Leonie March: Mandelas Traum. Meine Reise durch Südafrika

  • Leonie March: Mandelas Traum. Meine Reise durch Südafrika

    DUMONT REISEVERLAG 2018. 272 Seiten

    ISBN-10: 3770182898

    ISBN-13: 978-3770182893. 14,99€


    Verlagstext

    Was hält Südafrika im Innersten zusammen, trotz aller Konflikte und Kontraste? Leonie March hat sich auf eine 3000 Kilometer lange Reise begeben, um das Land zu verstehen, das seit 2009 ihre Heimat ist. Sie wandert mit Nachfahren der Ureinwohner durch die Drakensberge und weiter die Küste entlang durch die Transkei. Sie trifft auf moderne Freiheitskämpfer und engagierte Bürger, die im Kleinen die großen Ideale leben, auf denen Südafrikas Demokratie aufbaut. Einsame Straßen und endlose Sandpisten führen sie in den Norden bis nach Johannesburg. Sie schaut in die Abgründe des Goldrausches, ohne den es die Wirtschaftsmetropole nie gegeben hätte, entdeckt zu Fuß die kreativen Seiten dieser missverstandenen Stadt und geht abends in Soweto tanzen. Und ganz am Ende ihrer Reise zeichnen sich tatsächlich Antworten auf ihre Fragen ab.


    Die Autorin

    Leonie March, Jahrgang 1974, berichtet als freie Journalistin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und deutschsprachige Printmedien aus dem südlichen Afrika. Sie ist Mitglied des Korrespondenten-Netzwerks weltreporter.net. 2009 beschloss sie, in die südafrikanische Hafenmetropole Durban umzusiedeln. Eine Entscheidung, die sie nie bereut hat.


    Inhalt

    Seit Leonie March 1990 als Austauschschülerin in Südafrika war, hat das Land sie gepackt. Verbunden war sie dem südlichen Afrika sicher bereits vorher; denn ihre Großeltern waren Farmer in Angola. March war 16 Jahre alt und erlebte das schicksalsträchtige Jahr mit, in dem Präsident de Klerk ankündigte, das Verbot von ANC, PAC, SACP u. a. Gruppen aufzuheben und mit ihnen ernsthafte Friedensverhandlungen zu beginnen. Inzwischen lebt March als Journalistin in Durban und ist mit einem Südafrikaner verheiratet.


    Ihre aktuelle Reise führt sie im großen Bogen durch Südafrika, zu vertrauten Kontaktpersonen, die erstaunlich offen mit ihr drüber sprechen, warum fast 25 Jahre nach der Wahl Mandelas der Vielvölkerstaat seine Probleme noch immer nicht bewältigt hat. Eine für 2018 ermittelte Arbeitslosenquote von 28% (die in einigen Regionen jedoch eher 70% beträgt) zwingt die Bevölkerung dazu, als Händler auf dem Markt oder in gering bezahlten Dienstleistungsberufen zu arbeiten. Gleich an Marchs erster Station ihrer Reise wird deutlich, dass der Staat kaum Infrastruktur für Händler bereitstellt und selten Organisationstalente zum Aufbau von Gemeinschaftsprojekten zu finden sind.


    Warum Familienstrukturen, die den Menschen zur Zeit der Apartheid aufgezwungen wurden, noch heute nachwirken, begreift man als Europäer erst, wenn man sich die Entfernungen verdeutlicht. Männer arbeiteten in den Goldminen Johannesburgs, während ihre Familien gezwungen waren, nach Volksstämmen getrennt, teils 1000km entfernt in Townships zu leben. Die fehlenden Vorbilder der abwesenden Väter wirken bis heute in den Familienstrukturen nach.


    Marchs (schwarze) Gesprächspartner äußern unverblümt, dass mangelnder Respekt der Volksgruppen untereinander, ebenso wie von der Regierung gegenüber der Bevölkerung, und eine Mentalität des Handaufhaltens und Hilfeforderns bis heute verhindern, dass das Land mit den 11 offiziellen Landessprachen wirtschaftlich auf die Füße kommt. Auch Korruption und überflüssige Bürokratie könnte man als Respektlosigkeit gegenüber der Leistung anderer Menschen ansehen. Eine ansehnliche To-Do-Liste hat sich am Ende des Reiseberichts angesammelt, sie reicht von Gewaltkriminalität, Gewalt durch die Polizei, dem nach 20 Jahren noch immer mangelhaften Bildungssystem, der geforderten Gleichstellung der San als First People bis zu Umweltschäden, die der Allgemeinheit zur Last fallen, obwohl die Gewinne in privaten Taschen der Verantwortlichen landeten. Die Kleptokratie und Misswirtschaft von Mandelas Amtsnachfolgern lässt sich vermutlich nur mit bissigster Ironie ertragen, die sich im Vorwort andeutet.


    Fazit

    Mit u. a. dem ehemaligen Diamantensperrgebiet des Konzerns De Beers an der Grenze zu Namibia, dem ehemaligen Bantu-Homeland Transkei und dem Königreich Swaziland fährt March Ziele an, die für Besucher nicht gerade am Weg liegen und die Probleme des Vielvölkerstaates veranschaulichen. Meine eigenen Erlebnisse in Südafrika und was Einheimische ihren Gästen gegenüber unverblümt äußern, fügen sich beim Lesen mithilfe von Marchs engagiertem Bericht zusammen zu einem farbigen Mosaik der derzeitigen Lage in Südafrika.


    Das Patentezept für gute Reportagen beherrscht Leonie Marsch: Nimm ein Thema, für das du selbst brennst, triff aktive, vertrauenswürdige Interviewpartner und zeige deinen Lesern auf einer Landkarte deinen Reiseweg. Ein tolles Buch, das mir die Augen für Zusammenhänge geöffnet hat.


    10 von 10 Punkten