Dostojewski

  • was ich meine ist, dass es in dieser phase schon zu spät ist, von den eltern zu erwarten, überhaupt solche einsichten zu haben. es mag menschen geben, die in der lage sind, solche entwicklungen dann auch im höheren alter durchzumachen und zu solchen einsichten zu gelangen, aber im regelfall gibt es da keine großartige erleuchtung im leben. persönlichkeitsentwicklung - oder arbeit an der persönlichkeit - ist etwas, das so langsam und stetig vorangeht (beschleunigt natürlich in den ersten lebensjahrzehnten und dann kontinuierlich langsamer), dass die die sie durchmachen es nicht merken und die die sie nie gemacht haben, es sich nicht mal vorstellen können, anders zu sein als so wie sie sind.


    man kann eigentlich niemandem etwas erklären, das er selbst nicht in irgendeiner art schon weiß, man kann ihm immer nur helfen, seine ideen konkreter und für denjenigen selbst verständlicher zu machen. genauso kann man niemandem etwas erklären, von dem derjenige nie eine ahnung gehabt hat.


    ich hoffe, das ist nicht zu undurchschaubar formuliert. so eine geschichten, dass die eltern ihre eigenen träume in ihren kinder verwirklicht sehen wollen, ist ja ein alter hut (obwohl psychologisch natürlich sehr interessant; als wäre man das kind? als wäre kind und elternteil dieselbe person? eine faszinierende sichtweise, gerade in betracht der umstände, dass sich kind und elternteil gerade in unserer zeit häufig zerstreiten). warum kommt es dann trotzdem immer wieder vor? eben darum, weil diese eltern diese einsicht nie haben, obwohl es sich um eine binsenweisheit handelt, die ihnen wahrscheinlich bekannt ist, aber nie verstanden.

    To me the most important thing is the sense of going on. You know how beautiful things are when you’re traveling.
    - Edward Hopper

  • So würde ich es auch sehen, dass es schon möglich ist, in fortschreitendem Alter zu ganz neuen Erkenntnissen zu kommen, aber mit dem Alter immer schwieriger wird. Optimalerweise hat man sich im Alter gute Gewohnheiten und Ansichten erworben und hat dann einen großen Vorteil gegenüber Jüngeren, die oft eher unbeständig oder unklug handeln, aber wenn nicht, dann wird es immer schwieriger.


    Auf einer Internetseite habe ich noch ein paar Zitate zum Thema der Identifikation gefunden:


    https://gedankenwelt.de/der-un…schen-eltern-und-kindern/


    "Die Eltern projizieren einen enormen Impuls zu Leben und Liebe auf ihre Kinder. Oftmals wird dieser Impuls jedoch mehr oder weniger stark durch ihre Wünsche vermittelt, was die Beziehung eines nicht-egomanen Narzissmus verdeutlicht, aber dennoch Sehnsucht oder Erwartung hervorruft. (…)


    Viele Eltern projizieren "ihr ideales Selbst“ auf ihre Kinder. Sie machen sie zu einer „perfektionierten und perfektionistischen“ Version dessen, was sie in ihrer Vorstellung waren oder gern gewesen wären. In diesem Zusammenhang machen die Eltern die Kinder auch verantwortlich für ihre Frustrationen und Nichterfüllung von Wünschen. Gleichzeitig wird die Liebe dieser Eltern immer mehr zu einer Liebe zu sich selbst und dazu, wie sie glauben, dass sie als Kinder waren oder wie sie sein wollten. (…)


    Es ist wahrscheinlich, dass diese Projektion weitgehend unbewusst stattfindet oder dass zumindest die Eltern nie explizit über dieses Verhalten nachdenken. (…)


    Die Eltern mögen den Sohn oder die Tochter als Teil von sich selbst oder als eine Art inneres Objekt betrachten."

  • dass es möglich ist - oder sogar in den meisten fällen sehr wahrscheinlich - dass so viel "unbewusst" projiziert wird - vorallem, dass das über einen relativ langen zeitraum passiert, und nicht nur kurzfristig - ist eindeutiges zeichen, wie GEDANKENLOS die die masse ihr leben lebt. und das meine ich nicht nur im kontext der erziehung und es betrifft nicht nur die eltern, sondern auch nachfolgende generationen. zu lernen, bewusst entscheidungen zu treffen, ist eines der wichtigsten dinge die es gibt. alles andere, wirklich alles andere, ergibt sich dann daraus. man kann dann auch falsch liegen, aber zumindest hat man im besten wissen gehandelt und nicht nur wie ein automat. das ist es ja vielleicht, was freiheit bedeuten mag.


    trotzdem finde ich die art, wie sich eltern mit ihen nachkommen intuitiv identifizieren faszinierend. völlig getrennte "bewusstseine" (jedes bewusstsein muss ja nun mal isoliert stehen), bei dem eines davon das gefühl hat, es könnte sich selbst in dem anderen verwirklichen. gerade das thema enthält noch viel über das man nachdenken kann.

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    - Edward Hopper

  • Stimmt, ein interessantes Thema! Dazu hab ich dieses Zitat gefunden:


    "Wenn wir einen nahestehenden Menschen verlieren, dann übernehmen wir manchmal eine Gewohnheit von ihm und erhalten ihn so innerlich lebendig. Das kann jedoch so weit gehen, dass man vor der Trauerarbeit flieht. Es kann sogar den Charakter verzerren. (...) man [sagt] auch, dass Identifikation eine Einverleibung des anderen sei, eine Art „seelischer Kannibalismus“ (Elhardt). „Identifikation vermittelt Schutz, ihre Lösung Selbstständigkeit, aber auch oft Einsamkeit“ (Elhardt). Wer sich aus alten Identifikationen löst, sich „de-indentifiziert“, der verliert auch immer ein Stück Heimat, egal, wie „schlecht“ das Vorbild und die Identifikation mit ihm waren."
    https://www.medizin-im-text.de…ikation-und-Introjektion/


    Zum Thema der Gedankenlosigkeit (wobei ich dir prinzipiell auch zustimme, aber auch das andere Extrem sehe, dass manche Menschen zu "eigen" und nicht mehr kompatibel zu einem gemeinschaftlichen Leben sind) passt vielleicht dieses hier, samt einer interessanten Liste:


    "Wenn wir schnell zwischen mehreren Alternativen wählen müssen, entscheiden wir uns in der Regel für die erste Option. Und das ist unabhängig davon, ob es sich um Konsumgüter oder Geschäftsstrategien handelt (…). Die Erklärung ist allerdings recht simpel: Wenn wir uns beispielsweise zwischen verschiedenen Jobangeboten entscheiden, dann wählen wir eher die erste Position in der Liste, weil die auch oft unseren Traumberuf darstellt. Heißt: Die Liste war schon vorher priorisiert. Weil das aber so ist, konditionieren wir uns damit zugleich, Motto: Das Erste ist das Beste. Und einmal gelernt, bleiben wir diesem Muster auch bei späteren Entscheidungen treu."


    12 Einflüsse auf unsere Entscheidungen:


    Im Dunklen treffen wir rationalere Entscheidungen.


    Mit voller Blase treffen wir bessere Entscheidungen.


    Stress führt zu riskanteren Entscheidungen.


    Wir entscheiden uns meist für die erste Option.


    Die Mehrheit entscheidet sich für Bekanntes.


    Wer sich nicht entscheiden kann, braucht eine Alternative.


    Gut Gelaunte entscheiden großzügiger.


    Schlecht Gelaunte sehen klarer.


    Ärger macht Entscheidungen rationaler.


    Wer besser entscheiden will, sollte aufstehen.


    Hohe Boni führen zu besseren Entscheidungen.


    Ausgeschlafene wählen klüger.


    Entscheidungen machen müde


    https://karrierebibel.de/entscheidung-treffen/

  • Stimmt, ein interessantes Thema! Dazu hab ich dieses Zitat gefunden:


    "Wenn wir einen nahestehenden Menschen verlieren, dann übernehmen wir manchmal eine Gewohnheit von ihm und erhalten ihn so innerlich lebendig. Das kann jedoch so weit gehen, dass man vor der Trauerarbeit flieht. Es kann sogar den Charakter verzerren. (...) man [sagt] auch, dass Identifikation eine Einverleibung des anderen sei, eine Art „seelischer Kannibalismus“ (Elhardt). „Identifikation vermittelt Schutz, ihre Lösung Selbstständigkeit, aber auch oft Einsamkeit“ (Elhardt). Wer sich aus alten Identifikationen löst, sich „de-indentifiziert“, der verliert auch immer ein Stück Heimat, egal, wie „schlecht“ das Vorbild und die Identifikation mit ihm waren."
    https://www.medizin-im-text.de…ikation-und-Introjektion/


    wirklich sehr lesenswert. danke dafür!


    Zitat

    Zum Thema der Gedankenlosigkeit (wobei ich dir prinzipiell auch zustimme, aber auch das andere Extrem sehe, dass manche Menschen zu "eigen" und nicht mehr kompatibel zu einem gemeinschaftlichen Leben sind) passt vielleicht dieses hier, samt einer interessanten Liste



    da stimme ich dir auch absolut zu. zu viel individualismus würde zu chaotischen gesellschaftlichen zuständen führen, und vielleicht ist auch ein wesentlicher grund, warum die menschheit einen gewissen zivilisationsstand erreicht hat, weil die wenigsten bereit sind, sich im großen stil von der masse zu trennen, soll heißen, sie sind bereit, ihre individualität für das größere ganze zu opfern. das ist respektabel, in gewisserweise (am meisten natürlich, wenn das auch eine bewusste entscheidung ist).

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  • Das kann dann vielleicht wahre individuelle Größe sein, wenn man bewusst bereit ist, so ein Opfer zu bringen. Eine individuelle Größe, wenn sie letztlich der Umgebung schadet, ist keine gute Art von Größe. Im Wikipedia-Artikel zum Individualismus steht dazu:


    "Gerade von Verfechtern der Idee der Selbstverwirklichung wird Individualismus in Abgrenzung zu Konformismus als emanzipatorische und zivilisatorische Weiterentwicklung interpretiert.

    Gegner der Idee der Selbstverwirklichung sehen das anders. Sie betonen, dass Selbstverwirklichung gerade in einem Team / Gemeinschaft erst richtig möglich sei. Der Einzelne werde so aufgrund der sozialen Interaktionen zumindest mehr gefordert, was ein Wachsen der Persönlichkeiten mit sich bringen könne."


    In dem Link fand ich auch dieses Zitat interessant:


    "Das Kind ahmt nach, wie die Eltern ihm Dinge verbieten. Dabei entwickelt sich sein Über-Ich. Identifikationen finden also im Über-Ich ihren Platz. Manchmal ist das Kind so mit einem Elternteil identifiziert, dass man denken könnte, es hätte einige Verhaltensweisen schlicht vererbt. Diese Verhaltensweisen liegen dann aber nicht (nur) auf den Genen, sondern sind das Ergebnis der Identifikation. Diese Vorgänge gehören zur normalen Entwicklung."

  • Das kann dann vielleicht wahre individuelle Größe sein, wenn man bewusst bereit ist, so ein Opfer zu bringen. Eine individuelle Größe, wenn sie letztlich der Umgebung schadet, ist keine gute Art von Größe. Im Wikipedia-Artikel zum Individualismus steht dazu:


    "Gerade von Verfechtern der Idee der Selbstverwirklichung wird Individualismus in Abgrenzung zu Konformismus als emanzipatorische und zivilisatorische Weiterentwicklung interpretiert.

    Gegner der Idee der Selbstverwirklichung sehen das anders. Sie betonen, dass Selbstverwirklichung gerade in einem Team / Gemeinschaft erst richtig möglich sei. Der Einzelne werde so aufgrund der sozialen Interaktionen zumindest mehr gefordert, was ein Wachsen der Persönlichkeiten mit sich bringen könne."

    ich finde solche urteile moralischer art ehrlich gesagt immer sehr schwierig. die natur hat die beschaffenheit, dass man meistens irgendjemandem schadet, solange man lebt. es ist wie mit dem baum, der anderen pflanzen in seiner nähe nährstoffe entzieht, damit er selber wachsen kann. irgendjemand ist immer dominant und andere leiden darunter (oder um es weniger dramatisch zu formulieren, erreichen nicht dasselbe wachstum). eine der interessantesten feststellungen der modernen psychologie (meiner meinung nach) ist das sogenannte in- and out-group behaviour.

    die frage ist, wie man rechtfertigt, teil einer gewissen gruppe zu sein - und warum überhaupt. oder auf welches ausmaß man diese gruppe reduziert. die familie, die stadt, das land, das volk, der kontinent, die menschheit oder eine politische gruppierung aller möglichen farben und formen.

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  • Damit hast du meiner Meinung nach Recht, dass es fast unmöglich ist, in dem, was man tut, keinen Schaden anzurichten oder Gutes zu tun, das den Schaden übersteigt oder evtl. rechtfertigen kann. Trotzdem sollte man sich bemühen, den Schaden zu minimieren, und man sollte auch z.B. historische Persönlichkeiten nicht einfach nach "Größe" beurteilen, sondern die Auswirkungen auf Andere als zentralen Punkt berücksichtigen.

    Was Gruppenzugehörigkeit betrifft, finde ich es auch schwierig, in Gruppen keine bedenklichen Kompromisse zu machen; irgendwelche Kompromisse muss man ja in Gruppen immer machen.

    Zu den von dir genannten Gruppen habe ich nicht ganz verstanden, ob du damit gemeint hast, dass man seine Gruppenzugehörigkeit auf möglichst kleine Gruppen reduzieren sollte, oder welchen Unterschied du da zwischen diesen Gruppen machen möchtest.

    Zum in- & out-group behaviour hatte ich gerade noch keine Zeit, etwas darüber nachzulesen; das möchte ich in den nächsten Tagen aber noch nachholen.

  • ach, ich werde die diskussion nun auf persönliche nachrichten verlegen, also sieh da mal nach. gibt eigentlich keinen grund, diesen thread noch weiter zu belasten.

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