Sean Chuang: Meine 80er Jahre. Eine Jugend in Taiwan (Band 1.)
Chinabooks E. Wolf 2015. 374S. (187S., 187S.)
Sprache: Chinesisch, Deutsch
ISBN-10: 3905816598
ISBN-13: 978-3905816594. 19,90€
Originaltitel: 80 年代事件簿 (汉德对照)
Übersetzer: Marc Herrmann
Verlagstext
Sean Chuang schildert in dieser autobiographischen Graphic Novel nostalgische Erinnerungen an seine Jugendjahre im Taiwan der späten 70er und 80er Jahre.Vor dem Hintergrund eines Landes im Wirtschaftsaufschwung und politischem Umbruch - Taiwan durchlief in den 80er Jahren einen Demokratisierungsprozess - und einer freier werdenden Gesellschaft, schildert er universale Jugenderinnerungen, die auch Menschen aus anderen Kulturkreisen berühren und an ihre eigenen vergangenen Jugendjahre zurückerinnern lassen, gewährt aber gleichzeitig auch Einblicke in eine von chinesischen Wert- und Familienvorstellungen geprägte Kultur. Das Tagebuch der 80er Jahre schildert eindrücklich das damalige Alltagsleben und beschreibt greifbar das Lebensgefühl der damaligen Jahre.
Der Autor
Sean Chuang ist ein Pseudonym für Zhuang Yongxin. Der Autor wurde 1968 in Taiwan geboren. Seinen Schulabschluss machte er an der Fu-Hsin Trade & Arts School in Taipei, Taiwan. Sean Chuang blickt auf eine über 20 Jahre dauernde Karriere in der Werbebranche als Regisseur von Werbespots zurück. Er hat während dieser Zeit über 400 Werbespots gedreht. An ihn wurden mehrmals wichtige Branchenpreise wie der Times Award und der Times Asia Pacific Award verliehen. Als renommierter taiwanesischer Werberegisseur hat er in verschiedenen asiatischen Ländern wie China, Singapur und Japan gearbeitet. Comics zeichnet er in seiner Freizeit. 1995 erschien sein erster autobiographischer Comicband "Notizen eines Filmemachers", indem er Einblicke in den hektischen Berufsalltag eines Werberegisseurs gibt und der zum Bestseller mit 18 Auflagen wurde. […]
Der Übersetzer
Marc Hermann, geboren 1970, studierte Germanistik und Sinologie in Kiel, Shanghai und Bonn. Nach Lehrtätigkeit und Promotion an der Universität Bonn unterrichtet er derzeit Übersetzen an der Tongji-Universität in Shanghai. Als Übersetzer chinesischer Literatur hat er vor allem Romane (u.a. von Alai, Bi Feiyu, Su Tong) übersetzt.
Inhalt
Die Straßenszene auf Seite 23 zeigt das „alte“ Taiwan: eine gepflasterte Gasse, deren einstöckige Häuser sich hinter hohen Mauern verbergen. Im Hintergrund ist ein einzelner Strommast zu ahnen. Weit und breit ist kein Fahrzeug zu sehen; Kinder spielen in der Gasse. In diese überschaubare Welt dringt mit Film, Fernsehen und Werbespots die Moderne ein. Sean Chuang besitzt kaum Fotos aus seiner Kindheit, weil damals nur wenige Menschen in Taiwan eine Kamera besaßen. Aus der Sicht eines Kindes dokumentiert er aus der Erinnerung und an alltäglichen Kleinigkeiten, was seine Generation der nach 1980 Geborenen prägte, die erste Generation in Taiwan, die im Frieden aufwuchs.
Seans Eltern waren beide Lehrer; seine Mutter arbeitete als Klavierlehrerin und nimmt ihren Sohn mit in die Klavierstunden, die sie selbst zur Fortbildung absolviert. In eine Welt, in der man noch mit Dampfzügen reist, dringen zügig Roboterfiguren aus japanischen Serien und Videospiele ein. Anfangs kann sich kaum jemand die Importwaren leisten, einige der martialischen Spielzeuge werden in Taiwan verboten. Später wird sein Traum vom Motorroller den Autor prägen und seine Begeisterung für Bruce Lee, die bei Familie Yongxin zu einem Loch im Kleiderschrank führt … Auf Drängen seines Vaters besucht Sean in Taipeh eine Handels- und Kunstschule. Zwangsläufig muss er in der Großstadt selbstständig leben und über das Chaos in seiner Jungs-WG herrschen.
Die Epoche 1976 bis 1990, die Sean Chuang in seinem biografischen Rückblick in Erinnerung ruft, wird in Taiwan vom Ende des Kriegsrechts geprägt, vom Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die USA und vom wachsenden Einfluss der USA durch Film, Merchandising-Produkte und die Eröffnung von Macdonalds-Filialen in ganz Asien. Als Europäer kann man Vergleiche zu eigenen Sport- und Film-Idolen der Zeit ziehen und zum Zeitpunkt, als der erste PC ins Haus kam.
Fazit
Mit für eine Graphic Novel sehr ausführlichem Text, Zeittafeln und hilfreichen Anmerkungen des Übersetzers direkt auf der Seite vermittelt Sean (Zhuang Yongxin) den Kulturschock, den die Generation seiner Eltern angesichts der technischen Entwicklung der 80er empfunden haben muss. Seine Kinderfiguren ähneln mit ihren eckigen Köpfen Funko Pop-Figuren und symbolisieren aus meiner Sicht das Zusammentreffen von alten Werten (sauberer Haarschnitt) und einem äußerst optimistischen Blick der Kinder der 80er in die Zukunft. Verblüfft bin ich über die Gemeinsamkeiten europäischer und taiwanesischer Kindheiten unter der Fuchtel japanischer Superhelden. Wie sich das Aufwachsen in Taiwan und in der Volksrepublik China damals unterschieden, dafür öffnet Sean mit seiner detailtreuen Darstellung den Blick. Auf den 2. Band seiner Erinnerungen bin ich gespannt.
10 von 10 Punkten