Klappentext:
„Als ihm die Sache mit der Taube widerfuhr, die seine Existenz von einem Tag zum andern aus den Angeln hob, war Jonathan Noel schon über fünfzig Jahre alt, blickte auf eine wohl zwanzigjährige Zeitspanne von vollkommener Ereignislosigkeit zurück und hätte niemals mehr damit gerechnet, dass ihm überhaupt noch irgend etwas anderes Wesentliches würde widerfahren können als dereinst der Tod. Und das war ihm durchaus recht. Denn er mochte Ereignisse nicht, und er hasste geradezu jene, die das innere Gleichgewicht erschütterten und die äußere Lebensordnung durcheinander brachten.“
In fünf Monaten wird der Wachmann einer Pariser Bank, er als einzigen Nutzen seiner Tätigkeit das Öffnen des Tores vor dem Direktionswagen erkannt hat, das Eigentum an seiner kleinen Mansarde im 7. Arrondissement endgültig erworben haben, wird ein weiterer Markstein seines Lebensplanes gesetzt sein. Doch dieser fatalistische Ablauf wird an einem heißen Freitagmorgen im August 1984 jäh vom Erscheinen einer Taube in Frage gestellt.
Meine Meinung:
Ich erinnere mich an eine längere Autofahrt mit meinen Eltern, als ich sechzehn war. Meine Stiefmutter saß auf dem Beifahrersitz und las uns immer wieder Abschnitte aus „Die Taube“ vor. Ich fand den Inhalt dieser Geschichte nicht gerade aufregend, und in meiner gnadenlosen jugendlichen Selbstüberschätzung sagte ich schließlich gelangweilt: „Also, DAS könnte ich auch schreiben…“
Jetzt habe ich diese Erzählung noch einmal im Ganzen gelesen und musste über meine damalige Aussage herzlich lachen. Patrick Süskind schreibt so stilsicher, so durchdacht, so präzise – und das alles klingt so leichtfüßig: Im Leben könnte ich eine so kunstfertige Erzählung nicht zu Papier bringen! Sein Held Jonathan Noel ist skurril, aber echt. Ich fühlte mit ihm, und ich fühlte mich beim Lesen, als wäre ich selbst in Paris und würde ihn an diesem für ihn ganz besonderen Tag seines Lebens genau beobachten.
Eine schöne Geschichte, wunderbar geschrieben!