Judith Rossell: Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr Filbert [10-12 Jahre]

  • Judith Rossell: Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr Filbert

    Thienemann Verlag 2018. 272 Seiten

    ISBN-10: 3522184890

    ISBN-13: 978-3522184892.13,99€

    Vom Verlag empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre

    Originaltitel: Withering-by-Sea

    Übersetzerin: Cornelia Panzacchi


    Verlagstext

    Ein magischer und packender Abenteuerroman für Kinder ab 10 Jahren – für alle Fans von „Lemony Snicket“

    Stella hat sich heimlich aus dem Hotelzimmer ihrer drei schrulligen Tanten geschlichen. In der Eingangshalle schlafen einige Hotelgäste merkwürdig verrenkt in ihren Sesseln. Ob das mit dem Kerzenleuchter in Form einer Hand zusammenhängt? Als Stella ihn versehentlich umwirft, tropft statt Wachs Blut zu Boden. Plötzlich hört Stella Schritte. Sie verbirgt sich hinter einem Farngewächs und wird so Zeugin eines mysteriösen Verbrechens …


    Die Autorin

    Judith Rossell wurde in Australien geboren und arbeitete zunächst einige Jahre als Wissenschaftlerin für die australische Regierung, bevor sie sich selbständig machte. Sie ist inzwischen seit über 20 Jahren als Autorin und Illustratorin tätig und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Judith Rossell lebt in Melbourne, Australien.


    Inhalt

    Stella Montgomery lebt zur Zeit der Hochräder, Gaslampen und Korsetts mit ihren drei Tanten im Hotel Majestic in Withering-by-Sea. Die Damen Ernesta, Augusta und Regula wohnen als Dauergäste im Hotel, um sich in der Bäderabteilung zu aalen und das Mineralwasser aus der Hotelquelle zu trinken. Die Tanten sind eine ziemliche Last in Stellas Leben, am liebsten hätte sie, wenn die drei einfach von einem Python verschlungen würden. Von einer der Tanten wird Stella in „Französische Konversation für junge Damen“ unterrichtet. Wichtigste Erziehungsziele für ein Mädchen sind „Mach keinen Katzenbuckel“ (im Kampf gegen den Buckel schreiten Mädchen regelmäßig mit einem dicken Buch auf dem Kopf herum) und „Neugier ist ein vulgäres Laster“. Ihre Neugier befriedigt Stella mit einem Bildatlas, den sie aus dem Müll gerettet hat und den sie wie einen Gefährten ständig dabei hat. Im Wintergarten des Hotels beobachtet Stella, wie ein Gast ein kleines Päckchen in einem Blumentopf versteckt. Kurze Zeit später ist Mr Filbert, ein Kavalier der alten Schule, tot und im Hotel geht es drunter und drüber. Stella flüchtet mit dem kleinen verkorkten Fläschchen, in dem sich etwas Silbriges zu bewegen scheint, vor dem „Professor“ und seinen Spießgesellen. Erst der Junge Ben öffnet Stella die Augen, welch magische Dinge im Hotel vorgefallen sind und über welch ungewöhnliche Kräfte sie selbst verfügt. Mit tatkräftiger Hilfe durch Ben und das junge Ballettmädchen Gerti nimmt Stella den Kampf gegen den Mann auf, der auf dem Pier von Withering-by-Sea als Magier auftritt. In dem Durcheinander im Hotel ist Stella ein Bild in die Hände gefallen, das ihre Mutter Clare (die vierte der Schwestern) mit zwei kleinen Kindern zeigt. Falls Stellas Abenteuer um das magische Fläschchen gut ausgehen sollte, bliebe für sie die Frage zu klären, wer das zweite Kind auf dem Foto sein könnte.


    Für ein Mädchen, das ein Korsett, mehrere Unterröcke, vermutlich einen knöchellangen Rock und darüber noch eine Schürze tragen muss, stürzt sich Stella erstaunlich entschlossen in ihre Flucht mit dem magischen Fläschchen. Durch die atmosphärischen Illustrationen des Buches erfahren die Leser auf einer weiteren Ebene, was wir uns unter einem Vergnügungs-Pier vorzustellen haben oder wie im Hotel Majestic die Gäste höchst fortschrittlich mitsamt dem heilenden Meerwasser in ihrer Badewanne geschaukelt wurden. Als erwachsene Leserin interessiert mich in Romanen stets, wie in anderen Zeiten die Dinge funktionierten und wie die Menschen lebten und arbeiteten. Die liebevoll gezeichneten Details liefern meiner Neugier hier üppiges Futter. Dass eine Seeschlange auf einer Buchseite nur in winzigen Abschnitten gezeigt werden kann, scheint mir ziemlich logisch; für eine Ganzkörper-Ansicht wird sie schlicht zu groß sein!


    Fazit

    Auch wenn Stellas Gefühlsleben hinter vordergründiger Aktion etwas zu kurz kommt, spricht der erste von bisher drei Bänden seine Leser auf unterschiedlichsten Ebenen an. Von der tröstlichen Botschaft, dass auch Kinder wie Gerti geliebt werden, die mit ihrer Arbeit die Familie ernähren, über die Welt außerhalb des Horizonts der Tanten bis zu magischen Fähigkeiten, die Stella zunächst überrumpeln. Wie Stella sich listig der Erziehung zur feinen Dame entzieht, wie der Bildatlas ihr Wissen und Ermutigung vermittelt und wie sie gemeinsam mit treuen Gefährten agiert, das unterhält Leser aller Altersgruppen. Sei vorsichtig mit deinem Urteil, wenn du glaubst, die Guten und die Bösen zu kennen, könnte die Botschaft des Buches an seine zehnjährige Zielgruppe sein.


    Band 2 ist bereits angekündigt. Stella Montgomery und der schaurige See von Wormwood Mire


    9 von 10 Punkten

  • Stella residiert mit ihren drei Tanten im Hotel Montgomery. Dort geben sich die Damen, ohne Stella wohlgemerkt, ihren täglichen Kuranwendungen hin. Naturgemäß ist so etwas furchtbar langweilig für kleine Mädchen und Stella hätte nun viele Möglichkeiten, die freie Zeit ohne ihre Tanten so richtig zu genießen, doch Stella lebt nicht in unserer Zeit. Sie hat kein Smartphone und kein Tablet, in ihrer Zeit steht ihr nur ein alter Atlas zur Verfügung, in dem sie immer und immer wieder blättert.


    Schlimmer noch; in der Zeit, in der die Geschichte spielt, wird von Kindern erwartet, dass sie sich benehmen, nicht das Wort an Erwachsene richten und immer sauber und ordentlich gekleidet sind. Genau das fällt Stella sehr schwer und als sie sich eines Abends in das Gewächshaus des Hotels schleicht, will sie eigentlich nur ein bisschen Abwechslung von diesem tristen Alltag, doch dann wird sie Zeugin einen ganz schrecklichen Vorfalls und es kommt noch schlimmer, denn sie gelangt in den Besitz eines Gegenstandes den ihr einige böse Menschen unbedingt abjagen möchten. Ab jetzt wird es für Stella turbulent und es beginnt ein abenteuerliches Versteckspiel und eine Jagd auf sie und ihren geheimnisvollen Gegenstand…


    Wer auf der Suche nach einer Abenteuergeschichte für Kinder im Alter zwischen 10 und 12 ist, der findet sie mit genau diesem Buch. Der Schreibstil ist altersgerecht gehalten und die Handlung ist zwar rasant und zeitweise atemberaubend spannend, doch niemals brutal oder verstörend. Man merkt der Autorin an, dass sie ihre kleinen Helden, die in der Geschichte mitspielen dürfen, sehr gern hat und spürt ihren warmherzigen und humorvollen Blick auf sie.


    Auch für Erwachsene ist dieses Buch mit seinen liebevoll gemachten Illustrationen lesenswert, da es nicht langweilig wird. Die Geschichte ist genauso, wie man Geschichten liebt. Es gibt die Guten und die Bösen und es gilt, ein Geheimnis aufzuklären. Es wird sehr spannend und man fiebert mit den Hauptfiguren mit, wünscht ihnen, dass alles gut wird und mag das Buch nicht zur Seite legen, bis man das Ende kennt. Ich habe mich gefreut, Stella kennenzulernen und war schon ein wenig traurig, sie wieder verlassen zu müssen, doch als ich erfuhr, dass es bald ein Wiedersehen mit ihr in einem weiteren Abenteuer geben wird, hat mich das getröstet.9 von 10 Eulenpünktchen dafür

  • Leider kann ich die Begeisterung über dieses Buch nicht so gänzlich teilen.


    An sich hat Judith Rossell hier eine nette Geschichte in einem interessanten Setting (Luxushotel und Vergnügungspier in einem englischen Kurort) und mit magischen Momenten abgeliefert.


    Ich halte es von der Grundidee her allerdings für wenig realistisch und nachahmenswert, dass ein Kind von einem ihm nahezu Unbekannten ein Fläschchen mit einer geheimnisvollen Substanz anvertraut bekommt, verspricht, es zu verstecken und zu beschützen, und dieses Versprechen dann auch noch unter Einsatz des eigenen Lebens und seiner Gesundheit hält. Meine eigenen Kinder würde ich lieber dazu ermutigen, solche Versprechen, deren Ausmaß und Konsequenzen man nicht absehen kann, und dann auch noch eingefordert von sich suggestiv verhaltenden Erwachsenen, gerade nicht zu geben.


    Die Heldin des Buches, Stella Montgomery, ist ein sympathisches, mutiges und aufgewecktes Mädchen, Vollwaise, in einem leider komplett klischeebeladenen Umfeld. Sie darf nichts als sich gerade halten, sticken, französische Konversation pauken und ansonsten schweigen; Trost und kleine Fluchten findet sie in nur einem alten Atlas. Etliche Figuren, v.a. ihre Tanten, sind schmerzhaft stereotyp gezeichnet und es steht zu hoffen, dass die Folgebände das vielleicht noch ein wenig aufbrechen.


    Von diesen Abstrichen abgesehen, hat die Geschichte mir durchaus gefallen, sie hätte jedoch für meinen Geschmack weniger ermüdende Beschreibungen und deutlich mehr Spannung vertragen können. Gerade bei Kinderbüchern, finde ich, sollte eine Geschichte schneller an Fahrt aufnehmen, damit die junge Leserschaft auch „dranbleibt“. Das wird im letzten Drittel des Buches besser.


    Mächtig geärgert hat mich der Cliffhanger. Ich habe grundsätzlich nichts gegen kleine Cliffhanger (bei diesem Buch z.B. die genaue Klärung der Familienverhältnisse), wenn die Geschichte an sich weitgehend abgeschlossen ist – aber hier fehlt auch die Antwort auf die bereits zu Beginn des Buches aufgeworfene Frage, von welchem magischen Völkchen die Heldin möglicherweise zur Hälfte abstammt, und das hätte ich am Ende des Buches, wo diese Frage nochmal vertieft wird, dann doch gern aufgelöst gesehen. Auch die Reaktion der Tanten auf den „Ausflug“ hätte mich sehr interessiert. Hier ist also meiner Ansicht nach zu viel Stoff in den Folgeband geschoben worden, und so habe ich diese an sich nette Geschichte unbefriedigt und ein wenig grummelig zugeklappt.


    Die schönen Illustrationen von Nina Dulleck, besonders die singenden Katzen und das opulente Cover, habe ich mit großem Vergnügen betrachtet.


    6/10 Punkten.