'Norden und Süden' - Kapitel 31 - 38

  • Oje, Miss Perfect hat gelogen... Na sowas, da ist der Heiligenschein aber nicht mehr ganz so glänzend. Aber zum Ausgleich fällt sie stilgerecht in Ohnmacht. Das gehört sich auch für eine viktorianische Jungfrau.


    Aber keine Sorge: Mr Thornton liebt sie immer noch. Er sieht zwar "ihre Reinheit von einer Lüge befleckt" - aber er beschließt "sie vor Schande zu bewahren". Ganz nach dem Motto: man darf alles machen, nur sich nicht erwischen lassen.

    Die beiden hätten einander wirklich verdient.


    Higgins lebt von dem Ersparten seiner verstorbenen Tochter Bessy und von der harten Arbeit von Mary. Saufen und Jammern ist ja Arbeit genug. Sind in diesem Buch eigentlich alle Männer Feiglinge, Schwächlinge oder Idioten?

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Sind in diesem Buch eigentlich alle Männer Feiglinge, Schwächlinge oder Idioten?

    Ich bin zwar noch nicht so weit, aber das Buch habe ich ja schon gelesen. Also das ist schon ein hartes Urteil, für einige mag das zutreffen, aber sicherlich nicht für alle.


    Obwohl ich fast glaube, daß wir wieder mal verschiedene Ansichten über so manches im Buch haben. ;-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich will mein hartes Urteil ein bisschen revidieren: ich mag Mr Thornton. Das meiste an ihm zumindest. Er ist weder ein Idiot noch ein Schwächling noch ein Feigling. Er ist ein Gentleman.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Alice

    Dann sind wir uns doch etwas näher, den hatte ich bei meinem Kommentar nämlich im Sinn.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • :lache
    Aber wo ihr recht habt...

    Wobei, Frederick mag ich auch irgendwie. Der scheint auch noch ein Kerl zu sein.

    Das Margaret die Polizei so eiskalt anlügt?


    Ich bin noch nicht ganz durch mit dem Abschnitt und noch gespannt was passiert.

    Um Mr. Hale (mag er sein wie er will ) mache ich mir etwas Sorgen, der scheint sich nach dem Tod seiner Frau aufgegeben zu haben...

  • Ehrlich mir wird es mit Margaret auch zuviel, irgendwann kriegt sie den Heiligenschein. Und die Männer (außer wie ihr schon schreibt Mr. Thorton) einfach lebensuntüchtig.

    Den Heiligenschein bekommt sie nicht mehr. Sie hat gesündigt, gelogen, ihr Ansehen bei Mr. Thornton vergeigt. :grin

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Frederik scheint tatsächlich ein guter Kerl zu sein, der wohl doch unschuldig in die Meuterei geraten ist. Anfangs dachte ich, er hätte mehr auf dem Kerbholz. Den besoffenen Leonards hat er doch nur ein Bein gestellt, damit er ihn loslässt. Ob er tatsächlich unglücklich gestürzt ist? Aber er war ja noch recht munter, hat getobt und weiter gesoffen. Vielleicht hat ihm noch ein anderer ein Schlag auf den Kopf gegeben, als er die Bar verließ.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • In diesem Buch gibt es ja Tote über Tote....

    Mittlerweile gefällt mir ja Higgins richtig gut. Der ist nicht auf den Mund gefallen Mr. Thornton gegenüber. Und auch das er sich um die Witwe und deren Kinder kümmern will finde ich sehr rührend.

  • Wie ich sehe, hinke ich nun hinterher. :staun


    Ich lasse mir mit dem Roman aber auch Zeit, weil ich die Geschichte sehr gut kenne und deshalb nicht den Drang verspüre, zu sehen, wie es weitergeht. Aktuell habe ich Kap. 35 beendet. Und dies zum zweiten Mal! Denn ich bin weit in der Geschichte zurückgegangen und habe sie noch einmal angehört. Der Grund dafür waren Eure Kommentare. Ihr habt mich ins Grübeln gebracht. :zwinker


    Einigen von Euch ist Margaret zu perfekt. Daher habe ich mir als Schriftstellerin die Frage gestellt, wie "perfekt" darf die Protagonistin in einem Roman sein? :gruebel


    Ich meine mich an eine Äußerung Jane Austens aus einem Brief zu erinnern: Nie wieder Elizabeth Bennet. Sie sorgte sich, SuV könne zu perfekt, zu "hell" sein. Ich mag Elizabeth Bennet sehr und finde, jene hat auch ihre Schwächen. Hingegen hatte ich lange Zeit Schwierigkeiten mit Jane Austens Romanheldin Emma. Ein Charakter, der alles andere als "perfekt" ist!


    So habe ich beim zweiten Hören von Norden und Süden darauf geachtet, ob Margaret zu perfekt ist. :zuhoer Nun, ich bin nicht dieser Ansicht! Um es gleich vorwegzusagen: Ich mag den Charakter sehr. :-] Obwohl Margaret diesen überlegenen (arroganten) Gesichtsausdruck besitzt, diese hochmütige Art, mit der sie ihr Gegenüber zu verunsichern weiß. Bei ihrem ersten Gespräch mit dem Kommissar rettet sie ja gerade diese Wirkung.


    Neben dieser (äußerlich) herablassenden Art gegenüber Fremden hat Margaret noch (weitere) Schwächen. Zum Beispiel hält sie nicht ihr Versprechen, Bessy Higgins zu besuchen. Erst als sie dieser wieder zufällig begegnet und die Enttäuschung von Bessy zu spüren bekommt, verändert sie ihr Verhalten. Zudem teilt sie (anfangs) die Vorurteile ihrer Klasse in Bezug auf Kaufleute/Händler/Fabrikanten. Als dann Frederick zu Besuch kommt, finde ich, wird Margarets Überforderung mit der familiären Situation offensichtlich. Und nun begeht sie einen sehr schwerwiegenden Fehler. Sie begleitet ihren Bruder in der Dämmerung allein zum Bahnhof! Daran zeigt sich, wie weltfremd Mr. Hale ist. Wie kann er seine Tochter abends mit ihrem Bruder allein zum Bahnhof schicken? In Helstone, wo sich ein jeder kannte, mag dies möglich gewesen sein, aber in Milton war das skandalös! Auch Frederick bedauert zu spät (die Sonne war schon untergegangen), dass er die Kutsche wegschickte.


    Erst als am nächsten Tag der Kommissar ihr erklärt, sie sei gestern Abend am Bahnhof allein mit einem jungen Herrn gesehen worden, begreift Margaret, welche Schande dieser Vorfall ungeachtet Leonards Tod über sie bringen kann. Ihre dortige Anwesenheit leugnet sie aber ausschließlich, um ihren Bruder zu schützen. Ist ihr Charakter deshalb zu gut? Oder dient ihr nicht vielmehr die Sorge um den Bruder als Rechtfertigung für ihre Lüge? :/ Später als sie die Nachricht von Frederick erhält, er sei in Sicherheit, glaubt sie, die Lüge nicht ausgesprochen zu haben, hätte sie vorher davon gewusst. Dabei wäre sie in der Gesellschaft verloren gewesen, wäre die Wahrheit ans Licht gekommen. Eine junge, unverheiratete Dame begleitet noch dazu abends allein einen jungen Mann! Für uns scheint daran nichts Ungewöhnliches. In jener Zeit hingegen war dies eine verwerfliche Tat! Margaret hätte zudem niemals erklären können, dass der junge Mann ihr Bruder war.


    Umso höher ist die großherzige Reaktion von Mr. Thornton zu beurteilen. Er wusste, dass Margaret dort gewesen war. Nach ihrer Abweisung hätte er nun die Gelegenheit gehabt, sie zu vernichten. Stattdessen rettet er sie vor der Schande und erspart ihr auch die Anklage. Dies zeigt meiner Meinung nach die Aufrichtigkeit seiner Liebe. :wave

  • Wie ich sehe, hinke ich nun hinterher.

    Ich "hinke" auch, bin mitten in diesem Abschnitt, komme momentan aber nicht dazu, "qualifiziert" zum Inhalt zu schreiben. Kommt aber noch.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Arghh, da ich nicht mehr weiß, was wo steht, kann ich zu den männlichen Figuren an dieser Stelle nicht viel schreiben, auch wenn ich anderer Meinung als meine Vorschreiberinnen bin. "Mr. Thornton ist ein Gentleman". Darüber kann man geteilter Meinung sein - zumindest im viktorianischen Zeitalter dieses Buches, das den "Gentleman" möglicherweise anders definiert als wir heute. Jedenfalls auf jeden Fall nicht als einen Fabrikanten oder Händler.


    Wenn man Frederick im Ganzen (also am Ende des Buches) sieht, hat sich möglicherweise die Meinung über ihn auch geändert. Er ist durchaus der typische Sohn seiner Eltern (im Gegensatz zu Margaret).


    Man merkt, daß Brigitte selbst Autorin ist: ihre Schilderung der Person Margarets stimmt (fast) haargenau mit der Interpretation in "Brodie's Notes" überein, so daß ich da einfach :write machen kann. :-]

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")