Ruan Guangmin: DongHuaChun. Friseursalon
Verlag: Chinabooks E. Wolf 2018. 430 Seiten (210, 210 Seiten)
Sprache: Chinesisch, Deutsch
ISBN-10: 390581692X
ISBN-13: 978-3905816921. 24,90€
Originaltitel: 東華春理髮廳, Dong Huachun Barbershop
Übersetzer: Johannes Fiederling
Verlagstext
„Ich sah meinen Vater zum allerletzten Mal, als wir auf dem Weg zum Yuanshan Zoo waren, an diesem Tag war mein zehnter Geburtstag. Später sollte ich ihn nie wieder sehen, dies, weil mein Vater unsere Familie verlassen hat, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Was versteht ein zehnjähriges Kind schon von Hass, ich war nur voller nagender Zweifel und zermürbender Fragen. Mein Vater hatte doch offensichtlich mit leeren Händen unsere Familie verlassen, wie konnte es nur sein, dass es trotzdem so schien, als hätte der so viel von mir mitgenommen.
Die Fragen und Zweifel gleichen einer Nadel, die beständig in mein Herz sticht, manchmal schmerzt es, manchmal juckt es nur. Zwanzig Jahre sind vergangen und ich führe immer noch den Friseursalon, den mein Vater zurückgelassen hat. Tag für heute bis zum heutigen Tag. Heute ist ein ganz gewöhnlicher Tag, jedoch ist alles anders geworden, weil ich ein Geschenk erhalten habe, das mein Vater kurz vor seinem Tod auf seinem Sterbebett an mich abgesendet hat ….“
Ein Bruder und eine Schwester mit vollkommen unterschiedlichen Schicksalen treffen vor dem Setting eines Friseursalons aufeinander. Den beiden Geschwister, zwischen denen es triftige Gründe zu Auseinandersetzungen und grosses Konfliktpotential gibt, bietet sich die Chance für eine Versöhnung unter dem Einfluss ihrer beider jeweiligen ineinandergreifenden Erinnerungen – eine Versöhnung mit dem einzig übriggebliebenen Blutsverwandten in der Welt, und auch eine Versöhnung, ein Friedensschluss mit sich selbst. Ein altmodischer Friseursalon dient als Kulisse für eine Geschichte um ein Geschwisterpaar aus Bruder und Schwester, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben begegnen und sich trotz gegenseitiger Ressentiments in einer angespannten, aufgeladenen Atmosphäre dazu entschließen, von nun an gemeinsam durchs Leben zu gehen, für einander zu leben und sich aufeinander zu verlassen. Darin verwoben ist noch die weitere Geschichte eines auf Bewährung aus der Haft entlassenen Mörders. Der Friseursalon Donghuachun wird ihr Herz berühren, seine Eingangstüren stehen weit offen für Sie, treten Sie bitte ein, wir freuen uns auf Ihren Besuch ….
Der Autor
Ruan Guang-min interessiert sich in seinen Graphic Novels besonders für die Schicksale und Lebensentwürfe der kleinen Leute aus unteren sozialen Schichten der taiwanischen Gesellschaft.
Vieler seiner Geschichten sind um einen Laden oder kleinen Betrieb angelegt und erzählen die Lebensgeschichten des Ladeninhabers, seiner Mitarbeiter und der Kundschaft, die den Laden frequentiert.
Der Übersetzer
Johannes Fiederling, Jahrgang 1979, studierte Übersetzen und Dolmetschen in Duisburg, München und Shanghai. Von 2010-2017 arbeitet er im Sprachendienst des Auswärtigen Amts, von 2012-2017 als Leiter des Sprachendienstes am Deutschen Generalkonsulat Shanghai. Seit Sommer 2017 lebt er als freier Literaturübersetzer in seiner Wahlheimat Taiwan. Übersetzt hat er u. a. die chinesische Bestsellerautorin Yu Dan („Konfuzius im Herzen“ 2009), den dystopischen Roman „Die fetten Jahre“ von Chan Koonchung (2012) sowie zahlreiche Kurzgeschichten, Texte und Gedichte taiwanischer wie chinesischer Gegenwartsautoren. Im Herbst 2018 erscheint seine jüngste Romanübersetzung „Der Kirschbaum meines Feindes“ von Wang Ting-Kuo im Arche Literatur Verlag. Seit seiner Kindheit liebt er Comics und ist eng mit dem taiwanischen Mangakünstler Ruan Guang-Min befreundet.
Inhalt
Donghuachun ist ein Manga, der von hinten nach vorn und dessen Panels von rechts nach links gelesen werden. Die in schwarz-weiß gehaltene Handlung ist in eine colorierte Rahmenhandlung eingebettet. Die Ereignisse beginnen 2009, Rückblenden spielen bis zu 30 Jahre früher. Yu-Lan (Magnolie), eine junge Frau aus Taipeh, sehr blond, sehr europäisch aussehend, reist nach dem Tod ihres Vaters Chen Zhen-Dong nur mit einer Adresse auf einem Zettel in dessen Heimatort und sucht dort in seinem Auftrag ein neues Zuhause. Der Friseursalon wird zum Auslöser ihrer Vatersuche und der ihres Bruders, der als Kind – für ihn damals unverständlich - vom Vater verlassen wurde. Der ältere Chen war mit 19 Vater eines kleinen Sohnes und hatte gerade diesen Friseursalon gegründet, als er durch seinen Militärdienst aus der Bahn geriet. Er verließ Frau und Kind, weil er sich zu angebunden fühlte. Chen Xiao-Hua, der jüngere Chen, nennt seine Halbschwester „Paket-Schwester“, ein Paket, das ihm sein Vater hinterlassen hat und um das er sich als der Ältere kümmern muss. Im Friseursalon treffen verschiedene Schicksale aufeinander, Schutzgeld wird erpresst, alte Männer kommen, nur um sich zu unterhalten. Eingeschoben wird die Geschichte von A-Dun, dessen Mutter sich als Schneiderin durchschlug und dem Chen Xiao-Hua nach seinem Gefängnisaufenthalt eine zweite Chance gibt. Schließlich erhält Yu-Lan als Dritte im Bunde der „3 Klingen“ ihre persönliche „Klinge“ überreicht, ihr Handwerkzeug aus Friseurschere und Rasiermesser.
Fazit
Ein Friseursalon wirkt als Setting spannend und lässt gleich an eine Verfilmung als Serie denken. „DongHuaChun“ passt sich in der Darstellung der Figuren für meinen Geschmack zu stark an westliche/internationale Sehgewohnheiten an. Selbst wenn sie europäische, japanische oder koreanische Vorfahren haben, wirken Chinesen aus Taiwan im Aussehen auf mich völlig anders als die drei Hauptfiguren. Realistischer gezeichnet finde ich dagegen den Vater Chen Zhen-Dong und einige der Nebenfiguren. Am eindrucksvollsten im Manga fand ich die Zeichnungen, die ganz ohne Text auskommen. Durch Rückblenden, Briefe, (gedachte) Tagebuchaufzeichnungen und durch die europäisch wirkenden Gesichter der Figuren empfand ich die Handlung als sehr komplex, die Sprache der Rückblenden in der deutschen Übersetzung teilweise als zu modern. Die Schreibschrift-Abschnitte sind leider nur schwer zu lesen. Trotz meiner Kritik finde ich ein Manga aus Taiwan einen wichtigen Beitrag, um das Land gegenüber der dominierenden Volksrepublik China ins Bewusstsein der übrigen Welt zu bringen.
7 von 10 Punkten