. Trotz einiger Kritikpunkte ist „Die Liebenden von Siena“ ein unterhaltsames Buch, das Fans von historischen Romanen und Zeitreisegeschichten wahrscheinlich gerne lesen werden. Ich bewerte es mit 7 von 10 Punkten.