Wolfram Eilenberger - Zeit der Zauberer. Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919-1929

  • Titel: Zeit der Zauberer. Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919-1929

    Autor: Wolfram Eilenberger

    Verlag: Klett-Cotta

    Erschienen: März 2018

    Seitenzahl: 431

    ISBN-10: 3608947639

    ISBN-13: 978-3608947632

    Preis: 25.00 EUR


    Wer dieses Buch zur Hand nimmt und neue Erkenntnisse über das philosophische Jahrzehnt 1919-1929 erwartet, der wird sicher enttäuscht sein. Wer aber eine komprimierte Zusammenfassung dieses in vielen Augen wichtigste Jahrzehnt der Philosophie erwartet, der wird unter Garantie nicht enttäuscht sein.

    Eilenberger schreibt verständlich, so das auch der philosophische Laie durchaus von diesem Streifzeug durch ein Jahrzehnt angetan sein wird.

    Der Autor konzentriert sich in erster Linie auf Heidegger, Wittgenstein, Benjamin und Cassirer. Edmund Husserl wird leider nur am Rande erwähnt und bekommt nicht den Platz, der ihm eigentlich gebührt.

    Auch die theologische Philosophie eines Karl Barth hätte vielleicht Erwähnung finden sollen. Aber offenbar ging des Wolfram Eilenberger „nur“ um diese vier Genannten Philosophen. Und natürlich ist es wahrlich nicht leicht, hier eine Grenze zu ziehen.


    Sehr gut gelungen sind die Passagen über Wittgenstein, diesem großen Denker mit unzweifelhaft autistischen Zügen. Und schon überlegt man, ob nicht dessen geniales Werk „Tractatus logico-philosophicus“ mal wieder zur Hand nehmen sollte. Wittgenstein hatte schließlich festgestellt, dass alle Fragen beantwortet seien, war aber auch der Ansicht, dass man ihn eh nicht verstehen würde. Wobei Wittgenstein wirklich eine echte Herausforderung ist.


    In diesem Buch finden sich vier Lebensentwürfe und viermal wird versucht, die Frage „Was ist der Mensch?“ zu beantworten. Rüdiger Safranski meinte dazu: „Herausgekommen ist dabei das Sternbild der Philosophie in einem großen Augenblick im Schatten der Katastrophe davor und danach.“


    Interessant ist vielleicht auch, dass die vier Genannten kaum Umgang miteinander hatten. Aber das sei jetzt wirklich auch nur am Rande erwähnt.


    In jedem Fall macht dieses Buch aber Lust auf mehr. Vielleicht der Anstoß dazu, sich in unserer hektischen und sehr oberflächlichen Zeit mal wieder mit der Philosophie zu beschäftigen. Der Piper-Verlag hatte ja vor einigen Jahren die Reihe „Lust am Denken“ herausgebracht.


    Ausführlich geht Eilenberger auf das philosophische Symposium 1929 in Davos, der Davoser Disputation im Rahmen der II. Internationalen Hochschulkurse. Es kam da zu einem viel beachteten Streitgespräch zwischen Ernst Cassirer und Martin Heidegger. Es ging um die Frage: Wie ist Freiheit möglich. Der Jude Cassirer im Disput mit dem vermeintlichen Antisemiten Heidegger. Unterschiedliche Kant-Interpretationen führten zu diesem Streitgespräch.


    Ein lesenswertes Buch, verständlich geschrieben, teilweise spannend – ein wirklich gute zusammenfassende Reise durch das Jahrzehnt 1919-1929. 7 Punkte


    Wolfram Eilenberger wurde 1972 geboren, war lange Zeit Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist Kolumnist der ZEIT und moderiert im schweizerischen Fernsehen die Sendung „Sternstunden der Philosophie“.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

    Rita, Saiya, Rumpelstilzchen und einem weiteren gefällt das.
  • Danke für deinen Leseeindruck. So ungefähr sind meine Erwartungen an das Buch. Es liegt schon hier und wird demnächst gelesen werden. :-]

    "There is beauty in imperfections. They made you who you are. An inseparable piece of everything…" Arcane

  • Ich habe es mir aus der Bib mitgebracht und gerade damit angefangen. Das Buch erinnert mich sehr an Sarah Bakewells: Café der Existenzialisten. Hattest du das nicht auf vorgestellt, Voltaire?


    Mir gefällt bisher sehr gut, wie der Autor Bezüge zum Leben der vier Hauptakteure herstellt, ihre speziellen Sichtweisen daraus entwickelt und die Verbindung zur politischen Entwicklung in dieser "Zwischenkriegszeit" aufzeigt.

    Mich machen solche Bücher zwar auch immer neugierig, auf die Originalwerke, allerdings habe ich es aufgegeben, die ohne Unterstützung zu lesen. Das frustriert mich zu sehr.


    Zusatz, nachdem ich fertig bin:

    Für mich waren die vielen "Übersetzungen" des Autors der doch oft sehr rätselhaften Zitate aus den Originalschriften sehr hilfreich.

    Zwischendurch hat mich öfter die Frage beschlichen, ob man nicht doch besser dran ist, wenn man sich nicht so hochgeistige Fragen zum Sinn des Lebens stellt.